Adidas und Puma Das Jahr der Deutschen

Beide Sportartikelhersteller konnten in diesem Jahr punkten. Quelle: dpa

Adidas und Puma sind im Jahr 2017 wesentlich stärker gewachsen als ihre US-Rivalen Nike und Under Armour. Doch der Erfolg der Deutschen gründet vor allem auf Lifestyle – der bald aus der Mode kommen könnte.

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Es geht aufwärts bei Adidas und Puma. Das zeigt sich schon an den riesigen Bürogebäuden, die derzeit am Stammsitz der beiden Sportkonzerne im fränkischen Herzogenaurach entstehen. Puma wird seinen neuen Verwaltungstrakt bereits im nächsten Frühjahr beziehen, der Lokalrivale Adidas ein Jahr später.

Die beiden größten europäischen Sportartikelhersteller brauchen dringend Platz für neue Mitarbeiter. Denn das Geschäft zieht stark an, Adidas und Puma haben dieses Jahr so viele Shirts, Shorts und Turnschuhe verkauft wie nie in ihrer fast 70-jährigen Geschichte. Was sich noch vor drei Jahren niemand vorstellen konnte: Die Traditionsmarken sind sogar dynamischer unterwegs als ihre schärfsten Konkurrenten, die US-Konzerne Nike und Under Armour.

In den ersten neun Monaten ist der Umsatz von Adidas und Puma jeweils um rund 16 Prozent in die Höhe geschossen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Franken mit sportlichem Lifestyle den Geschmack der Kunden nahezu perfekt treffen. Partnerschaften mit Stars, wie sie Adidas mit Rapper Kanye West pflegt oder Puma mit Sängerin Rihanna, haben vor allem in Amerika das Image aufpoliert.

Adidas punktet mit seiner Retro-Serie „Originals“, mit der Jugendmodemarke „Neo“ sowie der „Boost“-Linie, einer innovativen Sohlentechnik. Puma hat sich Ansehen verschafft durch die angesagte, stylische „Fenty“-Kollektion von Rihanna, kehrt aber auch langsam mit Fußballschuhen in die Regale der Sporthändler zurück.

Demgegenüber muss sich Weltmarktführer Nike mit einem mageren Umsatzplus in den ersten sechs Monaten des laufenden Geschäftsjahrs von zwei Prozent begnügen. Under Armour kam zwischen Januar und Ende September auf lediglich drei Prozent höhere Erlöse. Für das Label aus Baltimore ist das besonders enttäuschend, schließlich prahlte Gründer und Vorstandschef Kevin Plank jahrelang mit Wachstumsraten von 20 Prozent und mehr.

An der Börse sieht das Bild ein wenig differenzierter aus. Der absolute Star auf dem Parkett ist Puma. Die Puma-Aktien haben seit Jahresbeginn fast die Hälfte an Wert gewonnen und kosten derzeit rund 370 Euro. Adidas kommt demgegenüber nur auf 13 Prozent Zuwachs, die Papiere notierten bei etwa 170 Euro; das Plus ist dennoch bemerkenswert, denn bereits vergangenes Jahr war es steil nach oben gegangen. Nike erreicht im Vergleich zum Jahresanfang einen Zuwachs an der Wall Street von rund einem Fünftel, es ist die Aufholjagd nach einer ausgesprochen schwachen ersten Jahreshälfte.

Am schwächsten unter den großen Sportmarken hat sich Under Armour entwickelt: Die Aktien der Firma aus Baltimore notieren in etwa auf dem Niveau vom Jahresbeginn. Zum Vergleich: Der Dow-Jones-Index verbucht 2017 bislang ein Plus von fast einem Viertel.

Top-Management gefeuert


Vor drei Jahren sah es noch ganz anders aus. 2014 waren die Adidas-Aktien mit einem Minus von 40 Prozent der größte Verlierer im Dax. In jenem Jahr brach der Gewinn um ein Drittel ein und in den amerikanischen Sportgeschäften überholte Under Armour die Franken als zweitgrößte Sportmarke. Der Aktienkurs notierte zum Jahreswechsel 2014/15 bei weniger als 60 Euro. Ein Desaster.

Nicht viel besser war damals die Lage beim Nachbarn Puma. 2014 erzielte die Marke einen Mini-Gewinn von nur 64 Millionen Euro, der Umsatz stagnierte bei drei Milliarden Euro und Vorstandschef Björn Gulden bat die Investoren um Geduld. „Geben Sie uns Zeit“, betonte der Norweger.

In dieser Phase höchster Not entstanden die Kollektionen und Marketingideen, mit denen Adidas und Puma heute der damals hoch erfolgreichen US-Konkurrenz Marktanteile abnehmen. Nike und Under Armour hingegen gelang es nicht, den Bestsellern von früher genügend neue Top-Produkte folgen zu lassen. Nike ruhte sich auf dem weltweit erfolgreichen Freizeitschuh-Konzept „Free“ aus, Under Armour fiel nach dem extrem populären Basketball-Schuh von NBA-Star Stephen Curry nicht mehr viel Bahnbrechendes ein.

Unter dem Druck von Adidas und Puma haben die US-Konzerne dieses Jahr allerdings weitreichende Umbaupläne verkündet. Under-Armour-Chef Plank hat in den vergangenen Monate große Teile seines Top-Managements gefeuert und neue Leute angeheuert.

Nike-Chef Mark Parker verspricht, dass neue Turnschuhe, Shirts und Shorts bald wesentlich zügiger entstehen als bisher. Zudem will er seine Marketingmittel zielgerichteter einsetzen. Dabei orientiert sich der Manager ausgerechnet am Rivalen Adidas. Die Franken haben schon vor zwei Jahren beschlossen, sich auf einige Metropolen weltweit zu fokussieren. Das macht jetzt auch Nike. Aus zwölf Millionenstädten sollen 80 Prozent des Wachstums bis 2020 kommen, verspricht Parker. Zudem stutzt die Marke aus Oregon ihre Länderorganisation, aus sechs Regionen sind jetzt vier geworden. Von den derzeit 70.000 Jobs sind zudem zwei Prozent weggefallen, also etwa 1400. Damit nicht genug: Die Amerikaner wollen künftig auch wesentlich mehr Ware direkt an die Konsumenten verkaufen, ohne Händler. Die Initiative läuft unter dem Titel „Consumer Direct Offense“ und wird direkt von Trevor Edwards geleitet, der Nummer zwei im Konzern.

Ob Adidas und Puma ihr hohes Tempo angesichts der Offensive der US-Konkurrenten 2018 halten können ist offen. Experten warnen vor hausgemachten Gefahren: Das Geschäft mit sportlichem Lifestyle, das Adidas und Puma betreiben, ist risikoreicher als das mit Kickstiefeln oder Laufschuhen. Die Konzerne seien abhängiger von „flüchtigen Trends und Kunden mit schwacher Markenloyalität“, meint Mirko Warschun, Konsumgüterexperte der Unternehmensberatung AT Kearney. Es sei eine große Herausforderung, „die Konsumententrends zu antizipieren oder mitzugestalten“.

„Ich finde nicht, dass wir schon besonders erfolgreich sind“


Zudem verschärfe sich der Wettbewerb, erklärt Warschun. Luxusmarken drängten in das Sportgeschäft, aber auch Modehersteller wie H&M und nicht zuletzt Versandhäuser wie Amazon mit ihren Eigenmarken. Zudem seien ambitionierte Nischenanbieter eine Bedrohung. So ist der Umsatz der kanadischen Yoga-Marke Lululemon im dritten Quartal um 14 Prozent geklettert. Bis 2020 will das Label so groß sein wie heute Puma.

Gleichwohl, niemand rechnet damit, dass Adidas und Puma in eine Krise rutschen wie 2014. Ganz im Gegenteil, die Analysten erwarten auch in den nächsten Jahren Wachstum. Nicht mehr ganz so stürmisch, aber jährlich zehn Prozent Plus sind nach Ansicht von Experten durchaus drin. Für Nike und Under Armour prognostizieren Beobachter im Schnitt lediglich Wachstumsraten um die fünf Prozent.

Damit nicht genug: Vor allem in Amerika, dem größten Sportmarkt der Welt, bieten sich den Deutschen noch gewaltige Möglichkeiten. Adidas hat seinen Marktanteil bei Sportschuhen in den USA zuletzt zwar schon auf knapp 13 Prozent verdoppelt. Aber Nike kommt noch immer auf mehr als 50 Prozent. Da gibt es noch viel zu holen.

Kein Wunder, dass sich die Vorstandsvorsitzenden in Herzogenaurach zuversichtlich zeigen. Wenn die Prognosen von Adidas-Chef Kasper Rorsted zutreffen, wird die Marke mit den drei Streifen in den nächsten Jahren stark zulegen und sehr viel profitabler werden. Bis 2020 soll der Umsatz jährlich im Schnitt um zehn bis zwölf Prozent wachsen. Der Gewinn soll sogar um 20 bis 22 Prozent steigen.

Puma-Chef Björn Gulden hat keine Wachstumsziele verkündet. Aber er lässt keinen Zweifel daran, dass die Marke mit dem Raubtierlogo noch viel erreichen kann. „Ich finde nicht, dass wir schon besonders erfolgreich sind“, sagte der Norweger zuletzt im Handelsblatt-Interview.

Gleichwohl, Weltmarktführer Nike bleibt trotz aller Erfolge der Deutschen erst einmal das Maß aller Dinge. Die Marke mit dem „Swoosh“-Logo ist mit einer operativen Marge von regelmäßig zwölf Prozent nach wie vor wesentlich profitabler als Adidas und Puma. Mit einem Jahresumsatz von 32 Milliarden Dollar ist das Label zudem rund die Hälfte größer als Verfolger Adidas.

Größe ist kein Selbstzweck in der Sportindustrie: Wer mehr einnimmt, kann mehr fürs lebenswichtige Marketing ausgeben. Weil die Hersteller stets einen fixen Prozentsatz der Erlöse für Werbung und Sponsoring einsetzen, hat Nike einen enormen Vorteil. Doch der Vorsprung schrumpft.

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