Air-France-Tochter Joon Frankreichs Hipster-Airline geht an den Start

Weiße Sneaker, kostenloses WLAN und Quinoa-Salat: Mit der neuen Billigtochter Joon will Air France ab heute bei jungen Reisenden punkten. Doch die Konkurrenz ist groß – und die erste Panne gab es schon vor dem Start.

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„Anstatt eine neue hochnäsige Airline zu gründen sollte man vielleicht die reparieren, die man schon hat.“ Quelle: Screenshot Youtube

Paris Wenn französischen Firmen auch das Sparen nicht so liegt, sind sie doch beim Stil unschlagbar. Das zumindest scheint das Rezept für Joon, die neue Airline von Air France-KLM, zu sein. Diese Woche geht die Fluglinie an den Start. Der Firmenname soll eine Anspielung auf „jeune“ sein, französisch für jung.

An Bord soll es denn auch wie das Paradies für Millennials aussehen: Flugbegleiter, modisch gestylt und technikaffin, servieren angesagtes Superfood wie Baobab-Saft oder Bio-Quinoa-Salat. Das junge Publikum streamt währenddessen selbstverständlich Filme und Serien, während sie zu günstigen Preisen von Paris nach Barcelona jetten.

Die Wirklichkeit ist dagegen weniger glamourös. Der Hipster-Anstrich verdeckt, dass die neue Airline Ergebnis knallharter Kalkulationen im Luftfahrtkonzern ist. Die Gewinnformel lautet: Die Kosten werden stärker gedrückt als die Ticketpreise. So will Air France den weiteren Vormarsch von Billigfliegern wie Ryanair stoppen und auch andere Konkurrenten vom lukrativen Langstreckenmarkt fernhalten. Joon ist dabei der zweite Versuch des Konzerns, die Kosten zu drücken; der erste scheiterte unter teils gewalttätigen Protesten der Mitarbeiter.

Analysten glauben, dass Joon erfolgreich starten muss, bevor die Ölpreise wieder ansteigen. Ansonsten würde Air France seinen derzeitigen Aufschwung verspielen. In den ersten neun Monaten stieg der operative Gewinn des Konzerns um 44 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, der Aktienkurs verdoppelte sich. Das liegt auch daran, dass nach zahlreichen Terroranschlägen wieder mehr Touristen nach Frankreich kommen.

„Air France muss die Kostenstruktur im Vergleich zu den Wettbewerbern verbessern, um auch in einem Umfeld Erfolg zu haben, das weniger günstig als heute ist”, sagt Andrew Lobbenberg, Luftfahrt-Analyst bei HSBC. „Darum geht es bei Joon.“

Die neue Tochter ist die vierte Marke von Air France neben der Kernmarke, dem Kurzstreckenflieger Transavia und der Regionalairline Hop!. Joon wird am Pariser Flughafen Charles de Gaulle stationiert und startet am heutigen Freitag in den Betrieb. Erste Ziele sind Barcelona, Berlin, Lissabon und Porto, im kommenden Jahr kommen dann auch exotischere Destinationen wie die Seychellen oder Fortaleza in Brasilien hinzu. Die Genehmigung für Flüge in die USA ist bereits beantragt. Firmenchef Jean Michel Mathieu kündigte am Donnerstag an, dass man später auch Rom, Neapel, Oslo, Istanbul, Kairo, Teheran und Kapstadt anfliegen will.

Die ersten Maschinen von Joon sind Airbus A320-Jets von Air France, für die Interkontinentalflüge werden A340-Großraumflieger eingesetzt. Ab 2019 sollen modernere A350-Jets hinzukommen. Vereinbarungen mit den Arbeitnehmern sehen vor, dass Joon maximal 28 Maschinen einsetzen darf.

Die Airline entstand als Kompromissvorschlag von Konzernchef Jean-Marc Janaillac. Sein Vorgänger Alexandre de Juniac war mit dem Versuch, mit Transavia ein größeres Billig-Projekt umzusetzen, gescheitert. Die geplanten Einschnitte sorgten für große Proteste, aufgebrachte Mitarbeiter griffen Manager an, de Juniac musste schließlich gehen. Joon zahlt seinen Piloten nun genauso viel wie Air France. Stattdessen sollen die Kosten für die Kabinenbesatzung um 40 Prozent niedriger liegen. Insgesamt sollen die Ausgaben um 18 Prozent sinken.


Erste Werbekampagne sorgt für Kritik

Die Flugtickets von Joon rangieren nicht im absoluten Billigsegment. Ein Flug nach Lissabon im Januar ist derzeit ab 50 Euro erhältlich. Das ist billiger als die derzeitigen Air-France-Verbindungen, die Joon übernimmt, aber teurer als beispielsweise bei Easyjet oder der konzerneigenen Transavia.

Daher setzt Joon auf Coolness: Die Flugbegleiter werden mit stahlblauen Polohemden und weißen Sneakern ausgerüstet. Die Passagiere können auf ihren eigenen Geräten Filme und Serien streamen – wodurch sich Joon die Monitore spart. Alle Sitze verfügen über USB-Anschlüsse und ab kommendem Jahr gibt es gratis WLAN. Die Airline wirbt so um eine preissensible Zielgruppe, die aber gleichzeitig Wert auf Technik und Lifestyle legt.

Andere Dienste kosten dagegen extra. Neben aufgegebenem Gepäck sind das Virtual-Reality-Brillen mit Programmen von Viceland oder Red Bull TV – und auch den Baobab-Saft gibt es nur gegen Aufpreis. Joon bietet auch eine Business Class mit mehr Platz an, zudem gibt es auf Langstreckenflügen eine Premium Economy.

Air-France-Geschäftsführer Franck Terner beschreibt die neue Fluglinie als Labor für Experimente mit Marketing und Preisen. Der Start sei vergleichbar mit dem von Richard Branson’s Virgin Atlantic in den 80er-Jahren.
Die Reaktionen auf die erste Werbekampagne waren allerdings weniger positiv. Joon wird darin als Dachbar, Streamingportal und Modedesigner beworben – um dann „und auch eine Fluglinie“ hinzuzufügen.

Nicht nur in den sozialen Netzwerken wurde dem Unternehmen vorgeworfen, man bevormunde junge Reisende und interpretiere ihre Bedürfnisse falsch. „Uns geht es um dieselben Dinge wie alten Leuten: billige, zuverlässige Flüge ohne versteckte Kosten“, sagte der Comedian Paul Taylor in seiner Show im französischen Fernsehen. „Anstatt eine neue hochnäsige Airline zu gründen sollte man vielleicht die reparieren, die man schon hat.“

Die Herausforderung für Joon wurde jedenfalls am Dienstag noch einmal größer. IAG, der Mutterkonzern von British Airways, kündigte an, dass Paris das zweite Drehkreuz für seinen neuen Billigflieger Level wird. Die Airline konzentriert sich vor allem auf die Langstrecke und soll von der französischen Hauptstadt aus für 129 Euro nach New York und für 99 Euro nach Montreal, Guadeloupe oder Martinique fliegen. IAG-Chef Willie Walsh nannte Joon dabei „eher ein Hybrid als ein echter Billigflieger” und fügte hinzu. „Mir ist nicht klar, was Air France da macht.“

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