Airlines und das Öl Löst sich der Boom in Luft auf?

Das billige Kerosin hat Airline-Manager und die Aktionäre der Fluggesellschaften in Euphorie versetzt. Doch der Boom könnte schon wieder zu Ende gehen: Der Gegenwind nimmt zu, die Kurse der Airlines fallen bereits.

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Der durch billiges Kerosin angetriebene Höhenflug der Airlines könnte bald zu Ende sein. Quelle: dpa

Frankfurt Es waren deutliche Worte, die Pierre-Francois Riolacci, Finanzchef der französisch-niederländischen Fluggesellschaft Air France-KLM, vor einigen Tagen fand. „Wir sehen einen Markt, der noch mehr unter Druck geraten ist, und wir sind sehr, sehr vorsichtig, besonders was das zweite Quartal betrifft.“ Die guten Zeiten, in denen vor allem niedrige Ölpreise den Airline-Managern ein breites Grinsen ins Gesicht zauberte, könnten schon wieder vorbei sein.

Die etablierten Netzwerk-Airlines jedenfalls rüsten sich für schwierigere Zeiten. Sie nutzen dazu jenes Werkzeug, das am schnellsten einzusetzen ist: eine Reduzierung des eigenen Angebots. Die Lufthansa etwa wollte die Kapazität in diesem Jahr eigentlich um 6,6 Prozent ausbauen, jetzt werden es weniger als sechs Prozent werden. Drei Airbus A340 werden im Sommer an den beiden Drehkreuzen in Frankfurt und München aus dem Programm genommen.

Die IAG, Muttergesellschaft von British Airways und Iberia, will das eigene Angebot statt um 5,2 nun nur noch um 4,9 Prozent steigern. Und Air France-KLM plant für den französischen Teil des Unternehmens sogar ein Minus von 0,5 Prozent bei der Kapazität.

Auch jenseits des großen Teichs, in den USA, dampfen große Fluggesellschaften ihre Wachstumspläne ein. So will Delta die Kapazität im letzten Vierteljahr des versetzten Geschäftsjahres um 2,5 Prozent steigern. In den drei Quartalen zuvor hatte das Plus bei gut vier Prozent gelegen. Damit nicht genug. Delta-Chef Ed Bastian will vier nagelneue Airbus 350-900, die eigentlich im Jahr 2018 in die Flotte kommen sollten, erst 2019 und 2020 abnehmen.

Das Ziel solcher Maßnahmen: Die Durchschnittserlöse sollen damit stabilisiert werden. Sie sinken bei vielen Fluggesellschaften seit mehreren Quartalen – der Preis für den immer härteren Wettbewerb um die Passagiere.

Die wachsenden Sorgen der Airline-Manager spiegeln sich in der jüngsten Umfrage der Weltluftfahrtorganisation IATA unter den Finanzchefs der Mitgliedsunternehmen wider. „Die Erwartungen hinsichtlich künftiger Fortschritte bei der Profitabilität haben über das Jahr deutlich nachgelassen, weil die Durchschnittserlöse unter einen starken Abwärtsdruck geraten sind“, heißt es im April-Bericht der IATA.

Und auch die Investoren werden zunehmend skeptischer. Die Aktie der Lufthansa hat seit Ende April über acht Prozent an Wert verloren. Bei der IAG beträgt das Minus 4,6 Prozent, bei Air France-KLM sind es minus 7,4 Prozent.


2016 wird ein Spätbucherjahr

Die europäische Luftfahrt hat es mit Gegenwind aus gleich mehreren Richtungen zu tun. Zum einen steigt der Ölpreis wieder und damit die Treibstoffrechnung. Seit dem Zwölf-Jahres-Tief im Januar ist der Preis für ein Fass der maßgeblichen Sorte Brent um 70 Prozent auf zuletzt knapp 50 Dollar gestiegen.

Zwar rechnen die Airline-Manager dennoch weiter mit einer Entlastung auf der Kostenseite durch den günstigeren Einkauf von Kerosin. Das können sie, weil erst in diesem Jahr langfristig laufende Absicherungsverträge auslaufen, die Unternehmen jetzt also erst richtig vom „echten“ Ölpreis profitieren. Doch wie hoch oder niedrig die Entlastung am Jahresende sein wird, kann derzeit keiner wirklich sicher sagen. Das gilt erst recht für das Jahr 2017.

Hinzu kommt eine kaum zu planende Nachfrage. Aufseiten der wichtigen Geschäftskunden und Vielflieger belasten Konjunktursorgen etwa in China aber auch Lateinamerika die Nachfrage. Die Privatreisenden wiederum zaudern mit der Ticketbestellung wegen der wachsenden Terrorgefahr. „Nach den Terroranschlägen von Brüssel sagen Reisegruppen aus China, Japan und Nordamerika geplante Europatouren ab“, beschreibt Lufthansa-Chef Carsten Spohr die aktuelle Situation.

Und wenn die Touristen buchen, dann sehr spät. „Der Abstand zwischen Ticketkauf und Flugdatum hat sich bei uns deutlich verkürzt“, erklärte Simone Menne, Finanzchefin der Lufthansa, kürzlich bei der Vorstellung der Quartalszahlen. Das mache es unendlich schwer, die Nachfrage zu kalkulieren. Eine weitere Folge dieses Verhaltens: Es fehlt vorübergehend Geld in der Kasse, weil weniger Tickets weit im Voraus bezahlt werden.

„Das laufende Jahr wird ein Spätbucherjahr, der Trend setzt sich fort“, heißt es bei einer Ferienfluggesellschaft. „Und ob wir diejenigen, die bislang mit dem Kauf eines Fluges zögern, am Ende alle im Laufe des Jahres doch als Kunden begrüßen können, ist zweifelhaft“ Es reiche schon ein warmer Sommer in Deutschland, und so mancher Bürger werde seine Urlaubspläne umwerfen und doch lieber mit dem Auto zu einem nahegelegenen Ziel fahren statt in die Ferne zu fliegen.

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