Dass Aldi überhaupt im Fernsehen wirbt, schien lange völlig unmöglich. Der Discounter hat in Zeitungen in Form von Beilagen und Anzeigen geworben, aber vor allem über die Preise, die die Kunden auch ganz ohne kostspielige TV-Kampagnen lockten. Warum also jetzt der Schwenk?
„Die Konsumenten lesen immer weniger Zeitung, deswegen erreicht Aldi Kunden über gedruckte Anzeigen schlechter“, sagt Daniel Klapper Marketing-Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin. „So bleibt nun die Hoffnung, dass Aldi eine große, kaufstarke Gruppe über das Fernsehen erreicht.“
Doch nicht nur das Zeitungssterben ist Grund für den Strategiewechsel. „Der Wettbewerb auf dem Discountermarkt hat sich deutlich verschärft“, sagt Herbst. Über Jahre hatte Aldi den Markt für sich allein. Mittlerweile ist Lidl mit einem Umsatz von rund 21 Milliarden Euro im Jahr 2015 in Deutschland größer als Aldi Süd (15,6 Milliarden) und Aldi Nord (12,1 Milliarden). Mit Netto, Penny und Norma tummeln sich weitere Konkurrenten in der einstigen Nische Aldis. „Bei dieser Marktkonstellation sind Werbekampagnen ein gutes Mittel, sich von der Konkurrenz abzugrenzen“, so Herbst.
Vor allem die Werbeoffensive von Lidl dürfte Aldi unter Druck gesetzt haben. Lidl begann bereits im vergangenen Jahr Radio- und TV-Spots zu spielen, um das Thema Produktqualität in den Vordergrund zu rücken. Aufwendige und teure TV-Kampagnen waren bis dahin den Supermärkten Edeka und Rewe vorbehalten.
In einem der 30-Sekünder aus dem vergangenen Jahr etwa schmachtet ein kleines Mädchen eine Tafel Schokolade an und aus dem Off ertönt die Frage: „Woran erkennt man eigentlich gute Schokolade?“ Nicht am langen Rühren, sondern am Geschmack, heißt es mit Seitenhieb auf die Schweizer Confiserie-Institution Lindt, in deren Werbefilmen weißbemützte Schokoköche beherzt die Kakaomasse quirlen. Am Ende steht das Lidl-Logo.
Mittlerweile erregt Lidl mit der zweiten großen Kampagne Aufmerksamkeit: „Du hast die Wahl“. Lidl stellt auf Plakaten seine Eigenmarken den Markenartikeln gegenüber: Chips von Pringles für 2,15 Euro oder Crusti Croc Stapelchips für 1,09 Euro? Im TV läuft gerade ein Spot, in dem Orangensaft von Hohes C der Eigenmarke Solevita gegenüber gestellt wird – allerdings ohne den Preis einzublenden.
„Lidls Alleinstellungsmerkmal vor Jahren war es, der Discounter zu sein, der nicht nur Aldi kopiert, sondern auch Marken führt“, sagt Herbst. Derzeit versuche Lidl in den Spots auch die Eigenmarken stärker in den Fokus zu rücken, weil Aldi mit der Listung von Marken nachgezogen hat – von Coca Cola über Funny Frisch bis hin zu Tempo findet sich dort mittlerweile alles. „So versucht sich Lidl wieder abzugrenzen und einen Unterschied zum Hauptkonkurrenten zu schaffen“, so Herbst.