
In einer Aldi-Filiale in Köln-Ehrenfeld verrichtet der Backautomat leise surrend sein Werk. Nach einem Knopfdruck zur Auswahl der Brotsorte säuselt eine metallische Frauenstimme: "Einen Moment bitte". In der zwei Meter hohen ockerfarbenen Maschine rumpelt es, wenig später landet das Brot im Entnahmefach. Zumindest noch.
Denn nach einem Bericht des Fachblatts „Lebensmittelzeitung“ haben die Brotbackautomaten von Aldi Süd ausgedient. Sie sollen in den kommenden Jahren demnach sukzessive gegen offene Backstationen, wie es sie bereits bei der österreichischen Aldi-Süd-Tochter Hofer gibt, ausgetauscht werden. Auch Erzivale Lidl setzt bereits auf die bisweilen als „Brötchenknast“ verspotteten Backsysteme, aus denen sich die Kunden ihre Brötchen und Croissants aus einem gitterhaften Hindernisparcours angeln können.





Aldi Süd wollte den flächendeckenden Austausch der Backsysteme gegenüber der WirtschaftsWoche nicht bestätigen. In einigen Filialen würden aber „testweise bestimmte Angebote ausprobiert. So prüfen wir unter anderem schon seit geraumer Zeit manuelle Backsysteme“, sagte eine Sprecherin. Laut „Lebensmittelzeitung“ sollen bereits rund 70 der deutschlandweit 1.800 Märkte mit der neuen Technik ausgestattet sein.
Schon zur Einführung hatten die Brotbackautomaten für Furore gesorgt, galten sie doch je nach Perspektive als Handelsinnovation oder – aus Sicht des Bäckerhandwerks – als plumper Verbrauchernepp. Kein Wunder: Die Automaten ebneten den Weg für jene offenen Backstationen, die heute in kaum einem Supermarkt oder Discounter-Geschäft fehlen. Die Folge: Immer mehr Kunden sparen sich den Weg zum Bäcker und kaufen Brot und Brötchen direkt im Lebensmittelhandel.
Chronologie: Der Aufstieg von Aldi
Der Bäcker Karl Albrecht startet am 10. April 1913 den Verkauf von Backwaren im heutigen Essener Stadtteil Schonnebeck.
Quelle: dpa
Karl Albrecht und seine Frau Anna eröffnen im Essener Stadtteil Schonnebeck ein „Kaufhaus für Lebensmittel“.
Nachdem Eltern das Geschäft um weitere Filialen erweitert haben, übernehmen die Söhne Karl und Theo Albrecht 1945 den Betrieb.
Die Brüder entwickeln das Geschäftsmodell weiter. Das Stammgeschäft in Essen-Schonnebeck wird zum Selbstbedienungsladen. Die Kette wächst zudem weiter. 1960 hat das Unternehmen mehr als 300 Filialen.
Das Unternehmen hat mehr als 300 Filialen.
Die Brüder teilen das Filialnetz auf. Karl konzentriert sich auf den südlichen Teil (Aldi Süd) und Theo auf den nördlichen, Aldi Nord. Sie arbeiten aber weiter eng zusammen.
Die erste Aldi-Filiale im Discount-Prinzip wird eröffnet.
1967 folgt der erste Schritt ins Ausland. Aldi Süd übernimmt das österreichische Handelsunternehmen Hofer. 1976 startet Aldi Süd in den USA. Wenige Jahre später steigt auch Aldi Nord mit der Übernahme von Trader Joe's in den US-Markt ein.
Einführung der Aktionstage. Aldi Süd führt Kühltheken für den Verkauf von Frischprodukten ein.
Aldi Süd nimmt u.a. Tiefkühlprodukte ins Sortiment auf.
Aldi Süd beginnt mit der Aufstellung von Backstationen.
Aldi-Mitbegründer Theo Albrecht (Aldi Nord) stirbt im Alter von 88 Jahren.
Aldi Nord führt ein neues Laden-Konzept mit Backstationen ein. Beginn der europaweiten Modernisierung des Filialnetzes.
Aldi-Mitbegründer Karl Albrecht stirbt mit 94 Jahren.
Mit ihrem Discount-Prinzip haben die Gebrüder Albrecht den Lebensmittehandel revolutioniert und ihre Unternehmen einen enormen Erfolg beschert. Das Forschungsinstitut EHI schätzt den Nettoumsatz von Aldi Süd im Jahr 2013 auf 13, 8 Milliarden Euro, den von Aldi Nord auf 10 Milliarden. Aldi Süd verfügt allein in Deutschland über rund 1830 Filialen, Aldi Nord über mehr als 2400. Weltweit kommen Aldi Nord und Aldi Süd zusammen auf insgesamt über 10.000 Filialen und rund 66,8 Milliarden Euro Jahresumsatz.
Entsprechend heftig fiel die Bäcker-Schelte an Aldis Automaten aus. So stritten die Anwälte des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks jahrelang mit denen des Billigheimers um die Frage, ob es sich bei der Automatenware um frisch gebackenes Brot oder lediglich um einen erwärmten Teigling handelt.
Der Bäcker-Verband hatte den Handelskonzern vor das Landgericht Duisburg gezerrt und warf Aldi Verbrauchertäuschung vor. In der Klageschrift hieß es, Aldi werbe damit, die Produkte in den Automaten frisch zu backen. Tatsächlich aber würden sie "nur erhitzt und/oder gebräunt". Aldi widersprach und Sachverständige sollten bewerten, ob die Aldi-Maschine mehr ist als ein großformatiger Toaster. Zu einem Urteil kam es indes nie.
Im Oktober 2015 erklärte der Hauptgeschäftsführer des Bäckerverbandes, "wir haben wichtigere Dinge zu tun, als diesen Rechtsstreit, der sich schon sehr lange hinzieht". Aldi Süd teilte damals mit, das Unternehmen könne auch weiterhin mit der Aussage "Ab sofort backen wir den ganzen Tag Brot und Brötchen für Sie" werben.