Alkoholfreie Getränke Bier ohne Wirkung

Weniger Alkohol, mehr Absatz - auf diese Formel lässt sich eine der wenigen Erfolgsgeschichten der deutschen Brauer bringen. Als Ersatzstoff und Getränk für Fahranfänger erfreut sich alkoholfreies Bier immer größerer Beliebtheit. Die meisten Freunde aber findet das Bier, dort, wo man keines vermutet.

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Hopfen ja, Alkohol nein - Um das Aroma von Hopfen zu erhalten, muss Alkohol vorsichtig entzogen werden. (Foto: Stefan Puchner dpa/lby) Quelle: dpa/dpaweb

Der Körper ist geschunden. Die Füße schmerzen, die Salzkrusten auf der Haut prickeln, der Kreislauf ist belastet, der Organismus in Alarmbereitschaft, als ginge es um das nackte Überleben. Dann schmeckt es. Das alkoholfreie Bier. Im Schatten des Berliner Reichtags erfrischt das alkoholfreie Weizen die Sportler, die den Marathon durch die Hauptstadt hinter sich gebracht haben. Die Helfer haben alle Hände voll zu tun, Tausende Läufer mit dem Getränk zu versorgen, dass helfen soll, den Mineralienhaushalt wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

Isotonisch ist das Zauberwort, das nach Fitnessstudio klingt und auf den Flaschen des Sponsors deutlich sichtbar betont wird. In diesem Moment fehlt keinem der Marathonläufer etwas an dem Bier und ganz sicher nicht der Alkohol.

Alkohol ist - wie auch Salz und Fett - ein Geschmacksträger. Fehlt er, fehlen auch Aromen. Ob das Getränk oder das Gericht - ohne die Geschmacksträger wird das Produkt fade. Die Begeisterung für alkoholfreies Bier hält sich in Deutschland deswegen auch noch immer in Grenzen. Noch immer trinken 55 Prozent aller Deutschen über 14 Jahren nie alkoholfreies Bier.

Die erfreuliche Nachricht für die rund 200 Brauereien in Deutschland, die alkoholfreie Biere produzieren ist: Der Markt wächst. Schon 2012 waren es fünf Prozent am gesamten Biermarkt, seitdem steigt der Konsum konstant.

Die besten alkoholfreien Biere
Alkoholfreies Bier ist besonders bei Sportlern beliebt. Denn: Sie wirken isotonisch, führen dem Körper nach dem Sport Mineralien wieder zu, so wie Fitnessdrinks. Und sie haben deutlich weniger Kalorien. Aber Alkohol ist auch Geschmacksträger. Fehlt er, ist die Kunst des Braumeisters gefragt. Gerhard Retter, schwenkt, riecht und trinkt danach die alkoholfreien Biere. Die Punkte orientieren sich am 20er-System aus der Weinbewertung. 20 Punkte ist für diesen Test das Ideal eines Bieres. Die zwei Siegerbiere konnten 17/20 erreichen. Quelle: Thorsten Firlus
Pils 16/20König Pilsener Das König Pilsener hat eine schöne Charakteristik, die Bitterkeit ist die Kopfnote, es ist aber ein wenig strukturlos am Gaumen. Die ganz klassische Pilsaromatik ist nicht sofort erkennbar. Quelle: Thorsten Firlus
Pils 15/20Altdorfer Pils Hefig, feine Malznoten, die gut dosiert sind. Und obwohl es klar als Pils da steht, ist die Bitternote gut eingebunden. Der Abgang ist homogen und stimmig, was die Nase riecht, kommt auch am Gaumen an.. Je länger es im Glas bleibt, desto deutlicher werden die Noten wie Schrot oder Brotkasten. Quelle: Thorsten Firlus
Pils 15/20Clausthaler Extra Herb Das sagt schon die Nase: Es IST herb! Und am Gaumen schmeckt es anders als es riecht. Ein Kontrastbier, das muss man mögen! Auf dem Gaumen hat es Aromen von Bergamotte fast wie ein Earl Grey Teel. Ein eigenständiger Charakter. Wenn es ein Instrument wäre: Die Orgel. Und alle Register an. Quelle: Thorsten Firlus
Pils 17/20Jever Fun Ganz fein, ganz zart in der Nase! Sehr elegant, geschliffen. Ein schönes Bier. Und ich sage mal: BIER! Es wirkt ungekünstelt und hat, was ein Bier braucht und ist nicht sofort als alkoholfreies zu identifizieren. Später wird es fruchtiger und  entwickelt  Noten von Schokogeleebananen. Quelle: Thorsten Firlus
Pils 17/20Störtebeker Frei Das beste Bier. Trotz Punktegleichheit mit Jever Fun. Es ist sehr charaktervoll, hat eine schöne Länge, bleibt frisch und animierend. Da kann man reinschmecken und hat was auf der Zunge. Quelle: Thorsten Firlus
Hefe 15/20Erdinger alkoholfrei Bekömmlich, unkompliziert, süffig. Limo mit Schaum. Das "läuft" gut. Belebend, frisch, animierend. Quelle: Thorsten Firlus

Die Bandbreite reicht heute vom Pils über Altbier, Kölsch bis zu Weizen. Um die Kunden recken sich kleine Brauereien wie die Kölner Reissdorf bis zu den Großen der Branchen von Jever über Holsten bis Beck's. Ein Teil der Kundschaft möchte seine Fahrtüchtigkeit nicht aufs Spiel setzen, einem anderen geht es ums Körpergewicht. Alkohol ist kalorienhaltig, ein Produkt wie Bitburgers 0,0 hat 145 Kalorien pro Halbliterflasche, das normale Pils 205.

,,So viel Alkohol steckt in ... "

Dabei bleibt dem Freund einer bestimmten Marke fast immer nur die Erkenntnis: Das Bier mit weniger Volumenprozent schmeckt nicht so, wie sein alkoholisiertes Geschwister. "Der alkoholfreie Klon kann nicht funktionieren", sagt Karsten Triebe von der Rostocker Brauerei Stoertebeker, die sich als Spezialitätenbrauerei versteht und ihr Produkt Frei-Bier nennt. "Wir haben von Beginn an versucht, ein alkoholfreies Bier zu entwickeln, das kein Vorbild hat, sondern einen ganz eigenen Charakter." So entstand eine eigene Rezeptur samt eigener Gär- und Temperaturführung.

Alkoholfreies Bier enthält Alkohol

Das Problem an dem Geschmack ist, dass die Aromen in dem Moment mit verloren gehen, in dem der Alkohol entzogen wird oder gar nicht erst entstehen, weil die Gärung gestoppt wird. Die Beendigung der Gärung des Bieres ist einer der einfachsten Wege, den Braumeister beschreiten können. Ein anderer ist, dem vergorenen Sud durch eine thermische Behandlung den Alkohol zu entziehen - allerdings verflüchtigen sich ein guter Teil der Aromastoffe gleich mit.

Bei Stoertebeker wird dem Ausgangsprodukt fürs Frei-Bier - eine kräftiges Pilsner - mit einem Vakuumverdampfer der Alkohol entzogen. Nicht jedoch einfach der gesamten Menge. Stattdessen werden einzelne Anteile vollständig entalkoholisiert, andere behalten ihn. Am Ende werden die verschiedenen Chargen wieder zusammengeführt, damit der Alkoholgehalt niedrig, das Aroma aber möglichst erhalten bleibt.

Die Hamburger Kreativbrauerei Kehrwieder hat ein weiteres Verfahren für sein üNN - über Normal Null angewendet. Die verwendete Hefe kann Malzzucker nicht vergären, somit liegt der Alkoholgehalt nur bei 0,4 Prozent.

Mit 0,0 Prozent Alkohol werben nur die wenigsten Brauereien. Denn in den meisten alkoholfreien Bieren, sind dennoch bis zu 0,5 Prozent des Gifts enthalten - so wie bei Fruchtsäften.

Die vier Phasen des Alkohol-Rauschs

Der Deutsche Brauerbund warnt deswegen auch, dass diese Biere nicht für Alkoholkranke Menschen geeignet seien. Wohl aber sei es trotz des geringen Gehalts an Alkohol bedenkenlos, auch große Mengen davon zu trinken, sagt der Brauerbund und beruft sich dabei auf Studien, die unter anderem auch für Fahranfänger, für die die 0,0-Promille-Grenze gilt, den Konsum als unbedenklich einstuft.

Für einige Brauereien ist das alkoholfreie Bier jedoch nicht länger nur das Geschäft, das man mitmachen muss, um die treuen Fans der Marke auch zu bedienen, wenn sie mal vollständig nüchtern bleiben wollen. Die Erdinger Brauerei hat rund um den Freizeitsport eine eigene Welt aufgezogen. Wo immer ein Hobbysportler bei einem großen Amateurwettbewerb radelt oder rennt - mit Sicherheit ist Erdinger schon im Ziel. Neben der Versorgung im Zielbereich, zählt auch ein eigenes Sportteam dazu. Dort können Mitglieder an Seminaren teilnehmen oder noch Startplätze für begehrte Veranstaltungen erhalten. Trikots und Kappen mit dem Logo gehören selbstverständlich auch dazu - und die Mitglieder zahlen dafür.

Dabei sind die alkoholfreien Biere, die auf die Brautradition und den gewohnten Geschmack pochen, genauso geeignet für die Versorgung von belasteten Leibern wie die, die im Marketing auf eine bewegte Kundschaft setzen.

Trotz der Erfolge sind noch immer viele Menschen enttäuscht, wenn es darum geht, das normale Pils gegen eines ohne Volumenprozent einzutauschen. In verschiedenen Geschmackstests zeigt sich immer wieder, dass die Beurteilung der einzelnen Marken stark schwankt. Was der eine als erfrischend süffig empfindet, hält der nächste für laff und ordert lieber Wasser.

Die Mitarbeiter der Brauerei Stoertebeker schätzen ihr Frei-Bier, das alle paar Wochen nachproduziert wird. An den Tagen aber, an denen dem Bier der Alkohol entzogen wird, lassen sich viele Mitarbeiter kurz zuvor noch von dem noch unbehandelten Bier etwas abzapfen. "Das Ausgangsbier verkaufen wir zwar nicht, es gilt unter unseren Mitarbeitern aber als Geheimtipp", sagt Friebe.

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