Alles wird teurer – nur Kaffee nicht Um Kaffee tobt ein Preiskampf im Handel

Quelle: imago images

Erst sank der Preis für Kaffee am Weltmarkt, dann auch im Supermarktregal. Aldi oder Kaufland wetteifern um den günstigsten Kaffee. Markenkonzerne wie Melitta, Jacobs oder Tchibo bringt das in die Bredouille.

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Wenn Katharina Roehrig ihren ersten Kaffee am Tag trinkt, dann ist der stark und kräftig. Roehrig brüht ihn gerne mit der French Press auf, erzählt sie, auch wenn man das in ihrem Büro nicht gerne hört – denn Roehrig ist Geschäftsführerin bei Melitta. Das Unternehmen aus Minden in Nordrhein-Westfalen gehört nicht nur zu den beliebtesten Kaffeemarken in Deutschland, sondern verkauft zum Beispiel auch Kaffeefilter.

Aktuell aber dürfte Melitta größere Probleme haben als die Frage, ob die eigenen Beschäftigten die Melitta-Filter nutzen oder nicht. Denn um Kaffeepulver tobt ein Preiskampf im Handel. Kaufland verkündete Anfang Februar, den Preis für seinen Kaffee um 50 Cent pro halbes Kilo zu senken. Wenig später legte Aldi nach: Der Discounter senkte den Preis für seine Eigenmarken gleich um einen Euro – und reduzierte auch den Preis von anderen Kaffeemarken. Schon ab 3,49 Euro ist ein Pfund Kaffee nun bei Aldi zu bekommen, berichtete die „Lebensmittel Zeitung“. Vorher lag der Preis bei 3,99 Euro.

Damit gehört Kaffee zu den wenigen Produkten, die in den vergangenen Monaten nicht teurer geworden sind, sondern billiger. Die Supermärkte und Discounter wollen so ihre Kunden überzeugen, dass sie gegen die Inflation ankämpfen. Doch für die Kaffeemarken wie Melitta kann das zum Risiko werden. Denn die Kosten sinken keineswegs so stark wie die Preise. Zwar machen ihr die „Kampfpreise aus dem Discountbereich“ noch keine Sorgen, sagt Roehrig im WirtschaftsWoche-Podcast Chefgespräch. Doch die niedrigen Preise hindern die Kaffeebranche, sich nachhaltiger aufzustellen, warnt sie.

Melittas Co-Geschäftsführerin Katharina Roehrig über die Herausforderungen des Kulturwandels in Traditionsunternehmen, wie unüblich es auf Führungsebene ist, um Hilfe zu bitten – und natürlich über Kaffeekonsum.
von Varinia Bernau

Kaffee gehört für die meisten Deutschen zum Tag dazu. Im Durchschnitt trinkt jeder Deutsche im Jahr 169 Liter des koffeinhaltigen Getränks – das sind drei Tassen am Tag. Kaffee ist damit beliebter als Bier – und im Gegensatz zum Bierkonsum steigt der Kaffeekonsum auch. Allein 2021 tranken die Deutschen 500 Millionen Tassen mehr als im Jahr zuvor.

Kaffee zählt damit für die Deutschen zu den sogenannten „Eckprodukten“ wie auch Butter oder Milch. Viele Konsumenten haben die Preise für diese Produkte im Kopf. Wenn der Kaffee teurer wird, hinterlässt das bei den Konsumenten das Gefühl, die Inflation steige besonders stark. Wenn der Kaffeepreis sinkt, dann kommen ihnen alle ihre Einkäufe günstiger vor. Diesen Effekt versuchen Discounter und Supermärkte nun für sich zu nutzen. Kaufland und Aldi etwa haben auch die Preise für Butter in den vergangenen Wochen gesenkt.

Die Händler schrauben dabei nicht nur an den Preisen ihrer Eigenmarken. „Auch Markenkaffee wird günstiger“, heißt es etwa bei Edeka. Doch wie sich die Kampfpreise genau auf das Geschäft auswirken, dazu wollen sich Markenhersteller wie Melitta nicht im Detail äußern. Auch der Konkurrent Tchibo teilt mit, dass man sich „zur Kaffeepreisentwicklung traditionell nicht äußern“ will. Auch Dallmayr sagt auf Nachfrage nichts.

Doch Daten der Preisberatung Smhaggle zeigen, dass die Produkte der Markenhersteller bereits im Preis sinken. So kostete ein Kilogramm „Dallmayr Kaffee Crema d‘Oro“ im Februar meist 16,99 Euro. Ein Jahr zuvor kostete das gleiche Paket noch 17,99 Euro – und damit einen Euro mehr. Der „Jacobs Barista Editions Kaffee“ sank um zwei Euro auf 14,99 Euro. Das ist eine Preisreduktion von fast zwölf Prozent. Der Kaffee von Melitta ist ebenfalls günstiger als noch ein Jahr zuvor. Kosteten 500 Gramm im Februar 2022 noch 6,49 Euro, sind es nun nur noch 5,99 Euro.

Die niedrigeren Preise können zur Herausforderung für die Markenhersteller werden. Denn mit sinkenden Kosten lässt sich die Preisreduzierung nur zum Teil begründen. In den beiden vergangenen Jahren etwa fielen Ernten in wichtigen Anbaugebieten wie Brasilien schlecht aus, die Lagerbestände leerten sich. Der Preis für Kaffee am Weltmarkt stieg deshalb auf über 2,40 Euro je Pfund an. Dieses Jahr konnten die Kaffeebauern wieder mehr ernten, der Preis sank zum Jahreswechsel auf rund 1,50 Euro je Pfund. Doch seitdem bewegt sich die Kurve wieder nach oben und ist mittlerweile bei 1,80 Euro je Pfund angekommen.

Viele Kaffeeröstereien und Markenhersteller können ohnehin nicht direkt von den niedrigeren Weltmarktpreisen profitieren. Sie haben langfristige Lieferverträge und kaufen zum Beispiel nur alle halbe Jahre Kaffeebohnen bei ihren Lieferanten ein. Wer zum falschen Zeitpunkt gekauft hat, hat deutlich höhere Kosten. Und die Kosten für das Pfund Kaffee im Regal hängen nicht allein an den Kaffeebohnen.

Beim Kauf zahlen die Konsumenten auch Kosten für die Verpackung, für den Transport, auch der Handel und der Staat wollen ihren Anteil haben. In Deutschland spült die Kaffeesteuer jedes Jahr eine halbe Milliarde Euro in die Kasse. Bei den Herstellern sind viele dieser Kosten gestiegen.

Zuletzt hatte es Melitta anscheinend schwer, diese höheren Kosten durchzusetzen. In den Regalen von Edeka etwa fehlten die Kaffeefilter der Marke. „Leider ist es uns trotz harter Verhandlungen bislang nicht gelungen, eine umfassende Einigung mit diesem Lieferanten zu erzielen“, ist auf einem Ausdruck von Edeka zu lesen, der durchs Internet ging. Die Preise für Papier und Fasern waren stark gestiegen – und damit auch die Kosten für Kaffeefilter.

Melitta will sich dazu nicht äußern. Aber die steigenden Kosten seien ein Problem, gibt Roehrig zu. „Was wir an Rohstoffpreisen, an Energiepreisen hatten, an Logistikkosten“, sagt sie, „da ist man als Unternehmen schon sehr klar gefordert.“ Es gehe schließlich darum, die Lieferkette für Kaffee rentabel zu gestalten.

Das gilt auch, wenn Kaffeemarken wie Melitta ihre Nachhaltigkeitsziele erreichen wollen. Vor allem bei den Arbeitsbedingungen von Kaffeefarmern hat die Branche noch immer Nachholbedarf. Der Großteil der Kaffeebohnen wird auf kleinen Plantagen angebaut, viele Bauern müssen mit einem Ertrag von weniger als zwei Dollar am Tag auskommen. Melitta hat deshalb versprochen, dass das Unternehmen bis 2030 nur noch Kaffee verkaufen will, „von dem alle Beteiligten vor Ort dauerhaft gut leben können“ und der auch die Umwelt schone. Melitta hat sich dazu mit anderen Markenherstellern in der Global Coffee Platform zusammengeschlossen, um die Arbeitsbedingungen branchenweit zu verbessern.

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Doch das ist schwierig, solange die Kaffeepreise weiter sinken. „Wenn wir wirklich ein Interesse haben, dass Menschen am Beginn der Kaffee-Lieferkette davon leben können, dann finde ich, sollte man sich überlegen, wie muss man diese Kette gestalten, damit alle am Ende des Tages davon etwas sinnvolles haben“, sagt Roehrig.

Im Zweifelsfall heißt das: Auch wenn die Preise jetzt sinken – dauerhaft müssen die Verbraucher vielleicht mehr für ihren Kaffee zahlen.

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