Alnatura und dm Die Anatomie einer Bio-Krise

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Der Rausschmiss aus den dm-Regalen

Der wirtschaftliche Triumph markierte auch einen Wendepunkt. Ein Streit begann, der die gesamte Bio-Branche seither in Atem hält und nicht nur Konsequenzen für Alnatura und dm hat, sondern auch auf Lieferanten und Bio-Bauern ausstrahlt.

Wann genau der Konflikt begann und woran er sich entzündete, wissen wohl nur Rehn und Werner. Klar ist, dass die ersten Erschütterungen bis ins Jahr 2012 zurückreichen und sich nach und nach hochschaukelten.

Damals verhandelten Alnatura und dm über die Fortsetzung ihres Vertriebsvertrags. Die dm-Manager forderten von Alnatura günstigere Konditionen und die Offenlegung von Einkaufspreisen und Lieferantenbeziehungen. Rehn lehnte ab, worauf dm Rechnungen über rund zwei Millionen Euro nicht bezahlte. Es folgten erste Briefwechsel über die   die Rechte an der Marke Alnatura, schließlich legte Rehn im Mai 2014 seinen Posten als dm-Aufsichtsrat nieder.

Ein paar Monate später, am 10. November 2014, landete dann die Nachricht in seinem E-Mail-Postfach, dass dm einige Alnatura-Produkte zugunsten einer neuen Bio-Eigenmarke auslisten wolle. Erich Harsch, der operative Chef der Drogeriekette, erklärte wenig später im Interview mit der WirtschaftsWoche, er wolle das „Biosegment neu aufstellen“.

Die Kooperation mit Alnatura sei zwar erfolgreich, aber es gebe „inzwischen so viele interessante Biomarken auf dem deutschen Markt“, dass eine „Veränderung überfällig“ sei. „Dabei ist eine Monomarken-Strategie, die in der Pionier- und Aufbauphase richtig war, nicht mehr das passende Instrument“, so Harsch.

Für die Alnatura-Chefetage in Bickenbach muss das wie eine Kriegserklärung geklungen haben. Doch auch dort setzte man in der Folge eher auf Powerplay denn auf Diplomatie.

So tauchten Anfang 2015 im Shop des Online-Händlers windeln.de plötzlich Alnatura-Produkte auf – offenbar ohne Absprache zwischen Rehn, Werner und Gutberlet. Bis dahin hatten sich die Partner beim Vertrieb von Waren zumindest informell abgestimmt, um sich nicht gegenseitig ins Gehege zu kommen. Der Konflikt nahm an Schärfe zu und eskalierte schließlich in einer Klage.

Die größten Lebensmittelhändler Deutschlands

Dm-Gründer Werner und Tegut-Patron Gutberlet machten Rehn vor dem Landgericht Frankfurt die Alnatura-Markenrechte streitig und forderten mehr Mitsprache beim Vertrieb. Schließlich, so argumentierten die Kläger, gäbe es ohne ihre Aufbauleistung das Bio-Label nicht. Zudem seien in der Gründungsphase von Alnatura verbindliche Absprachen über die Markenrechte getroffen worden, die von Rehn später unterlaufen wurden, kritisierten die Kläger.

Rehns Anwälte bezeichneten die Klage dagegen als Teil massiver wettbewerblicher Auseinandersetzungen um Kunden und Lieferanten.

Tatsächlich ist bei dm inzwischen ein wahrer Alnatura-Exodus zu beobachten. Von April 2015 bis März 2016 wurden rund 340 von insgesamt 629 Alnatura-Produkten ausgelistet. Um die drohenden Umsatzeinbußen abzufangen, setzt Rehn seit einigen Wochen auf Edeka als neuen Partner. „Alnatura ist mittlerweile in mehr als 3000 Edeka-Läden vertreten“, sagte Rehn Ende Januar der WirtschaftsWoche. „Aber das reicht noch nicht, um die Umsatzeinbußen zu kompensieren.“

Zusätzlich will er weitere Märkte eröffnen. Neben der neuen Filiale in Berlin sind allein 2016 rund 13 weitere Märkte geplant. „Langfristig ist ein Vielfaches möglich, da zeichnen sich noch keine Grenzen ab“, so Rehn.

Im Streit mit dm haben sich die Parteien zwar jüngst - auf Vermittlung eines Trägers des Alternativen Nobelpreises - etwas angenähert. Gelöst ist der Konflikt aber noch nicht. Mögliche Vergleiche und Einigungen verliefen in den vergangenen Wochen offenbar im Sande.

Selbst wenn es irgendwann zu einer Einigung kommt, dürfte diese nur den Status quo zementieren. So wird weder dm auf seine Bio-Eigenmarke verzichten, noch wird Alnatura die Kooperation mit Edeka beenden. Die enge Markenfreundschaft der beiden Händler ist endgültig passé.

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