Alternativen zur Diesel-Lok Die Wasserstoff-Revolution in der Provinz

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Der Staat muss bei Entwicklungskosten nachhelfen

Das Problem ist allerdings: Ob sich alternative Antriebe wirklich rechnen, ist fraglich. Denn: „Die typischen Stückzahlen bei der Beschaffung von Fahrzeugen für den Schienenpersonennahverkehr für nicht elektrifizierte Strecken rechtfertigen nicht die Entwicklungskosten solcher Antriebe“, urteilten Experten der Beratungsfirma KCW. Anders formuliert: Alternativen zu Dieseltriebwagen oder Oberleitungsloks sind teuer.

So überrascht es nicht, dass der Staat mit Steuermitteln kräftig beim Technologiewechsel nachhilft. Der Bund finanziert den iLint mit 8,4 Millionen Euro. Das Land Niedersachsen fördert die Anschaffung von insgesamt 14 Zügen mit 81,3 Millionen Euro. Bombardier bekommt vier Millionen Euro aus Berlin für seinen Batteriezug, für den es mit der Südwestdeutschen Verkehrs-AG einen Entwicklungspartner, aber noch keinen Großkunden gibt.

Von Siemens ist bisher nicht mehr bekannt, als dass die Münchener ihr Standard-Triebzugmodell Mireo von der kanadischen Ballard Power mit einem Brennstoffzellenantrieb ausrüsten lassen. Ballard, ein früherer Partner des Daimler-Konzerns bei dieser Technologie, hat dazu beim Vertragsabschluss Mitte November nur bekannt gegeben, etwa neun Millionen US-Dollar in das Projekt zu investieren. Der erste Zug soll 2021 vorgestellt werden. Dann dürfte Bremervörde bereits das Mekka der Wasserstoff-Eisenbahnen sein.

Siemens ist nach eigenem Bekunden fest entschlossen, die Entwicklung mit Ballard voranzutreiben – obwohl die Fusion der Verkehrstechnik mit Alstom bevorsteht. Doch bis der im Sommer 2017 verabredete Zusammenschluss perfekt ist, „sind wir Konkurrenten“, heißt es trotzig bei Siemens.

Bombardier bastelt an einer anderen Technologie. Die Kanadier wollen Batterien für Triebwagen so leistungsfähig machen, dass sie Strecken ohne Oberleitung bis zu 40 Kilometer überbrücken können. Denn nach Angaben des Unternehmens sind 90 Prozent aller nicht-elektrifizierten Strecken in Deutschland kürzer als 70 Kilometer und noch gut die Hälfte keine 40 Kilometer lang. Bombardier will seinen elektrisch betriebenen Talent so umrüsten, dass sich die Batterien unter Oberleitungen oder an Ladestationen schnell wieder aufladen lassen.

So unterschiedlich Technologie und Entwicklungsstand auch sein mögen, gemeinsam haben Alstom, Bombardier und Siemens das Konzept: Es werden Standardfahrzeuge umgerüstet. Das soll Zeit bei den aufwändigen Zulassungsverfahren und vor allem auch Geld sparen.

Versuche, Alternativen zum Dieseltriebwagen zu entwickeln, sind nicht neu: Schon die Preußische Staatsbahn beschaffte ab 1907 batteriebetriebene Fahrzeuge in Serie. Mehr als 80 Triebwagen der sogenannten Bauart Wittfeld liefen sogar bis zu den 60er-Jahren der vorigen Jahrhunderts. Und die frühere Bundesbahn orderte ab Mitte der 50er-Jahre 232 Elektrotriebwagen der Baureihe 150, die bis knapp vor der Jahrtausendwende in Dienst standen.

Doch alle Typen hatten einen entscheidenden Haken. Die Batterien wogen bis zu 25 Tonnen und die Reichweite lag bei allenfalls 300 Kilometern. Alstoms iLint soll es auf bis zu 800 Kilometer schaffen. Und leichter soll er auch sein.

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