




Nutzer „Ralf“ berichtete in einem Blog-Posting nur Positives über den Rechtsschutzversicherer ARAG. „Die ARAG ist die beste Rechtsschutzversicherung, die es gibt. Einmal angefragt, schon kam die Deckungszusage, mein Anwalt als auch ich sind begeistert.“ Dem Blogbetreiber kam das etwas übertrieben vor; die IP-Recherche ergab schnell, dass die Lobeshymne vom Rechner eines ARAG-Mitarbeiters gesendet worden war. Das Landgericht Hamburg urteilte auf Online-Schleichwerbung.
Gefälschte Bewertungen sind zu einem Massenphänomen im Netz geworden. Amazon verklagte 1114 Nutzer, die über Fiverr positive Kommentare zu Amazon-Artikeln verfassten – gegen Bezahlung. Auf Fiverr, einer Plattform zum Anbieten von Dienstleistungen, boten die Fälscher für fünf Dollar ihre Fake-Reviews an. Man nennt das „Opinion spamming“: Schreibe einen falschen Kommentar und führe Verbraucher damit in die Irre.
Leere Pakete an Fake-Kunden
Bei Amazon wurden schon in der Vergangenheit Fake-Reviews öffentlich. Im April 2015 verklagte der Versandkonzern mehrere Unternehmen, die im Netz gefälschte Amazon-Bewertungen anboten. In manchen Fällen schickten Händler leere Pakete an eingeweihte Kunden, die dann eine positive Bewertung verfassen sollten. So gaukelten die Händler Amazon vor, es habe ein tatsächlicher Kauf stattgefunden.
Tipps für Verbraucher zu Kundenbewertungen
Klingt der Beitrag allzu sehr nach der blank polierter Marketingsprache aus Hochglanzprospekten, ist dies ein guter Hinweis auf eine Unternehmensveröffentlichung. Der Wahrheitsgehalt ist dann nicht höher als der von Werbung einzuschätzen.
Tauchen auf unterschiedlichen Portalen identische oder auch nur sehr ähnliche Beiträge auf, spricht das eher für einen professionellen Schreiber mit eigenen Interessen als nach einem unbedarften Verbraucher, der einfach nur andere an seinen Erfahrungen teilhaben lassen will.
Gerade im Elektronikbereich, in dem viele Produkte länger vor Verkaufsstart angekündigt werden, tauchen immer wieder Bewertungen auf, obwohl das Produkt noch nicht erhältlich ist. Das ist sehr unglaubwürdig.
Selbstverständlich kann ein Verbraucher Produkte und Dienstleistungen kaum mit der Kompetenz von spezialisierten Testinstituten oder -zeitschriften auf Herz und Nieren prüfen. Verlassen Sie sich deshalb nicht nur auf Kundenbewertungen, sondern ziehen Sie auch professionelle kritische Produktbeschreibungen zurate.
Hilfreich können Kundenbewertungen für eine Kaufentscheidung sein, wenn Sie wissen, was Sie wollen. Sie müssen entscheiden, wie wichtig ein kritisierter Aspekt, eine fehlende Funktion an einem Produkt für Sie ist.
Reine Bewertungsportale haben scheinbar einen Vorteil. Hier profitiert der Betreiber nicht von einer positiven Bewertung, hat also kein spezielles Interesse an guten Noten. Aber er weiß auch nicht, ob der Schreiber einer Rezension das Produkt überhaupt gekauft hat. Das ist in Online-Shops anders. Gute Shops ermöglichen nur den Käufern eines Produkts dessen Bewertung. Das schützt vor frei erfundenen Veröffentlichungen.
Für Unternehmen lohnen sich die Fälschungen, weil die Kunden Bewertungsportalen vertrauen. Laut einer Studie der FH Worms halten 96 Prozent aller Verbraucher Hotel-Bewertungsportale für wichtig bis unerlässlich. Die Hälfte mahnte zwar auch zur Vorsicht, trotzdem nutzten neun von zehn Befragten die Portale als Entscheidungshilfe. Das Vertrauen in Bewertungsplattformen wie Tripadvisor oder Holidaycheck war ebenfalls hoch. Rund die Hälfte der Befragten vertraute Hotel-Bewertungsportalen, danach folgten Hotel-Webseiten (28,3 Prozent) und die Empfehlung von Freunden und Bekannten (19,9).
Folgende Anzeichen deuten auf eine Fälschung hin:
1. Der Name des Artikels wird ständig wiederholt. Fälscher tun das, damit ein Produkt in der Suchmaschinen-Reihenfolge weiter oben steht. Suchmaschinen messen eine Webseite nicht nur nach Links, die auf sie verweisen. Auch die Zahl der Erwähnungen eines Produkts oder Begriffs spielt eine Rolle.
2. Der Nutzer verfasst nur Bewertungen für ein Produkt oder eine Firma.
3. Der Nutzer verfasst in kurzer Zeit sehr viele Bewertungen.
4. Die Bewertung ist bereits vor Erscheinen eines Produktes verfasst worden.
5. Die Bewertung ist unspezifisch und allgemein gehalten. Fälscher können nicht in Details gehen, weil sie das angepriesene Buch oder das tolle Hotel nicht persönlich kennen. Ihre Informationen beziehen sie nur aus leicht zugänglichen Quellen wie dem Internet.
6. Ein Artikel hat nur 5-Sterne Bewertungen.
7. Der Schreiber benutzt Marketing-Sprache. Es gibt keine Argumente, warum ein Produkt so toll ist. Außerdem steht im Kommentar überdurchschnittlich oft ein Superlativ.
Tipps für Unternehmen zu Kundenbewertungen
Das Internet ist ein schnelles Medium. Shitstorms bei Twitter oder Facebook haben schon vielfach gezeigt, in welch kurzer Zeit ein nicht vorhersehbarer Sturm der Entrüstung entstehen kann. Unternehmen, die Kundenbewertungen zulassen und ernst nehmen, sollten unbedingt schnell auf Negativkritik reagieren. Nur dann haben sie eine Chance, die Kritik zu kanalisieren.
Verärgerte Kunden können allzu leicht auf die Palme getrieben werden. Emotional geladen sind sie bereits, weil sie sich über ein aus ihrer Sicht schlechte Produkt ärgern. Diesen Ärger können Unternehmen nur kleiner machen, wenn sie ihm sachlich entgegentreten – auch wenn sich ihre Mitarbeiter noch so sehr über eine möglicherweise ungerechtfertigte Kritik selbst ärgern.
Mancher Kunden beschäftigt sich außerordentlich intensiv mit einem Produkt und bringt seine Kritik vielschichtig und fundiert in die Öffentlichkeit. Statt eine lange öffentliche Diskussion mit ihm zu führen, kann es sinnvoller sein, ihn zu einem Gespräch einzuladen.
Weniger die direkte Kommunikation als vielmehr die Beobachtung, was über ein Unternehmen veröffentlicht wird, sollte zur täglichen Routine gehören. Dabei können automatisierte Benachrichtigungen, wie sie Google Alerts bieten, hilfreich sein. Sie erfassen aber nicht alle Veröffentlichungsmöglichkeiten für Kundenbewertungen.
In der Vergangenheit wurden einige Fälle bekannt, in denen große Unternehmen Bewertungen fälschten. Die taiwanesische Wettbewerbsbehörde beschuldigte 2013 Samsung, Studenten für kritische Kommentare über den Konkurrenten HTC bezahlt zu haben. Samsung gab sich damals reumütig und schrieb auf seiner Facebook-Seite, man wolle „alle Marketing-Aktivitäten einstellen, die das veröffentlichen von anonymen Kommentaren beinhalten.“
In der vergangenen Woche wurden Fälschungen um Bell Canada bekannt. Der kanadische Telekommunikationskonzern beauftragte seine Mitarbeiter, in den App-Stores von Google und Apple Lobeskommentare zu eigenen Apps zu veröffentlichen. Die kanadische Wettbewerbsbehörde verhängte ein Bußgeld von 1,25 Millionen Kanadischen Dollar (rund 850.000 Euro).
Logisch, dass Unternehmen ihre Bewertungen aufbessern wollen. Und das geschieht in einem erstaunlichen Ausmaß. Bing Liu von der Universität Illinois kann bei etwa 15 Prozent der Bewertungen beweisen, dass sie gefälscht sind. Der tatsächliche Anteil dürfte jedoch bei 30 Prozent liegen, da seine Algorithmen nur die Hälfte aller Fälschungen erkennen. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Studie von Forschern der Harvard Business School und der Universität Boston. Dort schätzt man für das Portal Yelp den Anteil gefakter Bewertungen auf 20 Prozent.