Einkaufen ist heute einfach wie nie. Wer den neuen Roman von Karl Ove Knausgård will, dazu eine Fritteuse und einige frische Lebensmittel ordert all das im Netz beim Händler seines Vertrauens, statt verschiedene Läden in der Innenstadt abzuklappern.
Der Konsument ist verwöhnt. Alles, was wir wollen, ist nur ein paar Klicks entfernt und wird frei Haus geliefert. Je nach Wohnort und Händler kommt die Ware noch am selben Tag an, ansonsten am nächsten, allerspätestens am übernächsten.
Zu verdanken ist das Onlinehändlern – allen voran Amazon. Der US-Konzern, dessen Logik lautet, immer mehr, immer schneller, immer günstiger zu liefern, treibt seit zwei Dekaden die Handelswelt vor sich her. Eine Trendwende ist nicht in Sicht, denn vor allem die jungen Konsumenten haben sich vollkommen auf diese Welt eingelassen.
„Die digitale Einkaufswelt hat unser Belohnungserwartungssystem versaut, vor allem bei den jungen Menschen“, sagt Georg Häusel, Psychologe und Experte für Neuromarketing. „Durch die Möglichkeiten hat sich unser im Hirn daran gewöhnt, dass es immer schneller bekommt, was es sich wünscht.“ Wenige Klicks und die Waren sind bestellt. Doch auch das ist noch zu aufwendig: „Alles, was kompliziert ist, aktiviert das Schmerzzentrum und was leicht funktioniert, aktiviert unser Belohnungszentrum und hebt die Laune“, so Häusel. Und wer gut gelaunt ist, hat laut Studien eine um bis zu 15 Prozent höhere Kaufbereitschaft.
Also heißt die Maxime für Amazon und Co: Mache es dem Käufer so einfach wie möglich. Doch wie soll man das bewerkstelligen in einer Zeit, in der ein Bedürfnis ohnehin binnen Sekunden zum Kauf wird?
Bestellen per Sprachsteuerung
Verfügbar ist die Sprachassistentin in Gegensatz zu denen der Konkurrenz aktuell nur in den USA, was der Tatsache geschuldet ist, dass Alexa lediglich Englisch spricht. Im Fire TV sucht sie für den Nutzer nach Serien. In „Amazon Echo“, einem bildschirmlosen Computer, der per Sprache angesteuert wird und aussieht, wie eine Hightech-Tennisballdose, kommt sie als Einkaufshilfe zum Einsatz, kann Bankkonten abrufen, Musik abspielen, ein Taxi bestellen.
„Echo verkürzt den Weg vom Gedanken eines Bedarfs bis hin zum Kauf drastisch “, sagt Marc Aufzug, Geschäftsführer von Factor-A, einem Unternehmen das Produzenten bei ihren Aktivitäten auf Amazon berät.
Einkaufen per Spracherkennung – was anmutet wie der Kommunikator aus der Science-Fiction-Reihe „Star Trek“ ist mittlerweile Realität. Die Sprachassistenten funktionieren zwar bei Weitem noch nicht perfekt, aber lernen schnell.
Das sind Amazons nächste Projekte
Unter Amazon Dash versteht der Internetkonzern eine Art Einkaufsliste auf Knopfdruck. Die kleinen Aufkleber mit Taste können die Kunden einfach im Haus an das Waschmittel oder an das Hundefutter kleben - und wenn die Packung leer ist, per Knopfdruck schnell bei Amazon eine neue bestellen. Bisher ist der Service nur für Kunden des Premiumdienstes Amazon Prime in den USA und in Großbritannien erhältlich - für 4,99 US-Dollar je Button.
Mit "Amazon Handmade" macht der Online-Händler Anbietern wie Etsy oder DaWanda Konkurrenz. Auf dem Marktplatz will Amazon Künstler und Bastler versammeln, die individualisierbare Produkte verkaufen: Selbstgeschneiderte Kleider und Taschen, Schmuck, Armbänder, Möbel. Die Plattform befindet sich in den USA noch im Aufbau. Wer dort verkaufen will, kann sich jetzt schon bewerben. Allerdings kostet ein professioneller Verkäufer-Account knapp 40 Dollar im Monat, und Amazon will bei jeder Bestellung zwölf Prozent Provision einstreichen. Bei anderen Plattformen sind diese Konditionen weitaus günstiger für die Verkäufer - allerdings erreichen sie dort wahrscheinlich nicht so viele Kunden. Ob und wann Amazon Handmade auch nach Deutschland kommen soll, ist nicht bekannt.
Über seine Plattform "Amazon Home Service" vernetzt der Online-Händler in den USA Techniker, Handwerker und Trainer mit seinen Kunden in den Großstädten. Wer bei Amazon einen neuen Fernseher kauft, kann also gleich einen Techniker beauftragen, der den Fernseher anschließt und einrichtet. Auch Yoga-Stunden und Gitarren-Lehrer lassen sich über die Plattform buchen. Bis zum Jahresende will Amazons einen Service in 30 amerikanischen Großstädten anbieten.
In der Amazon-Heimatstadt Seattle fährt seit diesem Sommer der "Treasure Truck" - ein Lkw, vollgeladen mit Sonderangeboten. Kunden können die Waren auf dem Truck per App bestellen und direkt liefern lassen - zum Beispiel ein Surfboard für den Preis von 99 Dollar anstatt den üblichen 499 Dollar.
Prime Music ist der Musik-Streamingdienst von Amazon, eine Konkurrenz zu Spotify oder Apple. Wer Mitglied beim Amazon Premiumdienst Prime ist, kann den Service in den USA und auch in Großbritannien ohne Zusatzkosten nutzen. Allerdings verfügt Amazon bisher nur über eine Bibliothek von etwa einer Millionen Songs.
Amazon begnügt sich schon lange nicht mehr, Medien zu verkaufen - der Online-Händler produziert sie mittlerweile auch selbst. Über seinen Streamingdienst zum Beispiel hat Amazon die ersten Folgen der Serie "The Man in the High Castle" veröffentlicht. Darin geht es um die Frage: Wie würde die Welt aussehen, wenn die Nazis den zweiten Weltkrieg gewonnen hätten? Auch einen eigenen Kinofilm mit dem Titel "Elvis & Nixon" produziert Amazon. Was danach kommt? Wahrscheinlich ein eigenes Videospiel. Laut Medienberichten hat Amazon Entwickler von bekannten Spielen wie World of Warcraft oder Halo verpflichtet.
Echo hat den anderen Assistenten allerdings etwas voraus: Um Alexa zu aktivieren, muss der Nutzer nicht Hand anlegen. Sobald er „Alexa“ sagt, auch aus weiten Distanzen, aktiviert sich die Box,. Möglich machen das ständig lauschende Mikrofone, die aber per Knopfdruck taub gestellt werden können und nur Geräusche aufzeichnen, wenn Alexa angesprochen wird.
Nicht nur deswegen sehen Experten die Spracherkennung von Amazon als Einkaufslösung derzeit vor Siri und Google Now. „Alexa wurde für sehr spezielle Anwendungsfälle konzipiert: Produkte finden und einkaufen. Das macht die Spracherkennung deutlich weniger kompliziert“, sagt Alexander Graf, Geschäftsführer des Softwareunternehmens Spryker Systems. Siri etwa soll daneben auch noch beantworten, wo in der Nähe ein Spielplatz ist.
Doch unabhängig wer sich in puncto Sprachassistent am Ende durchsetzen wird: Das Einkaufen wird sich grundlegend verändern – vor allem für Marken und Hersteller, glaubt Aufzug: „Gerade in Bezug auf generische Produkte.“ Fordert ein Kunde Alexa auf, einen Staubsauger zu kaufen und nennt keine Marke, geht es nur noch darum, welcher Staubsaugerhersteller seine Hausaufgaben auf dem Marktplatz am besten macht und zum Beispiel gute Bewertungen erhalten hat. „Marken, die sich da nicht engagieren, fallen heraus“, sagt Aufzug. „Aspekte wie der Markenname oder die Optik werden deutlich unwichtiger.“
Graf sieht die Chance auf eine neue Zielgruppe: „Insbesondere ältere Kunden haben noch immer Probleme mit Apps und dem Onlinehandel“, sagt er. „Ist Shopping per Spracherkennung einmal etabliert, sind auch sie als Zielgruppe viel einfacher erschließbar.“
Einkaufen völlig ohne Bestellung
Ist künftig überhaupt noch der Ausdruck des Kaufwunschs nötig? „Als wir vor 15 Jahren mit Google starteten, war es meine Vision, dass die Menschen nicht mehr suchen müssen, um an Informationen zu kommen, die Informationen sollen zu ihnen kommen“, erklärte Larry Page im Jahr 2013.
Einen großen Schritt bei der Realisierung dieses Plans hat Google mit einem Zukauf aus dem Jahr 2014 gemacht: Der Konzern kaufte den Londoner Big-Data-Spezialisten Rangespan. Bis dahin analysierte das Unternehmen die Anfragen Tausender Lieferanten – etwa für die Supermarktkette Tesco. Für Google sollen die Mitarbeiter des Unternehmens das Verhalten der Kunden bis ins Detail analysieren und die Google-Angebote entsprechend des Verhaltens optimieren.
So will Google künftig ein mögliches Kaufverhalten antizipieren, ohne dass überhaupt eine Suchanfrage gestellt wird. „Schläft beispielsweise ein Paar seit drei Monaten in derselben Wohnung, kann Google das anhand der Ortungsdaten des Smartphones erkennen“, sagt Markus Tandler, Experte für Suchmaschinen.
Wenn nun die Frau nach Hochzeitskleidern sucht und ihr Mann in den letzten Tagen bei einem Juwelier war, ahnt Google: Die Hochzeit steht ins Haus. Entsprechende Angebote könnte das Unternehmen direkt aufs Handy schicken -– etwa für einen Anzug. Google will nicht mehr den Menschen zum Produkt bringen, sondern das Produkt zum Menschen.
So müsste der Nutzer beispielsweise gar nicht mehr die Amazon-Webseite besuchen, um dort zu bestellen. Google wählt selbst aus, welche Angebote es weiterleitet und kassiert eine Provision. „Ab diesem Moment hat Amazon ein Problem“, sagt Tandler. Heute sucht fast jeder, der etwas im Internet kaufen will, direkt bei Amazon -– diese Zeiten könnten dann vorbei sein. „Diese Entwicklung hat das Potenzial, die Werbe- und Verkaufswelt komplett zu revolutionieren“, so Tandler. Bis es soweit ist, braucht Google seiner Einschätzung nach allerdings noch einige Jahre.
Amazons deutsche Logistikzentren
Im hessischen Bad Hersfeld hat Amazon gleich zwei Logistikzentren. Dort wurde 1999 das erste Logistikzentrum innerhalb von Deutschland eröffnet. Zehn Jahre später folgte ein zweites Zentrum.
Das Zentrum in Leipzig gibt es seit 2006 und ist so groß wie elf Fußballfelder. Dort sind 2000 Arbeitskräfte festangestellt.
Der Logistikstandort Werne wurde 2010 eröffnet, ein Jahr später wurde eine weitere Halle eröffnet. Die Gesamtfläche ist so groß wie 19 Fußballfelder. Für 2017 ist ein kompletter Neubau geplant.
In Rheinberg hat Amazon mehr als 1700 Mitarbeiter. In der Weihnachtszeit kommen 1800 Saisonkräfte hinzu. Das Zentrum gibt es seit 2011.
Mit 110.000 Quadratmetern oder 17 Fußballfeldern an Lagerfläche stellt Graben bei Augsburg eines der größten deutschen Logistikzentren von Amazon. Sechs Lagerhallen umfasst das Versandzentrum, das es seit 2011 gibt.
Das Logistikzentrum in Koblenz wurde 2012 eröffnet und umfasst rund 17 Fußballfelder an Lagerfläche. Dort hat Amazon mehr als 1000 Mitarbeiter und stellt jedes Jahr doppelt so viele Saisonkräfte ein.
Das Logistikzentrum in Pforzheim gibt es seit Herbst 2012. Dort hat Amazon 1000 Mitarbeiter. In der Weihnachtszeit werden doppelt so viele Saisonkräfte eingestellt. Das Gelände ist 110.000 Quadratmeter groß.
Brieselang ist der neueste Standort von Amazon in Deutschland. Er wurde im Herbst 2013 eröffnet. Mit einer Größe von umgerechnet 10 Fußballfeldern gehört er zu den kleinsten Standorten.
Amazon hält dagegen. Fragt man Scott Galloway, Marketingprofessor an der New York Universität, wird Amazon eines Tages seine Kunden so gut analysiert haben, dass es proaktiv Waren sendet, die dem Profil des Kunden entsprechen. „Ich denke darauf läuft es hinaus“, sagte er der New York Times. „Ich kriege einmal die Woche eine Box mit all den Dingen, von denen Amazon glaubt, ich brauche sie.“
Ein entsprechendes Patent für antizipatorischen Paketversand hat Amazon vor Jahren angemeldet. Auf den Weg dorthin hilft Amazon ein Gadget, das neben den USA mittlerweile auch in Großbritannien angekommen ist.
Bestellen per Knopfdruck
Die Rede ist von Amazons Dash-Button. Für mehr als 150 Marken in den USA bietet der Handelsriese die Bestellung per Knopfdruck, ganz ohne Besuch des Onlineshops, bereits an. Wie das funktioniert?
Für zahlreiche Produkte des Alltags – vom Kaffeepulver bis zum Kondom – gibt es kleine, mit dem WLAN verbundene Dash Buttons. Sie sind in etwa so groß wie ein Autoschlüssel und werden bestimmten Marken und Produkten zugeordnet. An eine Waschmaschine etwa klebt der Kunde einen Knopf für Waschmittel vom Markenproduzenten seiner Wahl. Ist das Waschmittel leer, ordert der Nutzer per Knopfdruck automatisch eine vorher eingestellte Menge Waschmittel.
Das Düsseldorfer Unternehmen Henkel ist seit Ende Juni in den USA im Dash-Programm vertreten, unter anderen mit den Marken Persil und Schwarzkopf. Auf Anfrage erklärte eine Unternehmenssprecherin: „Bislang sind wir mit der Entwicklung zufrieden. Unsere Dash Buttons zählen zu den erfolgreichsten in ihren jeweiligen Kategorien.“ Genaue Absatzzahlen nannte sie nicht.
Mabel McLean, bei der US-Unternehmensberatung L2 für Amazon zuständig, kennt Fakten: „Fünf der zehn Top-Haushaltsprodukte auf Amazon gehören zu Marken, die Teil des Dash-Programms sind“, sagt sie. Bei den Top 100 seien es immerhin noch 35 Prozent. „Das legt nahe, dass die Dash Buttons die Verkäufe für Marken ankurbeln.“ Dafür spreche auch, dass sich immer mehr Marken für das Dash-Programm interessieren.
Trotzdem: Auf dem Massenmarkt ist Dash noch nicht angekommen, sagt Aufzug. Bis dato gebe es in den USA lediglich eine kleine Zahl von „Early Adoptern“, die sich an das neue Bestellmedium wagten. „Trotzdem ist der Knopf für Amazon schon jetzt ein sehr mächtiges Tool, vor allem was die Kundenbindung anbetrifft.“
Heute kauft das Gros der Kunden Alltagsprodukte wie Waschmittel oder Toilettenpapier im Laden und schleppen sie nachhause. „Wenn es so einfach ist zu bestellen wie mit dem Dash-Button, macht das Kaufen im Laden keinen Sinn mehr“, sagt Aufzug. Aus seiner Sicht wird der stationäre Handel diesen Trend bei Alltagsprodukten zu spüren bekommen.
Amazons Dash-Button nun auch in Europa
Den Dash Button hat Amazon mit Großbritannien vor kurzem auch in Europa eingeführt. Allerdings in einer abgewandelten Form. Er verfügt über ein integriertes Mikrofon und einen Barcode-Scanner. So können die Kunden einkaufen, indem sie Barcodes von Produktverpackungen einscannen oder einfach den Namen des gewünschten Produkts in den Stick sprechen. Die Produkte landen dann in dem Warenkorb und können im Anschluss über das Smartphone oder den Rechner bestellt werden.
„Amazon schlägt hier gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe“, sagt Aufzug. „Mit der Spracherkennung im abgewandelten Dash Button deckt es Echo ab und mit der Barcodeerkennung testet es eine neue Bestellmöglichkeit.“ Je nachdem, was funktioniert, kann Amazon mit einer spezialisierten Variante auf dem europäischen Markt expandieren.
Wann Dash nach Deutschland kommt, mit einem Umsatzanteil von elf Prozent immerhin der wichtigste Auslandmarkt für Amazon, ist offen.
Es gibt allerdings erste Anzeichen: Seit Ende Juli können Nutzer in der Amazon-App in Deutschland unter dem Reiter „Benachrichtigungen“ entscheiden, ob sie Mitteilungen erhalten wollen, wenn Bestellungen über den Dash Button getätigt werden.
„Der Wille ist da die Dash-Buttons auch hier schnell zu testen, erste Vorstöße sind schon zu spüren, aber das wird noch dauern“, sagt Aufzug. Grund für die Verzögerung sind vor allem rechtliche Probleme, denn Fernhändler haben diverse Informationspflichten, zum Beispiel den Verbraucher über das Widerrufsrecht zu informieren.
Geräte bestellen einfach selbst
In den USA ist so etwas erst einmal unproblematisch, deswegen ist Amazon hier gerade dabei noch einen Schritt weiter zu gehen. Ende 2015 startete Amazon den „Dash Replenishment Service“ (DRS). Es ist eine Art Dash Button – nur ganz ohne Knopf.
Samsung Drucker, Waschmaschinen, Zuckermessgeräte oder Brita-Wasserfilter ordern ganz alleine bei Amazon neues Zubehör, was an und für sich bequem klingt. Aber wenn die Geräte „selbst entscheiden“, wann sie neues Zubehör brauchen, legt der Konsument sich komplett in die Hände der Hersteller, seine Ehrlichkeit und seine Genauigkeit. Ob das erstrebenswert ist?