Amazon-Entsorgungspraxis Deutsche Umwelthilfe will das Mehrwertsteuer-System ändern

Deutsche Umwelthilfe fordert Bußgelder und eine ökologische Steuerreform für Entsorgung neuwertiger Waren durch versandhäsuer Quelle: dpa

Die Warenvernichtungen von Amazon sind kein Einzelfall: Die Deutsche Umwelthilfe will Unternehmen deshalb in die Pflicht nehmen. Die Regierung solle Wiederverwendungsquoten und eine ökologische Steuerreform einführen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Zurückgeschickte und unverkaufte Neuware zu zerstören, ist laut Deutscher Umwelthilfe (DUH) rechtswidrig. Die DUH fordert deshalb von Unternehmen, Abfälle zu vermeiden und Produkte wiederzuverwerten. Vollzugsbehörden der Länder sollten die Unternehmen kontrollieren und die Entsorgungspraktiken mit abschreckenden Bußgeldern bestrafen. Die Umwelthilfe hält das Instrument der Selbstverpflichtungserklärung für gescheitert - die Politik müsse nun neue Maßnahmen ergreifen, um die illegalen Warenvernichtungen zu stoppen. So soll die Regierung laut DUH Wiederverwendungsquoten für Elektrogeräte und Sperrmüll sowie eine ökologische Steuerreform einführen.

Der Vorstoß ist eine Reaktion auf die von der WirtschaftsWoche und dem ZDF-Magazins "Frontal 21" enthüllten Praktiken bei Amazon. Der Online-Händler zerstört im großen Stil neuwertige Kleidung, Matratzen, Handys und Möbel. Eine Mitarbeiterin hatte im dabei unter anderem berichtet, jeden Tag Waren im Wert von 23 000 Euro geschreddert zu haben. Deutschlands größter Onlinehändler bietet zudem auch externen Anbietern, die den Logistikservice „Versand durch Amazon“ nutzen, an, unverkaufte Lagerbestände zu entsorgen.

Die Entsorgungspraxis von Amazon ist dabei längst kein Einzelfall. Der DUH liegen Hinweise vor, laut denen in vielen deutschen Recyclinganlagen neuwertige Elektrowaren und auf vielen deutschen Wertstoffhöfen Möbel mit nur winzigen Macken zerstört werden, anstatt sie zu spenden. Die Händler oder Hersteller verlangten die Entsorgung oftmals von den Anlagenbetreibern.

Amazon zerstört im großen Stil neuwertige Kleidung, Matratzen, Handys und sogar Möbel. Interne Dokumente und Insider-Aussagen geben Einblicke in die Entsorgungs-Maschinerie des Onlinehändlers.
von Henryk Hielscher, Jacqueline Goebel, Mario Brück

"Die massenhafte Vernichtung von Elektrogeräten, Möbeln oder Textilien zeigt uns, wie weit sich Deutschland vom gefühlten Umwelt- und Klimaschutz-Vorreiter-Image tatsächlich entfernt hat", kritisiert DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. So würden völlig unnötig Ressourcen verschwendet und das Klima belastet. Im Falle von Amazon fordert er die zuständigen Überwachungsbehörden auf, den Hinweisen der WirtschaftsWoche und Frontal 21 umgehend nachzugehen und die Entsorgungspraktiken zu unterbinden.

Die DUH bemängelt zudem das Mehrwertsteuer-System, das absurde finanzielle Anreize für die Zerstörung neuer Waren liefere. "Es kann nicht sein, dass Wegwerfen günstiger ist als Weitergeben. Der Verbrauch an Ressourcen muss teurer, umweltfreundliche Produkte und Dienstleistungen günstiger werden", so Resch weiter. So sollte der Mehrwertsteuersatz für gebrauchte Waren oder Reparaturen nach Ansicht der Deutschen Umwelthilfe auf sieben Prozent reduziert, für gespendete Produkte komplett gestrichen werden.

Auch der stellvertretende DUH-Leiter für Kreislaufwirtschaft, Philipp Sommer, kritisiert die Gesetzgeber: Die aus ökologischer Sicht sinnvolle Wiederverwendung von Geräten würde nicht gefördert, "sondern systematisch gebremst". Es laufe etwas gewaltig schief, wenn "es für Unternehmen attraktiver ist, neue Produkte oder Produkte mit kleinen Mängeln zu zerstören, anstatt diese zu spenden oder als Gebrauchtware zu verkaufen". Von etwa 723.000 Tonnen Elektroaltgeräten werden gerade einmal 15.000 Tonnen für eine Wiederverwendung vorbereitet, wie amtliche Statistiken belegen.

Die Vernichtung funktionstüchtiger Produkte ohne triftigen Grund verstößt laut DUH gegen das Kreislaufwirtschaftsgesetz, im Falle von Elektrogeräten auch gegen das Elektro- und Elektronikgerätegesetz. Die Umwelthilfe hatte Amazon und andere Versandhäuser bereits kürzlich wegen Verstößen gegen die Rücknahmepflicht ausgedienter Elektrogeräte gerügt.

Die Bundesregierung soll laut DUH Unternehmen und Kommunen dazu verpflichten, einen Anteil von mindestens 15 Prozent der zurückgegebenen Elektrogeräte und Möbel für eine Wiederverwendung vorzubereiten. Darüber hinaus möchte die Deutsche Umwelthilfe das mit dem Elektrogerätegesetz aus dem Jahr 2015 beschlossene Separierungsverbot lockern: Dann könnten Altgeräte für die Wiederverwendung auf Wertstoffhöfen vom Rest des Mülls getrennt werden dürfen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%