Amazon Fresh Deutsche müssen noch auf Online-Supermarkt warten

In Großbritannien verkauft Amazon jetzt online frische Lebensmittel und Tiefkühlkost. Welche Anzeichen es in Deutschland für Amazon Fresh gibt und welche Schritte zum eigenen Online-Supermarkt noch fehlen.

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In Großbritannien bietet Amazon seinen Kunden nun frische Lebensmittel an. Quelle: dpa

Wie stellt Amazon in Großbritannien frische Lebensmittel zu?

Der Onlinehändler kooperiert mit der Supermarktkette Morrisons. Sie bezieht frische Lebensmittel und Tiefkühlkost aus dem Großhandel und liefert sie an die Kunden von Amazon aus.

Ist das schon Amazon Fresh – oder noch eine Vorstufe?

Experten tun sich schwer, beim neuen Angebot direkt von Amazon Fresh zu sprechen – also dem eigenständigen Lieferdienst für frische Lebensmittel. Christian Kille, Professor für Handelslogistik an der Hochschule Würzburg, sieht in der Kooperation mit Morrisons zumindest eine letzte Vorstufe von Amazon Fresh. Seiner Meinung nach fehlt, dass Amazon die Lebensmittel selbst aus dem Großhandel bezieht und dem Kunden nach Hause liefert.

Kille ist überzeugt, Amazon wird langfristig die Partnerschaft mit der Supermarktkette in Großbritannien aufgeben. Derzeit wolle der Onlinehändler nur testen, wie die Kunden auf das neue Sortiment reagieren. Denn: "Amazon ist ein Unternehmen, das eigenständig und unabhängig auf dem internationalen Markt erfolgreich sein will", sagt Kille.

Wird der Onlinehändler auch in Deutschland frische Lebensmittel in sein Sortiment aufnehmen?

Auf Anfrage von WirtschaftsWoche Online will Amazon keine Auskunft darüber geben, ob Amazon Fresh auch in Deutschland geplant ist. "Für Deutschland hat Amazon keine Ankündigungen zu dem Thema gemacht", heißt es seitens der Pressestelle.

Wo es beim Online-Lebensmittelhandel hakt

Hierzulande bietet das US-Unternehmen allerdings einige Dienstleistungen an, welche die Zustellung frischer Lebensmittel begünstigen – und die damit eine gute Voraussetzung für die Umsetzung von Amazon Fresh in Deutschland sind.

Welche Vorboten sind das?

Die Lieferung am Tag der Bestellung, eigene Verteilzentren in München und Amazon Pantry. Für 4,99 Euro liefert der Onlinehändler seinen Prime-Kunden seit 2015 haltbare Lebensmittel und Hauswarenartikel in einer Box nach Hause.

Seit einigen Monaten bietet Amazon zudem in 14 deutschen Großstädten Same Day Delivery an – neuerdings testet das US-Unternehmen sogar die Zustellung von Waren innerhalb von 90 Minuten. Damit der Onlinehändler schnell auf Kundenwünsche reagieren kann, kooperiert er nicht mehr ausschließlich mit Paket-Riesen wie DHL und Hermes, sondern setzt nun auf mittelständische Kurierdienste. "Amazon hat sich bereits ein logistisches Netzwerk geschaffen, auf dessen Basis es in den Großstädten durchaus möglich wäre, frische Lebensmittel zuzustellen", sagt Kille.

Die neuen Verteilzentren ermöglichen theoretisch die Lagerung frischer Lebensmittel. "Amazon könnte Lieferanten damit beauftragen, die Verteilzentren wie die von Supermärkten mit Lebensmitteln zu beliefern", sagt Kille. Die Ware würde dann direkt vom Hersteller oder vom Großhandel kommen. In den Verteilzentren könnten die Produkte direkt zu Paketen zusammengeschnürt – und per Kurier oder DHL schnell zum Kunden gebracht werden.

Warum zögert Amazon auf dem deutschen Markt?

Die Zustellung frischer Lebensmittel ist extrem teuer – und die Kunden in Deutschland sind sehr preissensibel. "Die Deutschen sind häufig nicht bereit, für eine Lieferung zu zahlen", sagt Kille. Die Lebensmittel müssten online genauso teuer sein wie im stationären Handel. In Großbritannien sei das anders: Dort seien die Kunden durchaus bereit, für die Zusatzleistung zu zahlen.

Deswegen agiert der US-Konzern hierzulande erst einmal zurückhaltend: "Amazon ist in Deutschland vorsichtig, weil das Unternehmen erst einmal aus den Fehlern anderer Online-Shops und Start-ups lernen will", sagt Kille. Die Vergangenheit zeigt aber, dass das US-Unternehmen durchaus bereit ist, erst einmal Verluste zu machen, um neue Dienstleistungen zu testen und Marktanteile zu gewinnen. In seinen Streamingdienst investierte der Konzern allein 2014 mehr als eine Milliarde US-Dollar.

Warum ist die Zustellung frischer Lebensmittel so problematisch?

Wegen der sogenannten letzten Meile – die Zustellung vom Lager zum Kunden. Im Gegensatz zu anderen Produkten muss Amazon frische Lebensmittel viel genauer kontrollieren. Dafür benötigt der Onlineriese speziell geschultes Personal und muss wegen der genaueren Kontrollen höhere Ausschusskosten in Kauf nehmen. Die Lebensmittel müssen dann aufwendiger verpackt werden – und die Transportmittel müssen so beschaffen sein, dass die Ware auch noch einwandfrei ist, wenn sie beim Kunden ankommt.

Im Supermarkt ist das anders: Beim Einkauf vor Ort sucht sich der Kunde selbst das beste Produkt aus – und wenn er mal daneben greift, ärgert er sich über sich selbst.

Würde eine Kooperation mit Supermärkten für Amazon auch in Deutschland infrage kommen?

Seit einigen Jahren testen große Ketten wie Rewe und Kaiser's Tengelmann die Zustellung frischer Lebensmittel, um sich vor dem möglichen Start von Amazon Fresh auf dem Markt zu positionieren. "Diese Supermärkte haben sicherlich wenig Lust, ihren größten Konkurrenten als Kunden zu bedienen", sagt Kille. In Großbritannien sei das anders: Dort sei der Einzelhandelsmarkt so stark umkämpft, dass gerade kleine Ketten wie Morrisons hoffen, von der Kooperation zu profitieren.

Wann könnte Amazon Fresh in Deutschland auf den Markt kommen?

Kille geht davon aus, dass Amazon in zwei bis drei Jahren frische Lebensmittel auch in Deutschland anbieten wird. Allerdings erst einmal nur in Städten, in denen die Kunden Wert auf Service legen – und auch bereit sind, dafür extra zu zahlen. Zum Beispiel in München, Berlin und Hamburg.

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