Amazon Prime Liebe Kunden, zahlt doch endlich

Amazon ist berüchtigt dafür, vom Kunden aus zu denken und immer den besten Service zu bieten. Jetzt bringt der Konzern mit Amazon Echo die nächste Service-Stufe nach Deutschland. Doch hinter allem steckt ein Kalkül: Die Kunden sollen zahlen.

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Die besten deutschen Online-Shops
Qualität von OnlineshopsIn Zusammenarbeit mit dotSource hat das ECC Köln Kunden von 77 Online-Shops aus sieben unterschiedlichen Branchen nach ihrer Zufriedenheit befragt.Bewertung: Die in Klammern angegeben Punktzahl zeigt an, welchen Online-Shop-Index ein Shop erreicht hat. In die Berechnung des Online-Shop-Index fließen die Zufriedenheit der Kunden mit den in der ECC-Erfolgsfaktorenstudie untersuchten Einzelkriterien sowie die Kundenbindung ein. Ein Wert von 100 Punkten entspricht der maximalen Zufriedenheit und Kundenbindung. Das Ranking erhebt nicht den Anspruch zu beurteilen, dass ein Online-Shop allgemein besser ist als ein anderer. Es besagt, welche Online-Shops es besser schaffen als andere, ihre eigenen Kunden zufriedenzustellen. Die vollständige Studie finden Sie kostenpflichtig hier. Quelle: dpa Picture-Alliance
Rang 10: Deichmann (74,9 Punkte) Quelle: dpa Picture-Alliance
Rang 9: Hugo Boss (75,2 Punkte)Als zweiter Modeanbieter hat es Hugo Boss unter die Spitzenreiter geschafft. Die Befragten waren von den Zusatzinformationen zu Produkten sowie von den Kaufempfehlungen besonders angetan. Quelle: dpa
Rang 8: s.Oliver (75,2 Punkte) Quelle: dpa Picture-Alliance
Rang 7: Ernsting’s Family (75,4 Punkte) Quelle: PR
Rang 6: myTime.de (75,4 Punkte)       Quelle: PR
Rang 5: zooplus (76,2 Punkte) Quelle: Screenshot

Mit einem leisen Piepsen schickt der Scanner Karolina los. Sie bahnt sich die Wege durch die Regale, angeleitet von dem Scanner. Sie greift in die Regalfächer, sammelt Saftpakete, Senf, Möhren und Brot ein und verstaut sie in den großen Papiertüten mit dem Amazon-Logo. Jedes mal piepst der Scanner zufrieden auf. Er verzeichnet im System: Das nächste Produkt ist schon so gut wie auf dem Weg zum Kunden.

Nirgendwo müssen die Produkte diesen Weg so schnell zurücklegen, wie hier, in Amazons Schnellverteilzentrum in Berlin. Mitten in der Innenstadt hat der Onlinegigant sein neuestes Lieblingsprojekt in Deutschland eröffnet: Ein kleines Lager voller Lebensmittel, Klopapier, Wasserflaschen oder Spielzeug. Das besondere: Jeder dieser Artikel soll in 60 Minuten beim Kunden sein.

Amazon Prime Now heißt der Service, den es mittlerweile in Berlin und München gibt. Die Lieferung - und das ist die zweite Besonderheit -  kostet allerdings. 6,99 Euro müssen die Kunden zahlen. Wer mehr Zeit hat, kann statt der 60-Minuten-Lieferung auch die Zustellung in einem Zeitfenster von zwei Stunden anpeilen und dadurch sparen.

Amazon Dash: Diese Produkte gibt es in Deutschland auf Knopfdruck

Als Onlinehändler ist Amazon berühmt und berüchtigt davor, dass es konsequent den besten Service für seine Kunden bieten will: die größte Auswahl, die einfachste Bestellung, die schnellste Lieferung. Mit Ideen wie Amazon Prime Now steigert sich das Niveau noch. Doch sie markieren auch einen Richtungswechsel in der Strategie von Amazon. Denn den besten Service gibt es auch bei Amazon längst nicht mehr für jeden Kunden. Sondern nur für diejenigen, die dafür auch bereit sind zu zahlen.

17 Millionen Prime-Kunden in Deutschland

Im Reich von Amazon gibt es einen neuen König: Die Prime-Kunden. Prime, so nennt Amazon seinen Premiumdienst. In Deutschland kostet der 49 Euro pro Jahr. Der Betrag öffnet den Millionen Amazon-Bestellern eine neue Welt, mit eigenen Lieferbedingungen, Zusatzangeboten, Produkten und sogar eigenen Plattformen für Videos oder Musik.

Täglich entwickelt und erfindet Amazon neue Ideen, um mehr Kunden auf diese Seite zu ziehen. Und so mehr zu erwirtschaften.

Mit der Strategie ist Amazon bisher enorm erfolgreich, auch in Deutschland: Laut einer Umfrage des Datenanbieters Statista gibt es allein in Deutschland 17 Millionen Prime-Kunden. Damit nutzen fast 40 Prozent der deutschen Amazon-Kunden den Bezahldienst. Für Amazon rechnet sich das: Die Kunden mit dem Abo bestellen häufiger, sie bestellen mehr, sie sind besonders treu.

Sie eröffnen Amazon damit eine Möglichkeit, die das Unternehmen aus Seattle bisher nur aus seinem Server- und Cloud-Geschäft kannte, und nicht aus dem Onlinehandel: eine Aussicht auf Profitabilität. Alleine im US-Handelsgeschäft konnte Amazon im vergangenen Quartal seinen operativen Gewinn von 348 auf 702 Millionen Euro deutlich steigern - auch dank der vielen zahlenden Prime-Kunden. Außerhalb der USA schreibt Amazon zwar noch immer meist rote Zahlen. Doch auch hier investiert der Online-Gigant Millionen.

Amazons Logistik-Netz in Deutschland

Serien und Musik als Köder

In einem schlichten Gewerbegebiet in London sitzen Jeremy Clarkson, Richard Hammond und James May lässig dahingestreut an einem Holztisch und schweigen. May klappt sein Notebook auf, liest eine Mail: „Jeff hat sich gemeldet.“ Allgemeines Stirnrunzeln. „Er ist nicht begeistert darüber, dass wir auch nach neun Monaten noch keinen Namen haben.“ Das ist schlecht.

Denn der Amazon-Chef hat Millionen investiert, damit die drei Briten zwölf Folgen ihrer mittlerweile weltberühmten Auto-Sendung bei ihm abliefern. Die lief früher bei BBC und hieß Top Gear. Und nun? Clarkson, Hammond und May sitzen da und grübeln – und schüren mit der werbeträchtigen Namenssuche die Neugier ihrer weltweiten Fan-Gemeinde nach der neuen Sendung.

„The Grand Tour“, wie die PS-strotzende Serie nun heißen wird, ist das sichtbarste Signal an Branche und Publikum, wie Amazon beim Rennen um Zuschauer punkten will: Der Konzern kopiert die Rezepte der Konkurrenz wie Netflix oder Sky, die schon längst eigene Serien und Filme drehen lassen. Auch Amazon setzt dabei auf lokale Produktionen. „You are wanted“ heißt die Krimi-Serie, bei dem Filmstar Matthias Schweighöfer die Hauptrolle spielt und Regie führt. „Wir wollen einen Gassenhauer“, Christoph Schneider, Deutschland-Chef von Amazon Video.

Doch wer sich Matthias Schweighöfer ansehen will, muss dafür zahlen. 7,99 Euro kostet der Videodienst für diejenigen, die keine Prime-Kunden sind. Damit sind die Serien und Filme der perfekte Einstieg in die Prime-Welt: Denn wer zwölf Monate lang fleißig streamt, zahlt am Ende sogar fast doppelt so viel wie die Prime-Kunden. Und die erhalten nicht nur Zugang zu Serien, sondern neuerdings sogar zu exklusiv für sie gefertigten Produkten und technischen Spielereien.

So wie den Dash-Button, der Bestellen per Kopfdruck ermöglicht. Die Buttons von bestimmten Produkten wie Waschmittel, Toilettenpapier und Kondomen können Kunden an den entsprechenden Stellen im Haushalt anbringen. Ist das Waschmittel leer, reicht ein Knopfdruck, und das nächste Paket macht sich von einem Amazon-Lager aus auf den Weg.

 

Amazon Echo kommt nach Deutschland

Seit Anfang September sind die Buttons in Deutschland erhältlich - nur für Prime-Kunden, selbstverständlich. Vorteil für den Kunden: Möglichst wenig Aufwand. Vorteil für Amazon: Der Kunde achtet nicht mal auf den Preis und verrät gleichzeitig wichtige Informationen über sein Konsumverhalten, warnen Verbraucherschützer.

Doch trotz der Vorbehalte bestellt die Amazon-Fangemeinde die Dash-Buttons bereits jetzt wie verrückt. Nach kurzer Zeit ist er hierzulande für viele bekannte Marken bereits ausverkauft, neue Knöpfe sind erst ab Mitte Oktober lieferbar. „Der Erfolg der Dash-Buttons ist für das erste größer als gedacht“, sagt Marc Aufzug von Factor-A, einem Unternehmen, das Produzenten bei ihren Aktivitäten auf Amazon berät.

Noch einfacher macht es Amazon seinen Kunden nur noch mit Echo. Der bildschirmlose Computer mit der Optik einer Hightech-Tennisball-Dose wird per Sprache angesteuert. Die rund 60 Millionen Prime-Kunden in den USA können Echo bereits nutzen. Er dient als Einkaufshilfe, kann die eigenen Bankkonten abrufen, Musik abspielen und ein Taxi bestellen – alles auf Zuruf.

In „diesem Herbst“ soll der vernetzte Lautsprecher mit Sprachsteuerung in Deutschland erstmals außerhalb des englischsprachigen Sprachraums auf den Markt kommen, kündigte Amazon-Manager David Limp am Mittwoch in London an. Das passt perfekt ins Schema und zur Prime-Strategie.

Das sind Amazons nächste Projekte

Für Amazon erfüllen Dash-Button und Echo noch eine weitere Funktion: „Damit nehmen sie vielen Kunden die Entscheidung ab, Produkte woanders als über Amazon zu kaufen – das zahlt sich definitiv aus”, sagt Experte Aufzug. Wer bestellt etwas bei einem anderen Anbieter, wo er für den Versand aufkommen muss, wenn er bei Amazon als Prime-Mitglied versandkostenfrei einkaufen kann und die Ware bestenfalls noch am selben Tag erhält? Damit verteidigt sich Amazon auch gegen Spieler wie Google oder Apple, die ebenfalls gerne Zugang zum Reich der immer mehr kaufenden Onlinekunden hätten.

Kunden zweiter Klasse

Was Deutsche über Amazon Dash kaufen würden

Doch mit Prime fesselt Amazon seine Kunden immer weiter an sich. Das Gesamtpaket aus schneller und günstigerer Lieferungen, Unterhaltungsprogramm und exklusiven Gadgets sorgen dafür, dass es sich für den Kunden nicht lohnt, zur Konkurrenz zu wechseln. Amazon Prime, sagt Experte Aufzug, sei als Kundenbindungsinstrument “konkurrenzlos”. „Neue Kunden zu akquirieren ist für jeden Online-Händler aufwendig. In den seltensten Fällen ist ein Kunde schon beim ersten Einkauf profitabel. Geld verdient man erst, wenn der Kunde ohne zusätzlichen Akquiseaufwand wiederkommt“, sagt Aufzug.

Allerdings gilt das zweifelsfrei nur für zahlende Kunden. Längst macht sich eine Angst breit unter den Konsumenten: Was geschieht mit denen, die die 49 Euro im Jahr nicht ausgeben wollen? Mit jedem Kunden, der wechselt, sinkt schließlich für Amazon der Anreiz, den Standardservice noch weiter zu verbessern. Im Gegenteil: Je deutlicher die Vorteile für die Prime-Kunden sind, umso wertvoller gilt das Abonnement.

So gibt es in Deutschland ganze Foren darüber, in der Nutzer über die Frage diskutieren, ob der Lieferschnelligkeit für die nicht zahlende Kundschaft sich verschlechtert hat. Eine Frage, die dahinter steht: Wenn die zahlende Kundschaft der König ist - sind die anderen dann Hofnarren?

Bisher jedoch scheint diese Frage noch nicht zu einem Problem zu werden. Der Datendienst Statista fragte bei Amazon-Kunden nach, warum sie nicht zu Prime wechseln wollen. 88 Prozent antworteten, dass der Standardservice ausreicht. Und immerhin 67 Prozent nannten die zu hohe Gebühr als Grund.

von Matthias Hohensee, Jacqueline Goebel, Henryk Hielscher, Thomas Kuhn, Peter Steinkirchner
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