Amazon und Co. bringen ihre Anwälte in Stellung Darum ist der Kampf gegen Fake-Bewertungen so schwierig

Rund um die großen Onlinemarktplätze ist eine Industrie gewuchert, die gegen Bezahlung Fünf-Sterne-Bewertungen liefert. Amazon zieht dagegen nun vor Gericht. Quelle: REUTERS

Mit Klagen wehren sich die großen Online-Marktplätze gegen Anbieter von manipulierten Nutzerbewertungen. Doch der Kampf ist zäh. Sollte in Zukunft auch die Polizei gegen Bewertungsbetrüger vorgehen? 

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Nutzerbewertungen im Internet werden immer wichtiger. Sie beeinflussen, welche Produkte wir shoppen, wo wir Essen gehen oder den nächsten Urlaub buchen. Sie sind immer öfter Auslöser für die Wahl eines Arztes, Anwalts oder Arbeitgebers. Aber kann man den Empfehlungen trauen? Hat der Hotel-Fan die angeblich Super-Sauber-Preiswert-Familien-Luxus-Herberge überhaupt jemals betreten? Und was ist mit dem als Wunder-Elixier gepriesenen Schlankheitspräparat? Der Dating-App, über die so viele angeblich ihren Traumpartner fanden? Recherchen der WirtschaftsWoche belegen, dass rund um die großen Onlinemarktplätze und Portale eine regelrechte Industrie gewuchert ist, die im großen Stil und gegen Bezahlung Fünf-Sterne-Bewertungen liefert und auch fragwürdige Produkte und Dienstleistungen bejubelt.

Ist das erlaubt? Nein, haben Gerichte inzwischen entschieden. Zumindest dann nicht, wenn verschleiert wird, dass es sich um eine gekaufte Bewertung handelt. Doch der juristische Kampf gegen die Bewertungsagenturen ist zäh. „Das Thema berührt vor allem Fragen des unlauteren Wettbewerbs“, erklärt Stefan Krüger, Leiter des Bereichs digitales Recht bei EY Law. „Damit lassen sich gerichtlich vor allem Unterlassungsansprüche gegen die Anbieter und Käufer von Bewertungen verfolgen.“

Tatsächlich haben die großen Portalbetreiber längst ihre Anwälte in Stellung gebracht – allen voran Onlineprimus Amazon, der denn auch mit Verve und Pathos ankündigt, nicht nachzulassen, „bis wir jeden Einzelnen aufspüren, der sich am Missbrauch von Bewertungen beteiligt“. Gegen zahlreiche Bewertungsverkäufer ist der Internetgigant in den vergangenen Monaten vor Gericht gezogen.

So hat Amazon schon im Sommer 2018 eine Einstweilige Verfügung gegen Goldstar Marketing erwirkt, einen der großen Bewertungsanbieter, der mit dem Slogan „Sterne für mehr Kunden und Umsatz“ wirbt. Auch Amarate („Qualitative Rezensionen zum fairen Preis“) wurde per Gerichtsbeschluss untersagt, Kundenrezensionen als vermeintlich „echte“ Kundenkommentare bei Amazon veröffentlichen zu lassen. Der Betreiber der Plattform ließ eine Anfrage der WirtschaftsWoche dazu unbeantwortet.

„Amazon hat bereits rund ein Dutzend Gerichtsverfahren gegen Anbieter von gefälschten Bewertungen gewonnen“ und ein Grundsatzurteil vor dem Oberlandesgericht Frankfurt erstritten, teilt der Versandkonzern mit. Darin heißt es: Die Veröffentlichung von Kundenrezensionen im Internet, für die der Rezensent eine Zahlung oder einen anderen „vermögenswerten Vorteil“ erhalten habe, ist unlauter, soweit nicht darauf hingewiesen wird, dass es sich um „bezahlte“ Rezensionen handelt. Für den Verstoß hafte auch das Unternehmen, das für den Anbieter derartige Rezensionen hat verfassen und veröffentlichen lassen. Die Folge: In einzelnen Bewertungskommentaren wird mehr oder weniger versteckt darauf hingewiesen, dass Produkte im Rahmen eines Tests zur Verfügung gestellt wurden. Doch auch das verstößt gegen die internen Amazon-Richtlinien. „Wir haben in einem ähnlichen Fall erst kürzlich mehr als 170 entsprechend gekennzeichnete Rezensionen erfolgreich identifiziert und sofort gelöscht“, heißt es bei dem Unternehmen.

Nicht nur Amazon macht Front gegen Fake-Bewerter. Gibt es deutliche Hinweise auf Manipulationen, zieht auch die Ärztebewertungsplattform Jameda juristisch alle Register. So sei man vor einigen Monaten gegen 18 Ärzte vorgegangen, die nachweislich positive Bewertungen gegen Entgelt bei Agenturen wie Goldstar Marketing, Fivestar Marketing und der Bewertungs-Fabrik in Auftrag gegeben hatten, teilt Jameda mit. Die Bewertungen wurden entfernt. Zudem erschien auf den betroffenen Arztprofilen der Hinweis, dass Bewertungen aufgrund von Manipulationsversuchen gelöscht wurden. Strafbewehrte Unterlassungserklärungen sollen sicherstellen, dass die Ärzte künftig von jeglichem Versuch der Manipulation absehen.

Auch das zum Medienkonzern Burda gehörende Urlaubsportal Holidaycheck zieht gegen Fake-Bewertungen von Hotels zu Felde und hat im Februar 2019 vor dem Landgericht München Klage wegen unlauteren Wettbewerbs gegen Fivestar eingereicht. Zuvor hatte das Portal zahlreiche Hotels aufgespürt, die über den Anbieter Bewertungen gekauft haben sollen. „Die beteiligten Hotels wurden in unserem Auftrag von unserer Kanzlei abgemahnt und auf unserer Plattform mit einem deutlich sichtbaren Warnhinweis versehen“, erklärt Holidaycheck. Fivestar will sich nicht zu dem Gerichtsverfahren äußern. Generell sieht das Unternehmen in dem Verkauf von Bewertungen keine Manipulation der Wahrnehmung von Produkten und Dienstleistungen. Kostenlose Produkte, die Tester für ihre Bewertungen erhalten, seien „eine gängige Methode der Aufwandsentschädigung bei der Generierung von Bewertungen“. Das Urteil steht noch aus.

Klar ist aber ohnehin: Gerichtsverfahren allein können das Geschäft der Bewertungsvermittler zwar stören, aber nicht verhindern. Exotische Auslandsadressen machen es oft schwer, Schriftsätze überhaupt zuzustellen, und noch schwerer Forderungen einzutreiben. Wird der Druck zu groß, firmieren Anbieter ihre Seiten kurzerhand um und machen unter neuen Namen weiter. 

„Mit dem Wettbewerbsrecht allein werden sie Bewertungsfälschern nicht das Handwerk legen“, ist daher Boris Wita überzeugt. Der Jurist der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein fordert, „einen Straftatbestand der ‚massenhaften Verbrauchertäuschung‘ zu schaffen. Polizei und Staatsanwaltschaft hätten dann ganz andere Möglichkeiten zu ermitteln. „Bislang ist das Strafrecht aber auf die analoge Welt ausgelegt, wo Dinge wie Bewertungsbetrug keine Rolle spielen“, so Wita. 

Bei den Portalen sieht man das ähnlich. „Wir würden uns wünschen, dass der Kauf von Bewertungen und das Einstellen von unechten Bewertungen juristisch als Betrug gewertet wird“, teilt Jameda mit. „Sicherlich wäre es sinnvoll, wenn Bewertungsbetrug auch als Straftat verfolgt werden könnte“, heißt es bei Holidaycheck. Davon allerdings ist die Politik, trotz eines geplanten EU-Vorstoßes („New Deal for Consumers“) noch weit entfernt.

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