Amazon und Zalando Das sind die Lieferpläne der Onlinehändler

In München beauftragt Amazon kleine Firmen mit Paketlieferungen. Und auch Zalando muss auf Kuriere setzen, um am Tag der Bestellung zuzustellen. Der Wettbewerb zwingt sie zum Wandel – und zu neuen Ideen.

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Der Wettbewerb zwingt Amazon und Zalando, immer schneller zu liefern. Quelle: Fotolia, Montage

Der Wettbewerb unter den Onlinehändlern hat sich verschärft: Sie wollen immer schneller zuliefern. Amazon beauftragt in München neuerdings kleine Zusteller. Und auch Zalando braucht flexiblere Zulieferer, um Waren innerhalb eines Tages zuzustellen. Warum die beiden Onlinehändler sich von großen Logistikunternehmen wie DHL und DPD abnabeln und in welche Richtung sich die Zulieferungen in Zukunft entwickeln könnten – ein Überblick.


Wie liefern Amazon und Zalando jetzt Pakete zu?

Die beiden Onlinehändler versuchen langfristig, ihre Pakete schneller an die Kunden zu schicken. Im Großraum München beauftragt Amazon neuerdings kleine Lieferanten. Dazu hat der Großkonzern eine Lagerhalle angemietet. Dort landen die Waren aus einem benachbarten Logistikzentrum, die 200 Lieferanten kleinerer Firmen zu den Kunden nach Hause bringen.

Die größten Probleme bei Lieferungen von Onlinehändlern

Zalando liefert derzeit seine Waren noch per DHL. Doch der Onlineversandhändler testet seit längerem in Großstädten die Zustellung am Tag der Bestellung. Kleinere Kurierdienste bringen die Bestellungen dann direkt zum Kunden. Aktueller Rekord: viereinhalb Stunden. Voraussetzung ist, dass die Produkte bei Mehrfachbestellungen im selben Lager sind. Eine Zukunftsvision des Unternehmens ist die Zustellung innerhalb von 30 Minuten. "Bei der Zustellung innerhalb von 30 Minuten müsste Zalando die Waren aktuell aus dem stationären Handel beziehen", sagt Christian Kille, Professor für Handelslogistik an der Hochschule Würzburg.

Warum testet Zalando die Zustellung durch kleinere Kurierdienste?

Die Kurierdienste sind flexibel. In einem System können die Kuriere ihre offenen Zeitfenster eintragen – Zalando kann somit schnell reagieren und entscheiden, wann welcher Kurier welchen Shop und welchen Kunden anfährt. Mit kleineren Zustelldiensten kann sich Zalando auch besser vermarkten – zum Beispiel, indem der Zusteller Kleidung trägt, die auf den Versandhändler schließen lassen. Zalando gibt dem Kunden damit das Gefühl, ihm ganz nah zu sein.


Ist eine Zustellung innerhalb von 30 Minuten realisierbar?

Christian Kille hält eine Zustellung innerhalb von 30 Minuten aus logistischer Perspektive realisierbar – vorausgesetzt, Zalandos Handelspartner machen mit und es gibt ein dichtes Netz aus Geschäften und Kurierfahrern. Laut einer Zalando-Pressesprecherin werden aber derzeit noch keine Gespräche mit Handelspartnern geführt.

Zalando muss zwar in Echtzeit die Warenbestände im stationären Handel überprüfen können. Dem Onlinehändler spielt aber in die Karten, dass ab 2016 elektronische Kassensysteme bundesweit Pflicht werden, sodass sich selbst der Bestand in kleinen Shops kontrollieren lässt.

"Eine breite Etablierung der schnellen Zulieferung wird aber langfristig höchstwahrscheinlich an den hohen Kosten scheitern", vermutet Kille. Bei Einbezug aller Kosten ergeben sich Preise für die Lieferung am gleichen Tag oder gar innerhalb einer halben Stunde, zu denen kaum Kunden bereit sind, sich kurzfristig Pakete liefern zu lassen. "Deshalb ist selbst die Zustellung am selben Tag ein Draufzahl-Geschäft für Zalando", sagt Kille.

"Kunden sind häufig nur bei dringend benötigten Produkten bereit, einen hohen Aufpreis für die taggleiche Lieferung zu zahlen. Dies kann etwa die Bestellung von einem Cocktailkleid samstagmorgens für den gleichen Abend sein", sagt Michael Lierow, Handelsexperte bei der Strategieberatung Oliver Wyman. Die Zustellung am selben Tag komme aber für den Großteil der Güter wie etwa Lebensmittel oder Haushaltsgegenstände nicht infrage. Die Zustellung innerhalb kurzer Zeit habe somit lediglich eine Nischenberechtigung.

Warum hält Zalando dann am neuen Konzept fest?

"Die schnelle Lieferung ist reines Marketing", meint Kille. Sie sei vergleichbar mit der „Schrei vor Glück“-Aktion, bei der die Waren kostenlos nach Hause geschickt wurden. Amazon ist der größte Online-Versandhändler und optimiert jetzt seinen Logistikprozess. Darauf muss Zalando reagieren und sich auf dem Markt mit einer klaren Strategie positionieren, um nicht aus dem Wettbewerb verdrängt zu werden – auch wenn Zalando durch die schnelle Zulieferung erst einmal weitere Verluste machen wird.

Eigene Zulieferung als Vorstufe von Amazon Fresh

Warum vergibt Amazon die Aufträge in München an kleinere Lieferanten?

Amazon will sich durch die Zulieferung durch kleinere Unternehmen von seinen Wettbewerbern distanzieren. Der Onlinehändler möchte seinen Kunden einen besseren Service bieten – indem das Unternehmen schneller zuliefert. Wenn Amazon Pakete per DHL verschickt, müssen die Boten noch andere Waren austragen, sodass der Zustellungsprozess verzögert wird.

Die Zulieferung durch kleinere Lieferanten hat zwei weitere Vorteile. Einerseits spart Amazon Kosten, andererseits kann sich der Onlineriese besser vermarkten. ""Weil Amazon in München derart viele Pakete verschickt, ist es für den Onlineriesen günstiger, die Pakete mit Hilfe kleinerer Lieferanten zuzuschicken und im ländlichen Raum weiter auf die DHL zu setzen", sagt Kille. Die Zustellung in ländlichen Gebieten ist nämlich teurer als in Ballungszentren, weil die Kuriere in Großstädten während einer Tour gleich mehrere Pakete zustellen können.

Die 10 größten Onlinehändler in Deutschland
Apple Quelle: AP
Alternate.de Quelle: Screenshot
Platz 8: Conrad.de Quelle: Screenshot
Tchibo.de Quelle: dpa
Platz 6: Bonprix.de Quelle: Screenshot
Cyberport.de Quelle: Screenshot
Platz 4: Notebooksbilliger.de Quelle: Screenshot

Der Zusteller ist das letzte und wichtigste Bindeglied zwischen Amazon und Kunde. Bisher stellt die DHL die Mehrzahl der Pakete dazu – sie ist das marktbeherrschende Logistikunternehmen in Deutschland, sodass Amazon wenig Mitspracherecht bei der Zustellung der Pakete hat. Wenn der Onlinehändler auf kleinere Lieferanten setzt, hat er mehr Spielraum: Er kann zum Beispiel verlangen, dass die Angestellten als Amazon-Zusteller erkenntlich sind und bestimmen, wie sie die Pakete zustellen.

Wie könnten sich die Zulieferungsprozesse von Amazon in Zukunft entwickeln?

Weitere Verteilzentren von Amazon sollen in München, Berlin und Hamburg entstehen. Christian Kille schätzt, dass auch noch in weiteren Großstädten solche Verteilzentren entstehen werden. Denn dort sei die Nachfrage nach Amazon-Waren besonders hoch. Schon jetzt beobachtet er, dass der Händler die Vorkommissionierung, also die Zusammenstellung der Waren, vermehrt nach Polen und Tschechien verlegt, weil dort weniger gestreikt wird und die Arbeiter einen geringeren Lohn bekommen. Der Logistikprofessor geht davon aus, dass dieser Trend weiter zunehmen wird.

Heißt das, dass bald in Deutschland auch Amazon Fresh folgt, also die Zustellung von Lebensmitteln?

Kille hält es für sehr wahrscheinlich, dass Amazon mit der Lieferung durch kleinere Kurierdienste die Zulieferung von Lebensmitteln plant – auch wenn das Unternehmen das bislang nicht bestätigt. Durch die kleineren Kurierdienste kann Amazon die Waren schneller zustellen als per DHL, weil die Kuriere flexibler sind – praktisch für den Lebensmittelhandel. In eigenen Logistikzentren kann Amazon testen, wie sich Lebensmittel am besten lagern und kühlen lassen.

Warum gibt es Amazon Fresh bisher noch nicht?

Bei der Zustellung von Lebensmitteln ist vor allem die letzte Meile – also die Lieferung aus dem Lager zum Kunden – problematisch und teuer. Beim Einkauf vor Ort sucht sich der Kunde selbst das beste Produkt aus – und wenn er mal daneben greift, ärgert er sich über sich selbst.

Amazons Logistik-Netz in Deutschland

Wenn ein Supermarkt ihm die Ware aber nach Hause liefert, muss die Ware einwandfrei sein, weil der Einzelhändler sonst Kunden verliert. Durch die genauere Kontrolle hat das Unternehmen höhere Ausschusskosten. Das Personal, das vorher nur Non-Food-Produkte kommissioniert hat, muss geschult werden, weil für die Lebensmittelbranche andere Bedingungen gelten. Im Gegensatz zu anderen Waren müssen Lebensmittel viel aufwendiger verpackt werden – das ist kostspieliger und umweltunfreundlicher.

Warum hält Amazon an Amazon Fresh fest, wenn die Zulieferung von Lebensmitteln mit so vielen Problemen verbunden ist?

"Die Zustellung von Lebensmitteln, die wir täglich brauchen, könnte für Amazon den nächsten größeren Wachstumsschub bedeuten", meint Kille. Rewe liefert seinen Kunden mittlerweile Brot, Käse und Milch – Amazon will sich rechtzeitig große Marktanteile sichern.

Wie die Zulieferung in einem Jahrzehnt aussehen kann

Welche Zulieferungsmöglichkeiten gibt es noch?

In der Schweiz gibt es bereits das Kartoffeltaxi. Pendler laden die Kartoffeln ein und bringen sie gegen Geld in Ballungszentren. Diese Zulieferung ist auch für andere Produkte denkbar. "In Hamburg fahren hauptsächlich PKW ins Zentrum und nur vereinzelt LKW", weiß Kille. Die Autos verstopfen die Straßen, obwohl sich im Durchschnitt nur eine Person im Fahrzeug befindet. Killes Idee: Die leeren Kofferräume könnten die Pendler nutzen, um Waren im Zentrum abzuliefern – die Entlohnung kann über Bezahlung oder reduzierte Gebühren erfolgen.

In den USA ist Amazon Flex gestartet. Private Fahrer registrieren sich bei dem Internetriesen, der einen genauen Überblick hat, wann welcher Fahrer einsetzbar ist. Die Zusteller fahren dann mit ihrem eigenen Pkw zum Lager, um die bestellte Ware abzuholen und liefern sie anschließend aus. "Der Vorteil von Amazon Flex ist, dass das Unternehmen dafür keinen eigenen Fuhrpark und Fahrer braucht und flexibel reagieren kann", sagt Lierow. Eine Zustellung sei innerhalb von einer halben Stunde bis Stunde möglich.

In London gibt es die Plattform Shutl, auf der kleinere Kuriere Lieferaufträge unterschiedlicher Onlinehändler erhalten. Das Start-up hat einen Überblick über die Bestellungen und verfügbaren Kuriere. Sie stellen die Pakete innerhalb von 90 Minuten zu.

Wie wird sich die Zulieferung möglicherweise in fünf bis zehn Jahren entwickeln?

"In ländlichen Gebieten werden die Onlinehändler auch weiterhin mit den großen Logistikunternehmen wie DHL und DPD Pakete zustellen", ist sich Michael Lierow sicher. In Ballungszentren wird Amazon die Zustellung durch kleinere Lieferdienste weiter ausbauen, weil dort viel mehr Produkte nachgefragt werden und die Zulieferung in Eigenregie günstiger für den Internetriesen ist. Der Handelsexperte hält auch eine vermehrte Zulieferung per Drohne für denkbar. Allerfrühestens aber erst in fünf Jahren.

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