Amazon Vorsicht vor dem Dash Button

Der neue Bestellknopf des Onlinehändlers Amazon sollte den Kunden das Leben einfacher machen. Doch Experten und Verbraucherschützer sehen große rechtliche Probleme – mit heiklen Folgen für den Käufer.

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„Der Kunde kann so oft er will auf den Dash-Button drücken, zahlen muss er nicht.“ Quelle: dpa

Düsseldorf Auf den ersten Blick sieht es völlig unproblematisch und ungemein praktisch aus. Ein kleiner Button, an der Kaffeemaschine befestigt, sorgt dafür, dass der Nachschub niemals stockt. Kaum gehen die Kapseln zur Neige, reicht ein Druck auf den Knopf und man hat bei Amazon neuen Kaffee bestellt. Genau so einfach kann der Kunde Zahnpasta, Waschmittel oder Rasierklingen nachbestellen.

Doch der sogenannte „Dash Button“, den Amazon jetzt auch in Deutschland eingeführt hat, hat einen entscheidenden Haken: Nach Einschätzung von Experten ist er nach europäischen Gesetzen nicht zulässig. „Der Amazon Dash Button ist rechtswidrig“, urteilt Martin Rätze, Rechtsexperte bei Trusted Shops, einem Unternehmen, das Gütesiegel für Webshops vergibt. „Die europäische Rechtslage lässt das Modell ,Amazon Dash-Button‘ aktuell nicht zu.“ Über ein solches Modell werde das in Deutschland sehr hohe Verbraucherschutzniveau umgegangen.

Amazon sieht das natürlich anders. „Der Schutz der Interessen unserer Kunden ist für uns von überragender Bedeutung – und dies wird auch mit dem Dash Button gewährleistet. Wir sind überzeugt, dass der Dash Button und die zugehörige App mit geltendem Recht im Einklang stehen", teilte Amazon auf Nachfrage des Handelsblatts mit.

Trusted Shops dagegen sieht gleich eine ganze Reihe von problematischen Punkten. Es fehlten die meisten Pflichtinformationen, über die der Kunde nach dem strengen deutschen E-Commerce-Recht vor dem Kauf aufgeklärt werden müsste. Amazon weist darauf hin, dass der Kunde alle Informationen über die Amazon Shopping App bekommt – viele aber erst nach getätigter Bestellung. Rechtlicher Streit ist geradezu programmiert.

Es fängt damit an, dass der Kunde vor dem Kauf nicht den aktuellen Preis genannt bekommt. Amazon jedoch behält sich im Kleingedruckten das Recht vor, den Preis für das Produkt jederzeit zu ändern. Preissteigerungen sollen den Kunden nur bei Aufschlägen „um mehr als zehn Prozent“ gesondert mitgeteilt werden.


Auf Abmahnung nicht reagiert

Ein potenzieller Streitpunkt sind auch die „wesentlichen Merkmale der Ware“, die nach deutschem Recht vor dem Abschluss eines jeden Kaufvertrags genannt werden müssen. Auf dem Button aber steht nur eine Marke, wie beispielsweise Ariel oder Schwarzkopf. Dass der Kunde die Ware zu Beginn einmalig über die App konfiguriert hat, reiche nicht aus, so Rechtsexperte Rätze.

Unklar ist auch, ob man immer genau den gewünschten Artikel bekommt. Auf Nachfrage teilt Amazon mit, dass keine Ersatzprodukte versandt werden, sondern nur die Produkte, die der Kunde in der App konfiguriert hat. In den Geschäftsbedingungen auf der Website steht jedoch das Gegenteil. Dort heißt es: „Sollte Ihr Produkt zum Zeitpunkt Ihrer Bestellung nicht verfügbar sein, ermächtigen Sie uns, Ihre Bestellung mit einem geeigneten Ersatzartikel der gleichen Produktart und derselben Marke (z.B. mit leicht abweichender Füllmenge) zu erfüllen.“

Weniger kritisch ist das Thema Versandkosten. Auch das müsste rein rechtlich vor jedem Kauf mitgeteilt werden. Bisher jedoch können den Dash Button nur Kunden nutzen, die zugleich Mitglied beim Abo-Modell Prime sind. Und die zahlen ohnehin keine Versandkosten mehr, weil die mit der Jahresgebühr bereits abgedeckt sind.

Ganz heikel aber wird es bei der Widerrufsfrist. Wenn man sich umständlich durch die „Amazon Dash Replenishment Nutzungsbedingungen“ geklickt hat, erfährt man immerhin, dass man für die meisten Artikel eine 30-tägige Rückgabegarantie hat. Nach Einschätzung von Trusted Shops ist das jedoch rechtlich so nicht zulässig. Da der Kunde beim Kauf selber nicht über das Widerrufsrecht belehrt wurde, stehe ihm eine Rückgabefrist von einem Jahr und 14 Tagen ab Lieferung zu. „Er kann das Produkt in der Zeit sogar nutzen, Wertersatz muss er keinen zahlen – denn hierfür wäre eine korrekte Widerrufsbelehrung Voraussetzung“, so Rätze.

Wegen all dieser rechtlichen Probleme zieht die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen jetzt sogar gegen Amazon vor Gericht. Sie hat den E-Commerce-Riesen deswegen zunächst Anfang September abgemahnt. Da die darin genannte Frist nun abgelaufen ist und Amazon nicht bereit sei eine Unterlassungserklärung abzugeben, wollen die Verbraucherschützer ihre Forderungen nun gerichtlich durchsetzen.

Die Verbraucherschützer sehen ganz ähnliche Rechtsverstöße beim Dash Button wie die Experten von Trusted Shops. Ein ganz zentraler Kritikpunkt: Auf der Schaltfläche des Buttons fehlt der Hinweis, dass per Knopfdruck unmittelbar eine kostenpflichtige Bestellung ausgelöst wird. Dieser Hinweis sei bei Verträgen im elektronischen Geschäftsverkehr vorgeschrieben, monieren die Verbraucherschützer. Und schließlich bediene sich auch der Dash Button mittels des häuslichen WLAN des Internets, um die Bestellung zu übermitteln.

Daraus ergeben sich neben den vielen rechtlichen Problemen auch ganz praktische Fragen. So verschickt die App eine Push-Nachricht, sobald der Knopf gedrückt wurde. Wer es aber versäumt, binnen 15 Minuten zu stornieren, hat den Kauf rechtsverbindlich getätigt. „Das wirft die Frage auf, was ist, wenn unbefugte Dritte oder kleine Kinder den Knopf drücken“, sagte ein Sprecher der Verbraucherzentrale. Die Kunden könnten ihr Smartphone schließlich nicht ständig im Blick behalten.


„Zahlen muss der Kunde nicht.“

Nicht blind vertrauen können Verbraucher offenbar auch der vollmundigen Dash-Button-Reklame: „Sie erhalten Ihr neues Produkt, bevor das alte aufgebraucht ist.“ Die Düsseldorfer Verbraucherschützer haben nach eigenen Angaben Anfang September einen Testkauf über den Dash-Button durchgeführt. Dabei nannte Amazon als voraussichtliches Lieferdatum des Waschmittels tatsächlich erst den 20. Oktober 2016. Das offenbarte allerdings nur der Blick in die App.

Amazon hat die kleinen Bestellknöpfe, die wie eine Türklingel aussehen, Anfang des Jahres in den USA eingeführt. Seit Ende August werden sie auch in Deutschland angeboten. Der Kunde muss für jedes Produkt einen eigenen Button zum Preis von 4,99 Euro kaufen. Dieser Betrag wird jedoch bei der ersten Bestellung als Rabatt verrechnet.

Die Knöpfe werden per WLAN mit dem Netz verbunden, betrieben werden sie per Batterie, die etwa fünf bis zehn Jahre halten soll. Will der Kunde die Marke seines Waschmittels oder seiner Zahnpasta ändern, muss er einen neuen Dash Button kaufen.

Auf dem Button sind schön bunt die Marke und das Logo des Herstellers aufgedruckt. Es fehlt aber jeder Hinweis darauf, dass ein Druck eine zahlungspflichtige Bestellung auslöst. Da dies nicht der Fall ist, komme nach § 312j Abs. 4 BGB kein Vertrag zustande, so Rechtsexperte Rätze. „Der Kunde kann also so oft er will auf den Dash-Button drücken, zahlen muss er nicht.“

Wer das aber wirklich ausprobieren will, sollte zumindest eine gute Rechtsschutzversicherung haben.

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