Amazon Warum Jeff Bezos jetzt ein Rückschlag droht

Rechner in der Datenwolke Amazon-Chef Bezos hat den Internethandelsriesen zum führenden Cloud-Anbieter gemacht. Quelle: Illustration: Simon Prades

Amazon-Chef Jeff Bezos macht Milliardengewinne im Cloud-Geschäft. Doch nun droht Ärger. Wer ihm gefährlich wird.

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Dass Amazon heute zu den wertvollsten Unternehmen der Welt zählt, dass der Konzern aus Seattle immer neue Geschäftsfelder erobert und etablierte Händler rund um den Globus das Fürchten lehrt, liegt an einem Mann, der ungewöhnlich zurückhaltend, fast schüchtern auftritt. Der in Harvard ausgebildete Andy Jassy hat mal als Assistent von Gründer Jeff Bezos angefangen. Früh hat vor allem er die Idee vorangetrieben, die Rechenzentren von Amazon auch an Außenstehende zu vermieten. „Dass das Geschäft einmal so groß werden könnte, hat niemand von uns vorhergesehen“, sagt der heutige Stellvertreter von Bezos bescheiden.

Es ist wirklich gewaltig groß geworden. Kunden und Händler kennen Amazon heute vor allem als unumschränkten Marktführer im Onlineversand. Mit dem Verkauf aller möglichen Güter hat der größte Internetshop der Welt allein im vergangenen Jahr rund 160 Milliarden Dollar umgesetzt. Doch wirklich viel verdient er dabei nicht.

Umso lukrativer ist die Sparte von Jassy. Für satte 90 Prozent des Konzerngewinns von drei Milliarden Dollar waren die Amazon Web Services (AWS) verantwortlich. Und das Geschäft boomt weiter: Im vierten Quartal 2017 wuchs der Umsatz der Sparte im Vergleich zum Vorjahr um 45 Prozent, auf gut fünf Milliarden Dollar. Das waren zwar gerade mal elf Prozent aller Erlöse. Doch ohne die Profite von AWS wäre die aggressive Expansion des Konzerns auf anderen Feldern ebenso unmöglich gewesen wie der Aufstieg von Bezos vom Finanzanalysten zum reichsten Mann der Welt.

von Matthias Hohensee, Georg Buschmann, Frank Doll

Der 54-jährige Mann mit der markanten Glatze ist das Gesicht des Konzerns, der Charismatiker entwirft Visionen und poltert gern auch mal laut drauflos. In seinem Schatten hat der vier Jahre jüngere Jassy im vergangenen Jahrzehnt ein weltumspannendes Netz aus Rechenzentren aufgebaut. In den weltweit 53 sogenannten „Availability Zones“ befinden sich teilweise sogar zwei oder mehr Rechenzentren. Die Standorte reichen von der amerikanischen West- und Ostküste über Europa und das indische Mumbai bis nach Singapur, Peking und Sydney. Auf die Leistung der dortigen Rechner kann jeder zugreifen – egal, ob Privatnutzer, Start-up-Unternehmer, Mittelständler oder Großkonzern. AWS ist damit der weltweit größte und wichtigste Anbieter im Cloud Computing, der Vermietung von IT-Dienstleistungen über das Internet.

Doch die Gewinnmaschine ist bedroht. In der kommenden Woche verhandeln die Richter des amerikanischen Supreme Court einen Fall, der die Grundregeln des Cloud Computing betrifft. Sie wollen entscheiden, ob US-Behörden künftig auch auf Daten zugreifen dürfen, die im Ausland gespeichert sind. Sollten die obersten Richter das erlauben, dürfte das etliche internationale Kunden so verschrecken, dass sie sich von den bisher dominierenden US-Anbietern abwenden. Womöglich könnten die Juristen damit sogar König Bezos aus seinem Wolkenreich vertreiben.

Angst vor der NSA

Mit dem seit 2013 laufenden Verfahren will die US-Regierung Microsoft dazu zwingen, ihr Daten zu übermitteln, die in einem europäischen Rechenzentrum gespeichert sind. Die erste Instanz hat in ihrem Sinne entschieden, in der Berufung bekam Microsoft recht. Der oberste Gerichtshof wird den Streit vermutlich im Sommer endgültig entscheiden. Sollte er der Vorinstanz widersprechen und der US-Regierung recht geben, dürfte das viele europäische Unternehmen in die Arme europäischer Cloud-Anbieter wie SAP treiben.

„Ein Urteil zugunsten der US-Regierung würde dem weiteren Wachstum der Cloud-Branche, die fest in der Hand amerikanischer Unternehmen liegt, einen enormen Dämpfer verpassen“, sagt Axel Oppermann, Chef des IT-Analysehauses Avispador aus Kassel. Dass US-Institutionen wie die Sicherheitsbehörde NSA dann auch auf mögliche Geschäftsgeheimnisse und sensible Kundendaten zugreifen könnten, würden viele Unternehmen kaum akzeptieren. Schließlich dachten sie bisher, dass ihre Daten schon deshalb sicher wären, weil sie in Frankfurt oder Mailand gespeichert sind.

Welche Folgen solche Bedenken haben könnten, zeigt die vom ehemaligen NSA-Mitarbeiter Edward Snowden losgetretene Spionageaffäre. Im Jahr 2014 prognostizierte der Thinktank Information Technology and Innovation Foundation (ITIF) in Washington, dass amerikanische IT-Anbieter wegen Snowdens Enthüllungen zwischen 10 und 20 Prozent ihrer Auslandsumsätze im Cloud-Geschäft einbüßen würden. Das entsprach rund 35 Milliarden Dollar zwischen 2014 und 2016.

Ob diese Prognose zutreffend war, lässt sich kaum ermitteln. „Doch heute wäre der Effekt prozentual ähnlich – aber absolut gesehen bei einem ungleich größeren Cloud-Markt deutlich größer“, vermutet Avispador-Analyst Oppermann. Kunden von AWS wollen sich nicht zu dem Thema äußern.

Die Folgen wären wohl auch in Deutschland enorm. Denn vor allem Amazon hat die lange überaus skeptischen Deutschen von den Vorzügen der Internetwolke überzeugt. Um den Datenschutz-Bedenken möglicher Kunden zu begegnen, hat der Konzern bereits Ende 2014 als einer der ersten US-Anbieter ein eigenes Cloud-Rechenzentrum in Frankfurt eröffnet. Inzwischen zählen Unternehmen wie der Fernbus-Marktführer Flixbus, der Armaturenhersteller Grohe, der Industriegigant Siemens und der Internetversender Zalando zu den Kunden. Amazon selbst gibt zudem an, dass zwei Drittel der Dax-Konzerne die Dienste nutzen.

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