Amazon will Filialen eröffnen Wie sich Buchhändler gegen den Handelsriesen wehren

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Kunden mit Sektempfängen und Filmabenden locken

Denn bei aller Dankbarkeit der Einwohner: Nachdem die Anfangseuphorie abflaute, ist der Buchladen kein Selbstläufer. Eine Alleinstellung ist noch kein Verkaufsargument, Amazon ist immer nur einen Mausklick entfernt. „Wir müssen deshalb die Leute immer wieder neu ansprechen“, sagt Effgen, „mit Frühlingsfesten und Sektempfang. Sonst übernimmt Amazonien.“

Immerhin: Der Aufwand, zu dem ein monatlicher Filmabend samt Dinner gehört, den Effgen mit seiner Frau im Stadttheater organisiert, lohnt. Der Umsatz steigt leicht, das vergangene Jahr konnte Schulz-Ebrecht mit einem zarten Plus von 3000 Euro abschließen. Auch weil Wagner und Effgen auf Lohn verzichten. „Das Wichtigste ist doch: Oberstein hat immer noch eine Buchhandlung.“

Bücher, Glanz und Glamour beim größten Kunstbuchverleger

Setzen Buchhändler Schwoll und Unternehmer Effgen auf individuelle Titelpalette und bodenständigen Lokalpatriotismus, ist Benedikt Taschen auf ganz etwas anderes aus: Er lockt Käufer mit Glanz und Glamour. Das verkörpert er gern auch persönlich, indem er sich mit Fotografen und Künstlern ebenso gern umgibt wie mit Filmstars. Der gebürtige Kölner ist einer der erfolgreichsten Kunstbuchverleger der Welt.

Unter anderem, weil er eigene Shops eröffnete. Schon vor der Krise der Buchhandlungen war er unzufrieden, wie die Kollegen seine Werke drapierten und sich aus mehr als 500 Titeln einzelne herauspickten. „Ich empfinde unsere Bücher als Familie“, sagt er. Und die gehört nun mal zusammen.

Im Jahr 2000 eröffnete Taschen seinen ersten Laden in Paris, der nur verlagseigene Bücher führt. 2003 folgte der Flagshipstore in Beverly Hills. Mittlerweile sind es zehn, von Mailand bis New York. Taschen imprägniert seine Läden gegen die Aufs und Abs der Branche, indem er sie als Buchboutiquen inszeniert und vom französischen Designer Philippe Starck entwerfen lässt.

In der Brüsseler Filiale signalisiert bereits der Türgriff in Form eines Astes, dass der Kunde einen Raum der Kunst betritt. Der Verlag legt großen Wert auf die richtige Lage und würde nie in die Einkaufsstraßen der Metropolen ziehen. Das hat auch praktische Vorteile: In Paris überzeugte der Verlag die Behörden, dass es weniger um Kommerz als um Kunst geht – er darf deshalb auch sonntags öffnen.

Kunden entdecken Buchläden wieder

Taschens Konzept mag aufwendig sein. Doch für den Kölner geht es offenbar auf. Im Sommer öffnet in Berlin in der Schlüterstraße unweit des Kurfürstendamms bereits der nächste Ableger – in Ziegel und Mörtel ausgeführter Beleg dafür, was im Buchhandel möglich ist. Auch diesseits von Amazonien.

Dass sich die Stimmung inzwischen auch bei den Lesern gewandelt hat und viele ihre Buchläden wiederentdecken, stimmt Maximilian Hugendubel ebenfalls optimistischer. Noch vor drei Jahren sei die Reaktion Außenstehender wenig aufbauend ausgefallen, wenn er von seinem Beruf erzählte: „Die Leute sagten: Oh, tut mir leid, euch gibt es ja bald nicht mehr.“ Die Phase sei überwunden, mittlerweile sehe er wieder eine Perspektive.

Osiander-Chef Heinrich Riethmüller will ebenfalls weitere Läden eröffnen oder übernehmen. Denn man habe in Logistik und Technologie investiert: „Mit jeder weiteren Fläche entwickeln sich die Kosten günstiger.“ Und damit klingt er schon gar nicht so viel anders als Amazon-Chef Jeff Bezos.

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