Es ist heiß in Deutschland. Ausreichend zu trinken ist wichtig, mahnen Expertinnen und Experten, gerade wenn man draußen unterwegs ist. Wer im Urlaub ins Restaurant geht, kennt es: Eine große Flasche stilles Wasser – oder eine Karaffe voll – kommt in Spanien, Frankreich, Italien, Griechenland oder auch Schweden automatisch mit auf den Tisch.
Doch in der Gastronomie hierzulande ist kostenloses Leitungswasser zum Durstlöschen immer noch verpönt. Restaurantbetreiber verkaufen lieber teures Mineralwasser. Da hat auch die EU-Trinkwasserrichtlinie, die Anfang 2021 in Kraft getreten ist, nichts geändert – sie stellt keine Verpflichtung für Restaurantbetreiber dar. Vielmehr ist sie eine Anregung, Leitungswasser gratis oder gegen eine geringe Gebühr bereitzustellen.
In Deutschland sträubt sich vor allem die Gastronomie-Lobby Dehoga dagegen, schreibt die „Zeit“: Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges sagte dem Blatt, es sei gut, dass die Preisgestaltung in Deutschland eine Sache der Gastronomen sei. Sie argumentiert, der Service, die Reinigung von Gläsern und Tischen sei eben mit Aufwand verbunden.
Ausgerechnet im Hochpreis-Segment, heißt es in dem Bericht weiter, findet hingegen ein Umdenken statt. In Nobelrestaurants servierten einige Küchen nur noch gefiltertes Leitungswasser, auf Wunsch mit Kohlensäure versetzt. Oder es ist im Menüpreis enthalten.
In Paris zapfen sogar Händler kostenlos Leitungswasser für Passantinnen und Passanten
Da sind Händler sogar schon weiter. In Paris beispielsweise: Dort haben die Wasserwerke im Frühjahr bereits eine Aktion gestartet, bei der Geschäfte kostenlos die Trinkflaschen der durstigen Einwohner und Touristen auffüllen. 500 Läden machen mit und möglichst viele weitere werden gesucht, wie die Stadt mitteilte. Die Geschäfte machen mit einem Aufkleber „Ici je choisis l'eau de Paris“ (Hier wähle ich das Wasser von Paris) auf den Service aufmerksam, der nicht zu irgendeinem Kauf oder Konsum verpflichtet. Auf einer Online-Karte können die Läden lokalisiert werden, ebenso wie die rund 1200 Brunnen und öffentlichen Wasserzapfstellen in Straßen und Parks der Hauptstadt.
Jede zweite Pariserin und jeder zweite Pariser trinke außerhalb des Hauses Wasser und drei Viertel der jährlich 33,8 Millionen Touristen kauften bei einem Paris-Besuch Plastikflaschen mit Wasser, begründete die Stadt die Aktion. Nur jede zweite Flasche aber finde den Weg zum Recycling, Millionen weggeworfener Plastikflaschen seien die Folge, deshalb solle die Benutzung von Trinkflaschen gefördert werden.
Kostenloses Leitungswasser? In Deutschland noch schwer zu finden
In Deutschland gibt es keine Pläne für ein solches Engagement, heißt es vom Handelsverband Deutschland auf Anfrage unserer Redaktion. Ein Sprecher spricht mit Blick auf Paris von einer Marketingaktion. Auch gibt es keine Erfassung darüber, wie viele Geschäfte von sich aus Leistungswasser anbieten. Bislang kennt man hierzulande Wasserspender insbesondere aus manchen Drogeriemärkten, Universitäten und Hochschulen oder an Flughäfen. Ehrenamtliche Aktionen wie „Refill Deutschland“ wollen mehr Tempo machen und rufen Geschäfte und Gastronomen dazu auf, kostenloses Trinkwasser anzubieten. Wer das macht, klebt sich dann einen blauen Sticker auf die Schaufensterscheibe, um Passantinnen und Passanten auf das Angebot aufmerksam zu machen.
Geht man die Liste mit dem Gratis-Wasserangebot durch, landet man häufig bei Unverpackt-Läden, Anbietern von Biowaren und Yoga-Studios – aber auch bei einigen Cafés. Dazu gehört auch die große Kaffee-Kette Starbucks. Sie ist bereits seit 2018 Teil der Refill-Aktion und bietet kostenloses Leitungswasser an. Leitungswasser auszuschenken sei ein einfacher Weg, um einzeln verpackte Flaschen zu vermeiden, hieß es vom Unternehmen in einer Mitteilung.
Viele Deutsche trinken täglich Leitungswasser – vor allem die Jüngeren. Laut einer Forsa-Umfrage, die die Techniker Krankenkasse 2019 beauftragt hat, trinken 67 Prozent der 18- bis 39-Jährigen täglich beziehungsweise oft Leitungswasser. Trinkwasser hierzulande wird streng kontrolliert, eine Trinkwasserverordnung legt hohe Standards fest. Die Wasserversorger haften für trinkbares Leitungswasser, ab der Übergabestelle zum Haushalt endet die jedoch.
Pariser Wasserwerke wollen auch Büros, Hotels und Restaurants zum Trinkwasser-Angebot animieren
Kürzlich legten die Pariser Wasserwerke außerdem ein Konzept zum Kampf gegen Plastikflaschen vor. Darin heißt es unter anderem, dass das Pariser Leitungswasser nach Analysen von derselben Qualität wie Mineralwasser aus der Flasche ist, allerdings 200 bis 300 Mal weniger kostet und einen 1000 Mal geringeren CO2-Abdruck hat.
Damit möglichst viele Menschen von Mineralwasser aus Plastikflaschen auf Leitungswasser umsteigen, beinhaltet das Pariser Konzept konkrete Schritte für Beschäftigte in Büros, für Kultur- und Sportereignisse, Hotels und Restaurants sowie Krankenhäuser und Schulen.
Mit Material von dpa
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Transparenzhinweis: Dieser Artikel wurde erstmals im Mai 2022 veröffentlicht – wir haben ihn aktualisiert.