Andreas Mundt 2014, das Rekordjahr des Bundeskartellamts

Der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, freut sich über Rekordeinnahmen und wehrt sich gegen den Vorwurf der Geheimniskrämerei.

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Andreas Mundt Quelle: dpa

WirtschaftsWoche: Herr Mundt, das Bundeskartellamt steuert auf ein Rekordjahr zu. Noch nie hat Ihre Behörde so hohe Bußgelder verhängt. Ist das Kartellamt die neue Cash Cow der Bundesregierung?
Amdreas Mundt: Wir werden in diesem Jahr Bußgelder in Höhe von mehr als eine Milliarde Euro verhängen. So hoch war die Summe tatsächlich noch nie. Allerdings handelt es sich um ein Ausnahmejahr. Wir haben drei sehr große Fälle abgeschlossen. Beim Zucker-, Bier- und Wurstkartell lagen die Strafen jeweils über 300 Millionen Euro.

Zur Person

Sie dürften dennoch inzwischen der beste Freund von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sein?
Herr Schäuble begrüßt sicherlich jede Einnahme für den Bundeshaushalt. Mit welcher Höhe an Sondereinnahmen der Bundesfinanzminister rechnen kann, ist derzeit allerdings noch nicht klar. Oft klagen Kartellanten gegen unsere Entscheidung. Dann zieht sich der Vollzug der Strafe hin.

Mit vielen Bußgeldbescheiden rechnen Sie im nächsten Jahr?
Das kann man nicht prognostizieren. Vor einem Jahr hätte ich den Kopf geschüttelt, wenn mir jemand gesagt hätte, das Bundeskartellamt würde 2014 Strafen in Höhe von einer Milliarde Euro verhängen. Es ist derzeit nicht absehbar, wie viele und welche Fälle wir im kommenden Jahr abschließen werden. Das hängt beispielsweise davon ab, wie ergiebig die Zeugen sind und ob die Unternehmen mit uns bei der Aufklärung der Fälle kooperieren.

Millionenbuße gegen Briefumschlag-Hersteller
BriefumschlägeVerbraucher in Europa haben jahrelang zu viel für Briefumschläge gezahlt. Wegen unerlaubter Zusammenarbeit mit Konkurrenten müssen der Heilbronner Briefumschlag-Hersteller Mayer-Kuvert und vier weitere Firmen ein Bußgeld von insgesamt fast 19,5 Millionen Euro zahlen, entschied die Brüsseler EU-Kommission am 11. Dezember 2014. Auf Mayer-Kuvert entfallen dabei knapp 5 Millionen Euro. Ebenfalls an dem Kartell beteiligt waren die schwedische Firma Bong, der spanische Hersteller Tompla sowie GPV und Hamelin aus Frankreich. Mayer-Kuvert hat inzwischen GPV übernommen. Die Firmen haben sich nach Erkenntnissen der EU-Kommission von Oktober 2003 bis April 2008 abgesprochen - Hamelin stieß allerdings erst im November 2003 dazu. „Mehr als vier Jahre lang haben diese Umschlaghersteller, anstatt in fairen Wettbewerb zu treten, künstliche Preiserhöhungen in einer Reihe von Mitgliedsstaaten vereinbart“, so EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. „Das Kartell wurde von Top-Managern betrieben.“ Quelle: dpa
LebensmittelkonservenVerbraucher in ganz Europa haben mehr als ein Jahr lang zu viel für Pilzkonserven bezahlt. Die Hersteller Bonduelle, Prochamp und Lutèce haben ab September 2010 Preise abgesprochen und den Markt untereinander aufgeteilt. Die EU-Kommission verhängte deshalb im Juni 2014 gegen die französische Firma Bonduelle eine Geldstrafe in Höhe von 30,2 Millionen Euro, auf Prochamp aus den Niederlanden entfallen zwei Millionen Euro - das Unternehmen profitiert von einer Minderung der Strafe um 30 Prozent, weil es mit der EU-Kommission kooperierte. Lutèce aus den Niederlanden kommt ungeschoren davon, da es die Wettbewerbshüter auf die unerlaubte Zusammenarbeit aufmerksam machte. Betroffen waren Pilze in Dosen und Gläsern, die als Eigenmarken des Handels verkauft wurden. Quelle: Screenshot
BiermarktDas Kartellamt hat im April 2014 entschieden: 231,2 Millionen Euro Bußgeld müssen die Brauereien zahlen. Mitte Januar 2013 hatte das Bundeskartellamt bereits Bußgelder in Höhe von 106,5 Millionen Euro verhängt. Kartellamtspräsident Andreas Mundt sagt, es sei sehr unwahrscheinlich, dass sich Brauereien nach diesem Verfahren noch einmal in Absprachen wagen würden. Es geht um Vorgänge aus den Jahren 2006 bis 2008. Betroffen sind unter anderem Bitburger, Krombacher, Veltins und Warsteiner. Die Branche soll Preiserhöhungen für Fass- und Flaschenbier abgesprochen haben. Bei Flaschenbier sei dabei der Preis für einen Kasten Bier 2008 um einen Euro gestiegen. Das Kartellverfahren geht auf Informationen des Beck's-Herstellers Anheuser-Busch InBev Germany zurück, der als Kronzeuge ohne Geldbuße bleibt. Mit dem neu verhängten Bußgeld addiert sich die Summe auf fast 340 Millionen Euro auf - eine der höchsten Strafe in der Geschichte des Kartellamtes. Die auf Ernährung spezialisierte Verbraucherschützerin Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg bezifferte den Schaden allein durch die Absprachen über das Flaschenbier in einem Jahr - grob geschätzt - auf über 400 Millionen Euro. Quelle: dpa
KugellagerDie EU-Kommission hat im März 2014 gegen den Autozulieferer Schaeffler und mehrere andere Firmen wegen verbotener Preisabsprachen bei Kugellagern ein Bußgeld von insgesamt fast einer Milliarde Euro verhängt. Die höchste Strafe entfalle auf Schaeffler mit 370,5 Millionen Euro, teilten die Wettbewerbshüter mit. Der schwedische Konzern SKF müsse 315,1 Millionen Euro zahlen. Zudem seien mehrere japanische Firmen verdonnert worden. Das Kartell habe von 2004 bis 2011 Preise abgesprochen. Quelle: dpa
Preisabsprachen bei TapetenHeimwerker haben nach Ermittlungen des Bundeskartellamtes von Ende Februar 2014 jahrelang zu viel Geld für Tapeten bezahlt. Die Bonner Wettbewerbsbehörde verhängte gegen vier Hersteller und ihren Verband wegen unerlaubter Preisabsprachen Bußgelder in Höhe von 17 Millionen Euro. Zwischen 2005 und 2008 hätten die in Deutschland führenden Unternehmen zu Lasten ihrer Kunden auf Verbandstagungen Preiserhöhungen abgesprochen, erklärte Kartellamtspräsident Andreas Mundt. Auf den Marktführer A.S. Création Tapeten AG entfällt allein eine Summe von 10,5 Millionen Euro. In einer Pflichtmitteilung an die Börse kündigte das Gummersbacher Unternehmen an, beim Oberlandesgericht in Düsseldorf Einspruch gegen den Bescheid des Kartellamtes einzulegen. Die Behörde habe die Argumente, die gegen kartellrechtliche Verstöße sprechen, nicht ausreichend gewürdigt. Außerdem sei die Höhe der Bußgelder unangemessen, hieß es zur Begründung. Die Tapetenfabrik Rasch, die den Fall als Kronzeuge ins Rollen gebracht hatte, kam in den Genuss der Bonusregelung und damit ohne Geldbuße davon. Neben A.S. Création wurden auch gegen die Marburger Tapetenfabrik Schaefer, Erismann (Breisach), Pickhardt + Siebert (Gummersbach) und den Verband Deutscher Tapetenfabriken Geldbußen verhängt. In dem Fall sei eine Funktion dazu missbraucht worden, die Absprache der Hersteller aktiv zu unterstützen, betonte Mundt. Quelle: dpa
Preisabsprachen bei Haushalts- und Industriezucker Das Bundeskartellamt hat im Februar 2014 gegen drei große deutsche Zuckerhersteller wegen verbotener Absprachen Bußgelder in Höhe von rund 280 Millionen Euro verhängt. Die Wettbewerbsbehörde wirft den Unternehmen Pfeifer & Langen, Südzucker und Nordzucker vor, sich über viele Jahre hinweg über Verkaufsgebiete, Quoten und Preise abgesprochen zu haben. Ziel sei es gewesen, möglichst hohe Preise für Haushalts- und Industriezucker zu erzielen. Teilweise sei es durch die Kartellrechtsverstöße nach Aussagen von Industriekunden zu erheblichen Preissteigerungen und sogar zu Versorgungsengpässen gekommen. Quelle: dpa
Preisabsprachen bei GummiteilenWegen jahrelanger Preisabsprachen bei Gummiteilen muss der Autozulieferer Bridgestone eine Strafe von 425 Millionen Dollar (311 Millionen Euro) zahlen. Das Justizministerium geht seit einiger Zeit scharf gegen Kartelle in der Autozulieferbranche vor. Insgesamt 26 Firmen haben sich schuldig bekannt oder angekündigt, dies zu tun. Die Strafen summieren sich mittlerweile auf mehr als zwei Milliarden Dollar. Bridgestone trifft es nun besonders hart, weil das Unternehmen vor zweieinhalb Jahren schon einmal für Absprachen belangt wurde und damals mit 28 Millionen Dollar büßte. Bridgestone verdient sein Geld zwar weiterhin überwiegend mit Reifen, produziert jedoch unter anderem auch Fahrwerkskomponenten. Im Fall von Februar 2014 ging es um Gummiteile, die zur Schwingungsdämpfung im Auto eingesetzt werden. Die Absprachen zwischen verschiedenen Herstellern haben nach Erkenntnissen der US-Justiz von Anfang 2001 bis Ende 2008 gedauert. Zu den Geschädigten gehörten demnach unter anderem die Autobauer Toyota und Nissan. Sie haben auch Werke in den USA. Bridgestone kündigte an, dass die beteiligten Mitarbeiter zur Rechenschaft gezogen würden. Zugleich versicherte das Unternehmen, dass das Management nichts gewusst habe. Führungskräfte würden auf einen Teil ihres Gehalts verzichten, „um das aufrichtige Bedauern für diesen Vorfall zu unterstreichen“, wie Bridgestone erklärte. Quelle: dapd

Dennoch steigt die Zahl der Kartelle seit Jahren. Ist in den Unternehmen mehr kriminelle Energie vorhanden als früher?
Das glaube ich nicht. Im Gegenteil nehmen die Chefetagen das Verbot von Preisabsprachen inzwischen sehr ernst. Ihnen ist klar geworden, dass die Verwicklung in Kartelle ein erhebliches Risiko darstellt. Viele Kartellanten zeigen sich inzwischen selber an. Gleichzeitig hat auch das Thema Compliance an Bedeutung gewonnen.

Wie erklären Sie sich denn das hohe Wachstum an Kartellen in jüngster Zeit?
Die hohe Anzahl von Verfahren erklärt sich in erster Linie aus der Kronzeugenregelung, die wir seit 2000 anwenden und vor acht Jahren novelliert haben. Jeder zweite Kartellfall geht inzwischen auf die Kronzeugenregelung zurück. Unternehmen, die mit ihrer Anzeige ein Kartell aufdecken oder zur lückenlosen Aufklärung des Falls beitragen, können straffrei ausgehen. Ausschlaggebend ist, wer sich bei uns zuerst meldet. Der Zeitpunkt ist wichtig.

Es gibt aber auch Kritik an dem Vorgehen. Sünder können sich freimachen von Schuld und jede Strafzahlung verhindern.
Ohne die ausführliche Auskunft eines Unternehmens, das an einem Kartell beteiligt gewesen ist, hätten wir oft kaum eine Chance, ein Kartell zu Fall zu bringen und restlos aufzuklären. Meist stimmen sich die Mitglieder eines Kartells mündlich ab. Ohne die Hinweise eines Kronzeugen wären in solchen Fällen die Aufdeckung und der Beweis der Tat sehr schwierig.

Oft einigen sich Unternehmen auf einen Deal mit dem Kartellamt. Warum diese Geheimniskrämerei, wenn die Schuld doch naheliegt?
Da gibt es keine Geheimniskrämerei. Das Unternehmen wird mit einem Bußgeld belegt und wir berichten darüber in gleicher Weise, wie über die streitig abgeschlossenen Verfahren. Wir können durch ein sogenanntes Settlement den Fall abkürzen und Personalkapazitäten einsparen. Es kann auch im Interesse der Unternehmen liegen, das Verfahren zu beschleunigen. Außerdem bieten wir ihnen einen Settlement-Abschlag von bis zu zehn Prozent.

Geschädigte Unternehmen kritisieren, das Kartellamt würde dadurch nicht mehr alle relevanten Informationen recherchieren...
Zu dem Zeitpunkt zu dem wir eine einvernehmliche Einigung anbieten, ist der Fall umfassend ausermittelt. Unsere Erkenntnisse werden den Unternehmen mitgeteilt. Das ist die Voraussetzung dafür, dass wir uns mit den Kartellunternehmen in ein Settlement-Gespräch begeben. Jedes geschädigte Unternehmen kann im Nachgang Einsicht in die Akten beantragen und Schadensersatz fordern.

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse bleiben den Geschädigten aber vorenthalten, genauso wie die Aussagen des Kronzeugen...
... Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse können immer und überall nur in besonderen Ausnahmefällen eingesehen werden. Das ist im Kartellrecht nicht anders als bei der Staatsanwaltschaft oder vor Gericht. Eine Besonderheit stellen lediglich die Aussagen des Kronzeugen dar. Hier sind die Einsichtsmöglichkeiten in der Tat begrenzt.

Ist das sinnvoll? Bei den geschädigten Unternehmen geht es oft um Schäden in Höhe von mehreren Hundert Millionen Euro.
Das ist das Ergebnis einer Abwägung zwischen effektiver Kartellverfolgung insgesamt und den nachvollziehbaren Interessen im Einzelfall. Das Bundeskartellamt hat vor allem im Blick, Kartelle aufzudecken damit Märkte wieder besser funktionieren. Für die Wiedergutmachung einzelner Schäden steht in Deutschland ein sehr leistungsfähiges zivilgerichtliches System zur Verfügung. Wir benötigen Informationen, an die wir ohne Kronzeugen nicht heran kommen würden. Für den Bußgelderlass müssen die Unternehmen alle Informationen auf den Tisch legen. Das würden sie nicht tun, wenn sie sich damit automatisch auch vor den geschädigten Unternehmen entblößen würden.

Kein Lob trotz Ausnahmejahr

Zu Schadensersatzzahlungen sind sie doch ohnehin verpflichtet…
…als Kronzeuge wäre man dann aber automatisch der bevorzugte Klagegegner. Wenn wir alle Informationen preisgeben würden, die der Kronzeuge uns zur Verfügung stellt, würde er bei Schadensersatzforderungen im Vergleich zu den anderen Kartellmitgliedern schlechter gestellt werden. Das würde seine Bereitschaft, voll umfänglich auszusagen, von vornherein mindern.

Bis 2005 hat Ihre Behörde die Strafe in Abhängigkeit zum Kartellerlös erhoben...
...was dazu geführt hat, dass sich die Fälle um Monate und Jahre hinausgezogen haben. Die Unternehmen haben gegen die Bußgeldhöhe geklagt, die den dreifachen Mehrerlös des Kartells ausmachen konnte. Da gab es dann Gutachten und Gegengutachten. Das war ein Tummelplatz für divergierende ökonomische Ansichten.

Die spektakulärsten Kartellfälle
Verdacht verbotener Preisabsprachen im Großhandel mit Pflanzenschutzmitteln Quelle: dpa
Jemand fährt Fahrrad auf einem gepflasterten Weg Quelle: dpa/dpaweb
Magna Quelle: AP
Anna Kurnikova Quelle: dpa
U-Bahn Quelle: AP
Schriftzug von Villeroy und Boch Quelle: dpa
Bratwürste Quelle: dpa

Aber dieser von Ihnen ermittelte Mehrerlös war ein guter Ansatzpunkt für die Höhe der Schadensersatzzahlungen...
Richtig. Aber mit der Folge, dass unsere Fälle deutlich aufwendiger waren, als sie es ohnehin sind. Auch hier sehen wir das Spannungsverhältnis zwischen effektiver Kartellverfolgung und den Interessen einzelner Geschädigter. Heute beträgt der Bußgeldrahmen bis zu zehn Prozent des Umsatzes eines Unternehmens. Diese gesetzliche Regelung wurde aus Europa übernommen. Die Bußgeldbemessung orientiert sich nach wie vor an der Schwere und der Dauer der Tat und damit auch am Schadens- und Gewinnpotential, das Kartellverstößen innewohnt. Die geschädigten Unternehmen profitieren zunächst einmal davon, dass sie nach der Beendigung eines Kartells durch uns wieder niedrigere, marktübliche Preise bezahlen. Außerdem: Würden wir die Fälle nicht aufdecken, gäbe es überhaupt keine Möglichkeit Schadensersatz einzufordern. Unternehmen können sich darüber hinaus auch auf anderem Wege absichern.

Wie denn?
Es gibt die Möglichkeit, in die Verträge mit den Lieferanten einen Passus aufzunehmen, der den Auftraggebern bei Kartellverstößen einen pauschalen Schadensersatz zusichert.

Kritiker behaupten, die Strafen in Deutschland seien zu hoch, die USA müssten Vorbild sein. Stimmen Sie dem zu?
Nein. Es ist eine Mär, dass Deutschland zu streng ist und die USA milde. Die USA haben ein ganz anderes Rechtssystem, in dem die Unternehmen und die Manager ebenso hart – aber zum Teil anders – sanktioniert werden. Kartellabsprachen sind dort eine Straftat. Die durchschnittliche Haftstrafe bei Kartellvergehen liegt bei 24 Monaten. Hinzu kommen hohe Bußgelder und Schadensersatzforderungen. Unternehmen, die in Kartelle verstrickt sind, werden dort sicherlich nicht geschont.

Neben der Kartellverfolgung ist Ihre Behörde auch für Fusionen und sonstige Wettbewerbsbeschränkungen zuständig. Halten Sie eigentlich jede früher getroffene Entscheidung heute noch für richtig?
Natürlich ist man nachher immer schlauer. Wir müssen für unsere Entscheidungen Prognosen über die Entwicklung von Märkten anstellen. Zwar ökonomisch fundierte – aber eben doch Prognosen. In der Rückschau kann man nach einigen Jahren vielleicht zu anderen Schlüssen kommen.

Zum Beispiel bei der verbotenen Übernahme von ProSiebenSat.1 durch Springer vor vier Jahren?
Sie fragen mich nach einer Entscheidung aus dem Jahre 2006 in einer Branche, die derzeit wie keine zweite einen revolutionären Wandel durch das Internet vollzieht. Die Entscheidung war richtig. Das hat nicht nur der Bundesgerichtshof bestätigt, das sagen auch viele in der Branche. Heute sehen wir eine immer stärkere Konvergenz der Medien. Es gibt IPTV, Google und andere neue Player stellen sich in verschiedensten Märkten auf. Die traditionellen Geschäftsmodelle der Medienunternehmen funktionieren nicht mehr so wie früher. Prognosen können immer nur über einen begrenzten Zeitraum getroffen werden. Sie bräuchten hellseherische Fähigkeiten, um knapp zehn Jahre Marktentwicklung vorauszusehen. Mit unseren Entscheidungen sorgen wir aber damals wie heute dafür, dass die Märkte überhaupt die Möglichkeit haben, sich zu entwickeln.

Dennoch greifen Sie als Behörde erstaunlich oft ein...
Natürlich stören sich viele in der Wirtschaft, wenn der Staat eingreift. Es melden sich aber vor allem diejenigen zu Wort, die eine entsprechende Lobby haben. Die Stimme der Verbraucher ist leise. Lob kriegen wir deshalb nicht so oft oder nicht so laut.

Braucht Europa ein unabhängiges Kartellamt?
Derzeit liegt die Zuständigkeit für den Wettbewerbsschutz in Europa bei der Europäischen Kommission, genau genommen bei der Generaldirektion Wettbewerb. Die machen einen guten Job.

Und wer bekommt einen grenzüberschreitenden Kartellfall?
Da sprechen wir uns ab. Wer den Fall übernimmt, entscheiden wir ganz unbürokratisch. Und über das Hochsicherheits-Intranet des Europäischen Netzwerkes der Wettbewerbsbehörden sind wir gegenseitig über alle Fälle informiert.

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