Angeschlagene Schuhhändler Verkauft statt insolvent: Reno wechselt den Besitzer

Die Schuhgeschäftekette Reno soll Verkauft werden. Quelle: imago images

Deutschlands zweitgrößter Schuhfilialist Reno bekommt neue Eigentümer: Der Verkauf des kriselnden Händlers vermeidet radikale Lösungen – bis hin zur Insolvenz. Reno steht beispielhaft für die Probleme des Einzelhandels.

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Das Management und die Gesellschafter der Osnabrücker HR Group haben beschlossen, die Schuhhandelskette Reno samt Onlineshop und Filialen in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu verkaufen und sich fortan auf das Systemgeschäft sowie die Logistiksparte zu konzentrieren. Käufer sind die Einzelhandelsgruppe cm.sports sowie deren Kooperationspartner GA Europe. Letzterer ist nach eigenen Angaben „im Handel in Europa aktiv und darauf spezialisiert herausfordernde Situationen im Handel durch Einsatz von Retail-Knowhow und Kapital zu lösen“.

Hinter cm.sports stehen nach Informationen der WirtschaftsWoche die Unternehmer Christian und Meike Müller mit ihrer CM Solutions mit Sitz in Hannover. Die beiden Gesellschafter wurden in früheren Mitteilungen als „ausgewiesene Experten im Handel mit langjährigen erfolgreichen verantwortlichen Aufgaben in Filialunternehmen für Bekleidung und Schuhe“ bezeichnet. Gemeinsam mit dem GA Europe hatten sie im Juli 2020 schon den Betrieb und Warenbestand des Outdoor-Händlers McTrek aus der Insolvenz übernommen, der sich inzwischen im Besitz der Zeitfracht-Gruppe befindet. 

Was haben die neuen Reno-Eigentümer vor?

Bei der Reno-Übernahme sollen alle in den Filialen beschäftigen Mitarbeiter sowie der Außendienst übernommen werden. Die Standorte würden unter dem Markennamen Reno weitergeführt, teilten die Unternehmen mit. Reno soll künftig als „echte Alternative für Clever Shopping“ positioniert werden und sich mit einem „Mix aus attraktiven Handels- und Eigenmarken an die ganze Familie“ wenden. Zudem planen die neuen Eigentümer, die Vernetzung zwischen stationärem Geschäft und Onlinegeschäft voranzutreiben. In den Filialen plant GA Europe in den nächsten Monaten zunächst Sonderverkäufe, um für das neue Sortiment Platz zu schaffen.

Mit der Neuausrichtung will sich die HR Group laut Pressemitteilung auf ihre Kernstärken konzentrieren. So gehöre die Gruppe im Systemgeschäft zu den Marktführern. Diese Position wolle das Unternehmen nun ausbauen. Zudem soll das Geschäft mit Drittkunden in der Logistik Fahrt aufnehmen. Gleichzeitig findet ein Wechsel im Management statt. Der bisherige Unternehmenschef Steffen Rosenbauer geht und seine Mitgeschäftsführer Gabriele Kreis-Schiemann und Uwe Niemann übernehmen als Doppelspitze die Führung.

Reno gehörte bereits seit dem Jahr 2000 zu der Osnabrücker Schuhhandelsgruppe. Dass sich das Unternehmen nun von seiner bekanntesten Marke trennt, dürfte auch an der angespannten Lage im Einzelhandel liegen. Seit Monaten verdüstert sich die Stimmung in der Branche. Erst am Montag verkündete das Münchner Ifo-Institut, dass die Geschäftserwartungen der Einzelhändler auf ein historisches Tief gefallen sind. Auch die Einkaufslust der Verbraucher ist eingebrochen. Viele Haushalte seien derzeit gezwungen, deutlich mehr Geld für Energie auszugeben oder für spürbar höhere Heizkostenabrechnungen zurückzulegen, heißt es beim Marktforscher GfK. Gleichzeitig zehren höhere Lebensmittelpreise an den Einkaufsbudgets der Verbraucher.

Angesichts der Lage stutzten zuletzt bereits die börsennotierten Online-Modehändler About You und Asos ihre Prognosen und zogen die Aktienkurse von Wettbewerbern wie Zalando, Ahlers und Gerry Weber mit nach unten. Noch heftiger erwischte es den Reno-Wettbewerber Görtz, der Anfang September Insolvenz in Eigenverwaltung anmeldete. Der Krieg in der Ukraine, die Inflation und steigende Energiepreise hätten „zu enormer Kaufzurückhaltung in den Filialen und im Onlinegeschäft“ geführt, begründete das Unternehmen den Schritt. Tatsächlich liegen die Krisenursachen zwar tiefer – kämpft Görtz doch bereits seit Jahren mit strukturellem Gegenwind – doch der Käuferstreik verschärfte die Situation. Hinzu kamen die Aus- und Nachwirkungen der Corona-Pandemie, die der Branche bis heute zu schaffen machen.  

Hohe Mieten als Problem

„Grundsätzlich ist es so, dass viele Stores der größeren Filialbetriebe im Schuh- und Modehandel in vormals frequenzstarken City-Lagen noch immer unter den rückläufigen Besucherfrequenzen leiden“, sagt etwa Siegfried Jacobs, Vize-Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Textil Schuhe Lederwaren. Vielfach fehlten den großen Einkaufsmetropolen weiter internationale Touristen und Messebesucher. Zudem würden hohe Mieten belasten, die jetzt aufgrund der vielerorts schwächelnden Frequenzen und Umsätze „nicht mehr erwirtschaftet werden können“, so Jacobs gegenüber der WirtschaftsWoche.

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Dies gilt auch als eines der zentralen Probleme von Reno. Und die Reserven sind seit Corona aufgezehrt: „Die extremen Belastungen der vergangenen zwei Jahre haben einige Filialisten sehr geschwächt“, konstatiert Jacobs. Vor allem die großen Modeketten seien bei den staatlichen Überbrückungshilfen durchs Raster gerutscht. Sie „konnten sich nur über KfW-Kredite über Wasser halten, die allerdings verzinst und nun getilgt werden müssen“, sagt Jacobs. 

Auch bei der HR Group gab es aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie zusätzlichen Finanzierungsbedarf, geht aus dem jüngsten verfügbaren Geschäftsbericht hervor. So hat das Unternehmen nach dem ersten Lockdown unter anderem vom Land Niedersachsen eine Finanzierungshilfe in Form einer neunzigprozentigen Ausfallbürgschaft in Höhe von 52 Millionen Euro erhalten. Auf dieser Basis wurde ein Konsortialkreditvertrag mit den Banken angepasst. Auch der zweite Lockdown schlug ins Kontor. „Die Finanzlage der HR Group ist erneut durch massive Umsatzausfälle und Liquiditätsengpässe gekennzeichnet“, heißt es im Geschäftsbericht für das Geschäftsjahr 2019/2020. Überbrückungshilfen und Gesellschafterdarlehen verschafften dem Unternehmen zwar Zeit. Doch die erhoffte Erholungsphase nach den Corona-Einschnitten fiel offenbar zu kurz aus.

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Erst vor wenigen Tagen hatte die Online-Plattform Surf4Shoes, bei der die HR Group seit 2018 Mehrheitsgesellschafter ist, Insolvenz angemeldet.  Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurde der erfahrene Sanierer Michael Pluta bestellt. Auch für Reno sollen bereits Sanierungsszenarien innerhalb eines Insolvenzverfahrens durchgespielt worden sein, heißt es in der Branche – zumindest als Plan B, falls ein Verkauf scheitert. Klar scheint aber auch ohne Insolvenz, dass die Restrukturierung von Reno erst begonnen hat.  

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