
Ach ja, die Sache mit den High Heels. Die hat den Kanadiern mächtig zu denken gegeben. Während die Kundinnen in Nordamerika beherzt zu Hochhackigem griffen, blieben die Absätze bei der deutschen Tochter Galeria Kaufhof überschaubar. Darüber wunderten sich Jerry Storch, Chef des kanadischen Handelskonzerns Hudson’s Bay Company (HBC), und sein Großaktionär Richard Baker vor ein paar Monaten. Womöglich liege es ja am Sinn der Deutschen fürs Praktische, fabulierten die Manager, oder auch an den vielen gepflasterten Straßen auf dem alten Kontinent. Da strauchelt man ja schließlich schneller. Wie auch immer, es gebe noch viel zu lernen, befanden die transatlantischen Handelsgranden.
Inzwischen zeigt sich, dass die Lernkurve offenbar nicht allzu steil verläuft. Unter kanadischer Führung geht es rapide abwärts mit Kaufhof. Das Geschäft lahmt, die Umsätze bröckeln, vor wenigen Wochen wurde im Kölner Hauptquartier der Chef ausgetauscht. Bisheriger Tiefpunkt: Der Warenkreditversicherer Euler Hermes schockte Kaufhof-Lieferanten und kappte rigide die bisherigen Kreditlimits. Ihre Forderungen gegen die Handelskette sind künftig zu einem weit geringeren Anteil abgesichert als bisher.
Erst nach teils hektischen Telefonaten gelang es der Kaufhof-Truppe ihre Geschäftspartner zu beruhigen. Einige Hersteller hätten zwar ihre Liefermengen reduziert, andere würden nun öfter Rechnungen schicken, aber alle würden das Unternehmen weiter mit Ware versorgen, heißt es intern. Der Schaden ist dennoch verheerend. Kaufhofs Zukunft steht infrage. In drei Szenarien spielt die Branche dabei durch, was aus der größten deutschen Warenhauskette wird.
Das ist die Hudson's Bay Company
Die Hudson´s Bay Company ist Kanadas größtes Kaufhaus und gilt als ältestes Unternehmen Nordamerikas. Die Geschichte von HBC begann 1670, als Charles II von England der Company Eigentum über Land und Bodenschätze in Kanada übertrug. Der damals vollständige Name der Unternehmung: „The Governor and Company of Adventurers of England trading into Hudson´s Bay“.
Rund 200 Jahre kontrollierte HBC vor allem den lukrativen Handel mit Pelzen, dann kaufte Kanada der Gesellschaft die Rechte wieder ab. HBC änderte daraufhin die Ausrichtung, stieg in den Großhandel ein und versorgte Siedler. Auch in der Schifffahrt und im Handel mit Öl und Gas war HBC tätig, bevor sich die Gesellschaft in den 1990er Jahren wieder auf den klassischen Einzelhandel konzentrierte.
Die Hudson’s Bay Company fokussierte sich stets auf Aktivitäten in Kanada und Nordamerika - bis 1970 war ihr Sitz aber London.
Die Historie der HBC ist derart eng mit der Kanadas verknüpft, dass seine Chefs bis heute Gouverneure heißen. Heute hat diesen Posten der US-Amerikaner Richard Baker inne, der das Unternehmen 2008 erwarb. Baker gilt als strategischer und ehrgeiziger Konzernlenker
Schon vor der HBC-Übernahme hatte Baker 2006 amerikanisch Traditionskaufhauskette Lord & Taylor für knapp eine Milliarde Euro gekauft und das Geschäft durch Beleihung der Immobilien finanziert. Auch den vollständigen Kauf der Hudson’s Bay Company im Jahr 2008 finanzierte Baker hauptsächlich durch Schulden. Für rund 2,2 Milliarden Euro kaufte HBC 2013 schließlich die amerikanische Nobelkette Saks Fifth Avenue und deren Ableger OFF 5th. Erneut die entscheidende Geldquelle: beliehene Immobilien. 2015 machte der Konzern klar, in Zukunft auch außerhalb des nordamerikanischen Marktes wachsen zu wollen - durch Zukäufe wie Kaufhof. Neuestes Projekt ist die Einführung der Discount-Luxuskette Saks Off 5th in Deutschland.
Neben der namensgebenden Hudson’s Bay Company gehören zum HBC-Imperium eine ganze Reihe von Handelsunternehmen in Nordamerika. In Kanada ist es die Einrichtungshauskette Home Outfitters. In den USA hat HBC das Luxuskaufhaus Lord & Taylor, die Edelkaufhauskette Saks Fifth Avenue und deren Discount-Designer-Ableger Saks Fifth Avenue OFF 5th übernommen.
Als starkes Rückgrat der Hudson’s Bay Company gelten die Warenhausimmobilien im Besitz des Konzerns. Ihr Wert wird auf etwa 9,6 Milliarden kanadische Dollar geschätzt, rund 6,7 Milliarden Euro. Allein der Saks Fifth Avenue Flagship Store in New York soll mehr als drei Milliarden Euro wert sein.
Mit Saks Fifth Avenue, der Kernmarke Hudson's Bay, der Modekette Lord & Taylor und dem Haushaltswarenhändler Home Outfitters machte HBC zuletzt einen Umsatz von gut neun Milliarden Euro und rund 420 Millionen Euro Gewinn.
Der erste Laden der amerikanischen Luxux-Kaufhauskette wurde 1924 von Horace Saks zusammen mit einer Geschäftspartner auf der New Yorker 5th Avenue eröffnet. 1992 gründete das Unternehmen sein erstes Outletgeschäft in Pennsylvania. Als 1995 weitere Läden eröffnet werden sollten, wurde das Geschäft in Saks Off 5th umbenannt. 2013 übernahm HBC das Unternehmen. Im Jahr 2016 gab es weltweit 41 Fililalen von Saks Fifth Avenue und 117 von Saks Off 5th.
1. Alles wird gut
Krise? Welche Krise? Nach offizieller Lesart ist Galeria Kaufhof im Grunde auf Kurs, sind die Zweifel der Warenkreditversicherer kaum mehr als ein ärgerliches Missverständnis. „Wir sind und bleiben ein verlässlicher Partner für Sie“, beteuerte Kaufhofs Einkaufschef in einem Schreiben an Lieferanten. „Die positiven Entwicklungen aus den begonnenen Veränderungen“, heißt es darin weiter, „werden sich auch bald in den Finanzzahlen ablesen lassen.“
Legt sich der Sturm, hoffen sie in Köln, würden das Tagesgeschäft und der Umbau des Innenstadt-Fossils wieder auf die Agenda rücken. Statt in einzelne Leuchtturmprojekte zu investieren, will der neue Kaufhof-Chef Wolfgang Link das Geld künftig breiter auf das Filialnetz verteilen und 2018 20 Standorte modernisieren. Die deutschen Kunden und Mitarbeiter sollen so rascher Veränderungen sehen – etwa bei den Eigenmarken. Intern wurde bereits die Losung „Triple Twenty“ ausgegeben. Bis 2020 will HBC 20 Prozent der Nettoumsätze mit dem Verkauf von Eigenkreationen erzielen. Dafür werden nach Informationen der WirtschaftsWoche zunächst 9 der bisher 23 Kaufhof-Eigenmarken ausgemustert. Der Rest wird auf Internationalisierung getrimmt. Größenangaben sollen vereinheitlicht, Etiketten bald in vier Sprachen eingenäht werden. Einzelne Labels sollen dann auch die Auslagen in amerikanischen, kanadischen und niederländischen HBC-Warenhäusern zieren.
Handelsexperte Martin Fassnacht, Professor an der Wirtschaftshochschule WHU, sieht darin durchaus sinnvolle Ansätze. Eigenmarken würden die Abhängigkeit von Herstellern reduzieren und hätten „das Potenzial, die Profitabilität zu steigern“, so Fassnacht. Umbauten und Renovierungen der Filialen könnten zudem das angestaubte Markenimage aufpolieren, zumindest wenn die „Kaufhäuser in Gänze und nicht nur teilweise“ erneuert würden. „Eine singulär modernisierte Abteilung oder Etage wird Verbraucher voraussichtlich wenig beeindrucken“, sagt Fassnacht.
Doch die Kosten dafür wären immens, und schon jetzt regt sich Widerstand gegen das kostspielige Europa-Abenteuer von HBC.