Angestaubtes Image Vorwerk will wieder in deutsche Wohnzimmer

Der Traditionskonzern Vorwerk will sein angestaubtes Image ablegen und mit dem Kobold-Sauger deutsche Wohnzimmer zurückerobern. Doch auf dem Weg in die Moderne knirscht es gewaltig.

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Warten auf McKinsey - Die Chefs Strecker (mit historischem Kobold-Staubsauger) und Muyres bauen Vorwerk um Quelle: Frank Beer für WirtschaftsWoche

Helen Brendel übernimmt in Christiana Hermessens Küche an diesem Abend die Regie. 18 Uhr, ein Dienstag im September. Christiana hat eine Thermomix-Verkaufsparty organisiert und sechs Freundinnen und Bekannte eingeladen. Helen schleppt nun das mehr als sechs Kilo schwere Küchengerät und ihre Präsentationsunterlagen fünf Treppen hoch in die Wohnung im Düsseldorfer Stadtteil Unterbilk. Sollte Christiana sich zum Kauf entschließen, bekommt sie als Gastgeberin den 985 Euro teuren Thermomix 50 Euro billiger und Helen eine Provision, deren Höhe sie nicht verrät, die aber bei 100 Euro liegen dürfte.

Lockere Stimmung, alle duzen sich. Sandra, Verena, zwei Kerstins und Emil legen selbst Hand an. Jeder lernt unter Helens freundlich-straffer Anleitung mithilfe des weiß-grauen Gerätes auf der Küchenarbeitsplatte hacken, schroten, mixen und auf vier Ebenen dampfgaren – „alles ohne Umrüsten“ –, bedient die integrierte Waage, programmiert die Temperaturen und sekundengenau die Zerkleinerungszeiten. Der als „Multitalent“ gepriesene Thermomix rettet aber nicht nur, wie Helen verspricht, Hausfrauen vor Zeitverlust und Küchenfrust, sondern nebenbei auch seinen Hersteller, den 129 Jahre alten Vorwerk-Konzern.

Traditionskonzern schreibt rote Zahlen

Denn ausgerechnet mit seinem Stammgeschäft, dem Staubsaugervertrieb in Deutschland, kommt der Mischkonzern nicht mehr klar. Die von Haus zu Haus ziehenden Vertreter, die den Kobold im Wohnzimmer vorführen, gehörten einst zum Wirtschaftswunder wie der Schwarz-Weiß-Fernseher. Aber sie erwirtschafteten zuletzt acht Jahre lang sinkende Umsätze und drei Jahre rote Zahlen – auch 2011.

Übersicht zum Umsatz der Vorwerk-Sparten (zum Vergrößern bitte Bild anklicken)

Trotz ansonsten guter Performance ächzt der Traditionskonzern deshalb unter einer Zerreißprobe. Um endlich die Kobold-Krise zu beenden, unterziehen die Manager das Unternehmen derzeit dem „größten Einschnitt in Vorwerks Markenauftritt und Vertriebsmodell seit 50 Jahren“, gibt Marketingchef Martin Berger dem 2011 begonnenen Umbauprozess eine historische Dimension.

Friktionen auf Jahre hinaus

Achim Schwanitz, der bis 2008 14 Jahre lang Vorwerk-Chef war, hält die Maßnahmen für notwendig und die Risiken für hoch: „Der Umbau des Vertriebssystems kann zu Friktionen auf Jahre hinaus führen“, vor allem wenn die Verbindung neuer Vertriebswege – Shops und Internet – mit dem Direktvertrieb „nicht optimal gelingt“.

Vorwerk ist seit der Vorkriegszeit auf Direktvertrieb spezialisiert. Eigene Fabriken stellen heute vor allem in Wuppertal die Staubsauger, im französischen Cloyes den Thermomix und im mexikanischen Querétaro Kosmetika her. Rund 11.000 Mitarbeiter beschäftigt Vorwerk fest. Hinzu kommen weitere 11.000 beim ebenfalls der Eigentümer-Familie Mittelsten Scheid gehörenden Gebäudedienstleister Hectas, der seit vergangenem Jahr als Vorwerk Facility Management Holding eigenständig agiert.

Rund 600.000 selbstständige Handelsvertreter verkaufen die Produkte des Mischkonzerns, der in der öffentlichen Wahrnehmung meist auf Staubsauger reduziert wird. So macht Vorwerk – ohne Hectas – 2012 rund 2,4 Milliarden Euro Umsatz und spart die Margen, die andere Konsumgüterhersteller an Groß- und Einzelhandel abgeben. Angesichts der zweistelligen Renditen im Direktvertrieb müsste ein Gewinn vor Steuern von über 200 Millionen Euro übrig bleiben.

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