Drogerieunternehmer Dirk Roßmann war vorsichtig: „Natürlich ist Alnatura eine interessante Marke für uns. Wir führen seit einiger Zeit Gespräche mit Alnatura“, sagte der Chef der Drogeriekette Rossmann im vergangenen Juni im Interview mit der WirtschaftsWoche. Entschieden sei allerdings noch nichts, erklärte der Unternehmer damals. Es würde ohnehin nicht um das komplette Sortiment gehen.
Inzwischen sieht die Sache etwas anders aus: Rossmann drängt mit Verve ins Bio-Geschäft und die Marke Alnatura spielt dabei offenbar eine entscheidende Rolle. So soll in den Roßmann-Filialen künftig mehr Platz für Bio-Produkte geschaffen werden. Im Online-Shop will der Konzern sogar sämtliche Alnatura-Artikel anbieten, kündigte das Unternehmen am Donnerstag in Burgwedel bei der Vorlage der Bilanz für 2016 an.
Laut dem Fachmagazin „Lebensmittelzeitung“ wird der Schritt „in der Branche als Schuss vor den Bug von dm interpretiert“.
Tatsächlich verkaufte dm fast 30 Jahre lang exklusiv Bioprodukte von Alnatura. Als dm Mitte 2015 eine eigene Bio-Marke einführte, kam es zum Bruch. Dm stellte seither insgesamt rund 1000 neue Bio-Artikel in die Regale – vom Frühstückscouscous des Naturkostveterans Davert bis zu als Superfood gepriesenen Chiasamen des Berliner Newcomers Veganz.
Den Kern bilden jedoch rund 350 Produkte der neu geschaffenen Eigenmarke dm Bio, deren Ableger den bisherigen Platzhirschen Alnatura fast vollständig ersetzt haben. Die Produkte würden sich „mindestens genauso gut, oft sogar besser“ als Alnatura-Artikel verkaufen, heißt es zwar offiziell bei dm. Doch auch Alnatura hat treue Fans, die ihre Lieblingsmarke nun verstärkt beim dm-Rivalen Rossmann kaufen dürften.
Das sich die beiden Drogerieschwergewichte auf den Bio-Bereich stürzen, hat einen einfachen Grund: Die Nachfrage der Kunden nach Bio-Produkten steigt stetig und beschert den Händlern hohe Umsatzzuwächse. Jahrelang war das kaum nötig. Dm wie Rossmann profitierten von einer gewaltigen Umverteilung im Markt: dem Niedergang des Schlecker-Konzerns. Doch die drogistische Sonderkonjunktur läuft langsam aus. Neue Wachstumsquellen müssen her.
Führende Drogeriemarktketten
Budnikowsky
Budnikowsky verfügte 2015 über ein Netz von 182 Filialen. Der Umsatz betrug 474 Millionen Euro.
Quelle: TradeDimensions; LZ; TradeDimensions; Statista
Stand: 10/2015
Müller
Müller ist die Nummer drei unter den Drogeriemärkten in Deutschland. In Deutschland setzte Müller 2015 2844 Millionen Euro um. In 518 Filialen konnten Kunden Müller besuchen.
Rossmann
Rossmann verfügt über ein größeres Filialnetz als dm - in Deutschland ist die Kette mit 1973 Filialen präsent - im Umsatz hinkt Rossmann dm allerdings hinterher: 2015 lag dieser bei 5380 Millionen Euro.
DM
dm ist die Nummer eins der Drogeriemärkte in Deutschland. Zumindest, was den Umsatz angeht. 6400 Millionen Euro hat der Platzhirsch unter den Drogerien im Jahr 2015 umgesetzt. In Sachen Filialnetz muss dm sich allerdings Dauerkonkurrent Rossmann geschlagen geben. Der hat in Deutschland nämlich 1973 Filialen, dm nur 1741.
Das zeigen auch die jüngsten Geschäftszahlen von Rossmann. „Wir sind in einer Zeit des Umbruchs“, sagte Unternehmensinhaber Roßmann. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Zuwachsraten kleiner werden. Das Geschäft ist etwas rauer geworden, es gibt Gegenwind.“ Im laufenden Jahr werde ein konzernweites Umsatzwachstum um fünf Prozent angepeilt. Dies seien Prozentsätze, auf die Rossmann sich in den kommenden Jahren einstellen müsse. Das erste Quartal 2017 sei „im Plan“, nach einem schwächeren März sei das Ostergeschäft „sehr gut“.
Wo Verbraucher Bio-Lebensmittel kaufen
"Wo kaufen Sie Bio-Produkte?" wollte das Bundeslandwirtschaftsministerium für das Öko-Barometer 2016 wissen und ließ dazu deutsche Verbraucher über 14 Jahren befragen, die angaben, zumindest "gelegentlich" Bio-Lebensmittel zu kaufen. Die Ergebnisse:
Quelle: Statista
Unter den Befragten bezogen sechs Prozent ihre Biolebensmittel aus einer Abokiste. Das Prinzip: Der Kunde bekommt Bio-Lebensmittel direkt vom Erzeuger. Der fährt die Kisten (wahlweise nach Kundenwunsch gefüllt, wahlweise als "Überraschungspaket" mit saisonalem Inhalt) in regelmäßigen Abständen bei den Kunden vorbei - bis diese die Belieferung kündigen. Ein Abo eben.
Brot in Bio-Qualität beim Bäcker kaufen 60 Prozent der Befragten.
Der klassische Bioladen ist für immerhin 54 Prozent der Bio-Käufer noch immer Bezugsquelle für ökologisch erzeugte Lebensmittel.
Ob denn´s bio oder Basic: Biosupermärkte gibt es mittlerweile in vielen größeren Städten. 46 Prozent der Bio-Käufer greifen zumindest gelegentlich dort zu.
Auf dem Hofladen, also direkt beim Erzeuger, kaufen 52 Prozent der Befragten ihre Bio-Lebensmittel.
Auch bei den großen Discountern findet man mittlerweile Bio-Eigenmarken. Bei Aldi und Konsorten kaufen 66 Prozent der Umfrageteilnehmer Bio-Produkte.
DM hat mittlerweile seine eigene Bio-Marke, Noch-Lieferant Alnatura kooperiert mittlerweile mit den Konkurrenten Rossmann und Müller: Der Markt für Bio-Produkte in Drogerien ist in Bewegung. Kein Wunder, denn "Bio" steht für die deutschen Käufer für "gesund" - damit ist der Verkauf von Bio-Produkten neben Gesundheitstee und Wellness-Schaumbad eigentlich nur natürlich. Immerhin 38 Prozent der Befragten kaufen Bio-Waren im Drogeriemarkt.
Auch eine eher ungewöhnliche und selten genutzte Art, Bio-Lebensmittel einzukaufen: Der Kiosk und die Tankstelle um die Ecke. Drei Prozent der Befragten holen dort Bio-Produkte.
Biofleisch vom Metzger - wer es kauft, tut es meist bewusst und hat seine Gründe dafür. Schließlich werden die Kosten für artgerechte Haltung und der Verzicht auf Antibiotika zum Teil an den Verbraucher an der Fleischtheke weitergegeben. 59 Prozent der Befragten schreckt das allerdings nicht: Sie kaufen beim Metzger Bio-Braten.
Auch im Reformhaus kaufen die Deutschen Bio-Produkte: Unter den Umfrageteilnehmern waren es 34 Prozent, die zumindest gelegentlich dort einkauften.
Bei Rewe, Edeka und Co. gibt es mittlerweile meist eine große Anzahl an Bio-Produkten. Das verlockt zum Kauf - wenn man eh schon da ist, kann man auch schnell zur Bio- statt zur gespritzten Zitrone greifen. 86 Prozent der Deutschen, die zumindest gelegentlich "Bio" kaufen, tun dies im Supermarkt.
Natürlich darf der Onlinehandel hier nicht fehlen, allerdings kaufen eher wenige Verbraucher ihre Bio-Produkte im Online-Supermarkt. Gerade einmal drei Prozent der Bio-Käufer bestellen ihre Ware per Klick.
Auf dem Wochenmarkt Lebensmittel in Bio-Qualität kaufen: Das tun 58 Prozent der Umfrageteilnehmer.
Im vergangenen Jahr wuchs die Drogeriekette im Ausland weitaus stärker als in Deutschland. Die Erlöse der Auslandsgesellschaften in Polen, Ungarn, Tschechien, der Türkei und Albanien legten im Vergleich zum Vorjahr um 9 Prozent auf 2,3 Milliarden Euro zu. Die Umsätze der Märkte in Deutschland wuchsen dagegen nur um 5,4 Prozent auf 6,1 Milliarden Euro. Stark ist das Unternehmen besonders in Polen, fast drei Viertel aller Auslandsfilialen hat Rossmann dort.
Mehr als ein Viertel des Konzernumsatzes von entfiel auf die Läden im Ausland (27 Prozent). Die Wachstumsraten zeigen eine abnehmende Dynamik: 2015 hatte der Auslandsumsatz noch um gut 14 Prozent zugelegt, der Inlandsumsatz um 7,7 Prozent. Konzernweit wuchsen die Erlöse 2016 um 6,3 Prozent auf 8,4 Milliarden Euro.
Roßmann erinnerte daran, dass die Zuwachsraten 17 Jahre lang über zehn Prozent gelegen hatten. Aber: „Der Schub, der uns 17 Jahre getragen hat, ist nicht mehr da.“