Anklage gegen Anton Schlecker Warum der Fall Schlecker so vertrackt ist

Das Aus der Drogeriemarktkette Schlecker war eine der spektakulärsten Pleiten der deutschen Handelsgeschichte. Nun wird Anton Schlecker angeklagt. Womit Schlecker rechnen muss und was den Fall so schwierig macht.

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Schlecker Quelle: REUTERS

Was wird Schlecker vorgeworfen?

Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft beschuldigt Anton Schlecker, vor der Pleite seines Drogerieimperiums in 36 Fällen Geld beiseite geschafft zu haben. Darüber hinaus soll er 2009 und 2010 den Zustand des Konzerns im Konzernabschluss falsch dargestellt und vor dem Insolvenzgericht falsche Angaben gemacht haben.

Was droht Schlecker?

Die Ermittler haben Anklage wegen Bankrotts gegen den einstigen Drogerie-König erhoben. In 13 Fällen spricht die Staatsanwaltschaft sogar von besonders schwerem Bankrott. Darauf steht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zehn Jahren.

Was wurde eigentlich aus Schlecker?
1975Der 1944 geborene Anton Schlecker, Sohn eines Fleischwarenfabrikanten, eröffnet in Kirchheim unter Teck seinen ersten Drogeriemarkt. Schleckers Strategie: Er eröffnet die Läden an strukturell wenig attraktiven Standorten in Wohngebieten. Die Filialen sind klein und spartanisch ausgestattet. Schlecker handelt mit Lieferanten beste Konditionen und lange Zahlungsziele aus, um so die Expansion zu finanzieren. Und seine Kette expandiert schnell: Schon zwei Jahre später zählt Schlecker mehr als 100 Filialen, 1984 gibt es bereits 100 Drogeriemärkte.
1987Die Kinder der Schleckers, Lars (r.) und Meike (nicht im Bild) werden am 22. Dezember entführt. Ihr Vater handelt das Lösegeld von 18 auf 9,6 Millionen D-Mark herunter, die Summe, über die er versichert ist. Kurz vor Heiligabend können sich die Kinder selbst befreien. Die Täter werden 1998 gefasst. Quelle: dpa Picture-Alliance
1987-1998Im Jahr 1987 eröffnet Schlecker die ersten Filialen im Ausland. Er expandiert wie im Rausch: 1995 kommt Schlecker bereits auf 5800 Filialen und beschäftigt rund 25.000 Mitarbeiter. Doch Schleckers Image als Arbeitgeber leidet: 1994 wird der Familie vorgeworfen, Scheinarbeitsverhältnisse zu betreiben und unter Tarif zu bezahlen. Auch die Gründung von Betriebsräten soll systematisch blockiert worden sein. 1998 werden Anton Schlecker und seine Ehefrau Christa zu jeweils zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Der Grund: Das Amtsgericht Stuttgart sieht es als erwiesen an, dass das Ehepaar seinen Mitarbeitern tarifliche Bezahlung vortäuschte Quelle: imago images
Schlecker-Tochter IhrPlatz stellt Insolvenzantrag2007 kaufte die Drogeriekette den insolventen Konkurrenten Ihr Platz. 700 Standorte kamen auf einmal dazu, Schlecker zählte nun 14.400 Ableger in 17 Ländern. Ein Höhepunkt. Quelle: dapd
Schlecker reicht Insolvenzantrag einDoch der Abstieg war schon zu ahnen: 2011 holte Anton Schlecker seine beiden Kinder Lars (links) und Meike (rechts) in die Unternehmensführung. Zuvor war die Drogeriekette wieder einmal wegen dem Umgang mit den Mitarbeitern in die Kritik geraten. Laut Medienberichten überwachte Schlecker seine Mitarbeiter, auch der Vorwurf der schlechten Bezahlung wurde erneut erhoben. Viele Medien sahen die neue Familiengeneration an der Spitze als Ablenkungsmanöver.Bild: Montage der Familie Schlecker. Quelle: dapd
Mit einer Marketingkampagne wollte das Unternehmen sein angeschlagenes Image 2011 wieder aufpolieren. Doch der Denglisch-Spruch „For you. Vor Ort.“ stößt bei Sprachwächtern auf Kritik. Ein Sprecher des Unternehmens rechtfertigt sich in einem Brief damit, dass die Kunden ein „niedriges Bildungsniveau“ hätten – der Brief gerät an die Öffentlichkeit und löst einen Shitstorm aus. Gleichzeitig machen sich die Bilanzprobleme immer stärker bemerkbar. Noch im selben Jahr werden 600 Filialen geschlossen, weitere sollen 2012 folgen. Quelle: imago images
For You. Vor Ort. Vorbei.Im Januar 2012 erklärte sich Schlecker als zahlungsunfähig und meldete Insolvenz an. Rund 2400 Läden sollten geschlossen werden. Quelle: dapd

Wie wahrscheinlich ist eine Verurteilung?

Schleckers Anwalt Norbert Scharf wirft den Staatsanwälten bereits eine Vorverurteilung seines Mandanten vor. „Denn die mit der Anklage aufgeworfenen Fragen betreffen einen umfangreichen, komplexen und rechtlich schwer einzuordnenden Sachverhalt aus der Historie der Firma Schlecker“, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Voreilige Festlegungen würden sich daher verbieten. Tatsächlich ist der Fall rechtlich diffizil und längst nicht so eindeutig, wie ihn die Staatsanwaltschaft derzeit darstellt. Selbst wenn es dereinst ein Urteil gegen Schlecker geben sollte, ist fraglich, ob es auf eine Haftstrafe hinauslaufen würde. „Die Höchststrafe von zehn Jahren Haft für schweren Bankrott wird äußerst selten verhängt“, sagt Insolvenzexperte Andreas Ziegenhagen von der Kanzlei Dentons. Haftstrafen unter zwei Jahren könnten zudem zur Bewährung ausgesetzt werden.

Was ist so schwierig an dem Fall?

„Zum Dreh- und Angelpunkt des Verfahrens dürfte die Frage werden, ab wann bei Anton Schlecker die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens tatsächlich eingetreten ist“, sagt Experte Ziegenhagen. „Erst ab diesem Zeitpunkt kommen Bankrottstraftaten überhaupt in Betracht.“ Doch die Beurteilung, ab wann ein Unternehmen nicht mehr zu retten ist, ist alles andere als trivial und dürfte von den Parteien höchst unterschiedlich interpretiert werden. Die Sichtweise hat Einfluss darauf, ob verschiedene Vermögensübertragungen, etwa die Schenkung einer kostspieligen Reise an Schleckers Tochter, als Privatvergnügen oder als Straftat bewertet werden. Zum zeitlichen Faktor kommen weitere Interpretationsfragen.

So hat die Drogeriekette eng mit dem Unternehmen LDG Logistik- und Dienstleistungsgesellschaft mbH zusammen gearbeitet. Gesellschafter der LDG waren Schleckers Kinder Meike und Lars. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass überhöhte Verrechnungspreise von Schlecker an die LDG gezahlt wurden und so gezielt Vermögen verschoben wurde. Die Frage, inwieweit Preise überhöht sind, ist jedoch regelmäßig Gegenstand von Prozessen und dürfte wiederum Gutachter beider Seiten auf den Plan rufen.

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