Aquaponic Wie K+S Fisch und Salat in der Stadt produzieren will

Bereits vor tausend Jahren wurden Fische für eine effektivere Landwirtschaft eingesetzt. Nun testet K+S die moderne Variante davon.

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Karpfen in einer Aquakultur und Pflanzen in einer Hydrokultur sind in einem Nährstoffkreislauf verbunden. Quelle: dpa

Kassel Salat, Gemüse und auch Fisch frisch aus der Stadt, nachhaltig produziert – das ist keine Science-Fiction, sondern nennt sich Aquaponic. Diese Mischform aus Landwirtschaft und Fischzucht fristet in Deutschland bisher ein Nischendasein. Der Düngemittel- und Salzproduzent K+S sieht darin nun eine Anbaumethode mit Zukunft – und ein potenzielles Geschäftsfeld. In Kassel nahm der Konzern am Montag einen Aquaponic-Forschungscontainer in Betrieb.

„Die Weltbevölkerung wird wachsen und die zur Verfügung stehende Ackerfläche abnehmen“, sagt K+S-Vorstandschef Burkhard Lohr. „Natürlich müssen wir uns als Unternehmen, das Düngemittel anbietet, fragen, wie das unser Geschäft beeinflusst.“ Die Kalkulation des Konzerns: Nicht nur die Erdbevölkerung nimmt zu, auch die Städte werden größer. Deshalb sinkt die Fläche für die landwirtschaftliche Nutzung. Um trotzdem genug Nahrungsmittel produzieren zu können, rücken neue Anbaumethoden in den Fokus.

Wie künftig Fisch gezüchtet sowie Gemüse und Salat angebaut werden könnten, zeigt K+S: Karpfen in einer Aquakultur und Pflanzen in einer Hydrokultur sind in einem Nährstoffkreislauf verbunden. Was die Fische ausscheiden, wird durch Bakterien aufbereitet und dient als Dünger für Pflanzen. Die Pflanzen reinigen im Gegenzug das Wasser der Fische. Die Vorteile: Weniger Dünger und weniger Wasser sind nötig.

Neu ist die Technik eigentlich nicht. Darauf verweist auch der Biologe Ralf Fisch vom Bundesverband Aquaponic. Schon die Chinesen nutzten vor mehr als 1200 Jahren Fische in ihren Reisplantagen. Eine Studie hat gezeigt, dass die Reis-Erträge mit und ohne Fische von der Menge her gleich bleiben, aber schonender produziert werden können.

Das Grundprinzip hat sich bis heute gehalten. Allerdings ist die Umsetzung komplizierter. „Das Verhältnis von Fischen zu Pflanzen muss stimmen“, sagt der Experte. Werden Fische überfüttert und produzieren sie zu viele Stickstoffverbindungen, gehen die Pflanzen ein. Wegen Wissenslücken scheiterte Aquaponic daher oft: „In Europa sind 75 Prozent der Betriebe, die aufgemacht haben, Pleite gegangen.“

Heute gebe es in Deutschland einige wenige mittelständische Betriebe, die sich am Markt hielten. Zudem seien Produkte aus einer solchen Herstellung nicht zwangsläufig gesünder. „Aquaponic kann man biologisch und konventionell betreiben“, erklärt Fisch.

Hierzulande gibt es bereits Aquaponic-Forschung. „Tomatenfisch“ etwa ist ein Projekt am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin. Dort hat man ein Verfahren entwickelt, mit dem Fisch und Tomaten nahezu emissionsfrei in einem Gewächshaus produziert werden können. Durch einen gesteuerten Austausch der Teilsysteme können Wachstumsbedingungen in einem System optimiert werden, ohne den Nährstoffgehalt im anderen zu beeinflussen.

Werner Kloas, Professor am Leibniz-Institut, betont, dass die Grundlagen für eine Lebensmittelproduktion mit Aquaponic vorhanden sind. Allerdings müsse eine kritische Größe erreicht werden: „Es sollten schon 10.000 Quadratmeter sein - alles darunter ist eine Spielerei und erlaubt keine gleichmäßige und effiziente Produktion.“ Forschungsbedarf sieht Kloas noch bei der Steuerung und Sensorik.

Obwohl Aquaponic in Deutschland bisher kaum eine Rolle spielte, bescheinigt der Handelsexperte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU bei Koblenz der Produktionsmethode Chancen. Nachhaltigkeit werde für Verbraucher immer wichtiger. „Aquaponic greift dieses Thema auf und ermöglicht einen umweltfreundlichen und ressourceneffizienten Pflanzenanbau sowie Fischzucht“, sagt er.

Da Aquaponic-Farmen noch klein seien, könnten sie die Nachfrage nach großen Mengen nicht bedienen. „Daher sollte der Fokus zunächst auf die regionale Vermarktung gelegt werden“, erklärt Fassnacht.

Verbraucherschützer finden den Ansatz im Prinzip gut. „Kreislaufwirtschaft ist ein Idealbild, wie auf einem Bauernhof gearbeitet werden sollte“, sagt Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. „Nichtsdestotrotz muss man das genau prüfen: Aquakulturen kommen selten ohne Antibiotika aus.“

Wie viel Geld K+S in die Aquaponic-Forschung investiert, verrät der MDax-Konzern nicht. Langfristig sei aber eine Erweiterung des Versuchs auf größeren Flächen angedacht. Potenzial habe die Technik für K+S, weil Kalium und Magnesium dem Nährstoffkreislauf zugeführt werden müssten. Zudem habe man bereits vollwasserlösliche Düngemittel im Angebot, die man so optimieren wolle, dass sie für Aquaponic passen, sagt Alexa Hergenröther, Geschäftsführerin der K+S Kali GmbH.

Unter dem Strich sei Aquaponic aber nur ein Projekt bei der Suche nach neuen Märkten. „Wir beschäftigen uns auch abseits unserer bisherigen Produkte mit neuen Geschäftsfeldern, auf denen wir noch nicht aktiv sind, aber über grundlegende Fähigkeiten verfügen.“

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