Arndt Geiwitz Dieser Mann soll Weltbild retten

Nicht nur für die Weltbild-Mitarbeiter, auch für Arndt Geiwitz, den vorläufige Insolvenzverwalter des katholischen Verlags, steht bei dem Verfahren viel auf dem Spiel.

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Arndt Geiwitz machte bereits als Insolvenzverwalter der Drogeriekette Schlecker Schlagzeilen. Quelle: dpa

Rettung oder Untergang? Wer derzeit auf eine klare Aussage des vorläufigen Weltbild-Insolvenzverwalters Arndt Geiwitz hofft, dürfte enttäuscht werden. Die Lage sei nicht zu beschönigen, sagte Geiwitz Anfang der Woche bei einer Betriebsversammlung in Augsburg und ließ Skepsis durchblicken. Gestern Abend folgte dann ein wohlgesetzte Dosis Optimismus: Er wolle die Gruppe zusammen halten, kündigte Geiwitz an, mögliche Investoren hätten sich bereits bei ihm gemeldet. Ein Pleitespezialist präsentiert sich als Sphinx.

Das ist nicht ungewöhnlich: Gerade die Startphase einer Insolvenz ist eine stete  Gratwanderung für den Verwalter. Zuversicht muss er verbreiten, darf aber keine Euphorie schüren. Die Mitarbeiter will er auf Einschnitte vorbereiten, aber ihnen nicht die Hoffnung rauben. Die Dialektik ist dem Verfahrensablauf geschuldet: Damit der Laden läuft, müssen die Mitarbeiter motiviert, Lieferanten und Dienstleister überzeugt werden. Andererseits ist auch zu viel Optimismus schlecht. Wenn alles halb so wild ist, lässt sich mit Gewerkschaften und Betriebsräten später schlecht über Entlassungen und Zugeständnisse verhandeln.

Welche Unternehmen den Laden dicht machen
RenaDer Niedergang hatte sich bereits abgezeichnet: Das Unternehmen Rena, das Maschinen für die Solarindustrie fertigt, litt seit längerem unter schwindendem Absatz. Allein im dritten Quartal 2013 vermeldete das Unternehmen einen Verlust in Höhe von 5,5 Millionen Euro. Im Februar dann musste Unternehmenschef Jürgen Gutekunst die Pleite der Tochtergesellschaft SH+E verantworten. Gutekunst will das Unternehmen nun in Eigenregie sanieren. Ob, wann und wie viel ihrer Einlagen Anleihegläubiger jedoch wiedersehen werden, darüber will das Unternehmen derzeit noch keine Angaben machen. Insgesamt stehen 77 Millionen Euro auf dem Spiel, die Anleger dem Unternehmen in den Jahren 2010 und 2013 auf Etappen geliehen hatten. Klaus Nieding, Kapitalanlagerechtler und Vorstand der Nieding+Barth Rechtsanwaltsaktiengesellschaft empfiehlt Anleihegläubigern jetzt, mit einer Stimme zu sprechen: „Die Anleihegläubiger sollten ihre Interessen bündeln, um als große Gläubigergruppe ihre Interessen im Restrukturierungsverfahren durchzusetzen.“ Nieding rechnet damit, dass „die Gesellschaft zügig an die Anleihegläubiger mit einem Restrukturierungsplan herantreten und eine Anleihegläubigerversammlung einberufen wird“. Quelle: dpa
Münchener AbendzeitungSie stand in den 80er Jahren Pate erfolgreiche TV-Serie „Kir Royal - Aus dem Leben eines Klatschreporters" - jetzt steht sie vor dem Aus. Die AZ hat am 5. März 2014 einen Insolvenzantrag gestellt. Sinkende Anzeigenerlöse, sinkende Leserzahlen und hohe Druckkosten seien der Grund, sagte Herausgeber Johannes Friedmann. 110 Mitarbeiter sind betroffen, davon rund 50 in der Redaktion. „Es gab kaum jemals ein gutes Jahr in der Abendzeitung“, seitdem er 1986 die Geschäfte übernommen habe, sagte Friedmann. Man hätte den Schritt „schon viel früher gehen müssen - vor zehn Jahren.“ Ein Investor ist nicht in Sicht. Der Süddeutsche Verlag, an dem die Familie Friedmann mit 18,75 Prozent beteiligt, hat kein Interesse an einer Übernahme. Auch von Dirk Ippen, der den „Münchner Merkur“ und die Münchner Boulevardzeitung „tz“ verlegt scheint nicht interessiert. AZ-Herausgeber Friedmann sieht auch im Internet einen Grund für die Probleme der Abendzeitung: „Das, was eine typische Boulevardzeitung ausmacht, ist (...) durch das Internet weitgehend bedeutungslos geworden.“ Quelle: dpa
Zamek Der Düsseldorfer Lebensmittelhersteller hat am 25.2.2014 Insolvenz angemeldet. Der 1932 gegründete Familienbetrieb produziert mit rund 520 Beschäftigten in Düsseldorf und Dresden, Tütensuppen, Würzmischungen und Fertiggerichte, die sich - oft auch als Eigenmarken - in den Supermarktregalen wiederfinden. Zwei Sanierungsexperten der auf Konkursverfahren spezialisierten Kanzlei Metzeler von der Fecht sowie zwei weitere Anwälte betreuen Zamek als vorläufige Sachwalter. Die Geschäfte laufen vorerst weiter. Das Unternehmen befindet seit längerem in Turbulenzen. Im Geschäftsjahr 2012/2013 wies Zamek einen Verlust von mehr als 10 Millionen Euro aus. Die Umsätze brachen um acht Prozent auf knapp 74 Millionen Euro ein. Mehrheitsgesellschafter Bernhard Zamek hatte im Oktober 2013 „drastische Einsparmaßnahmen“ und den Abbau von weiteren 85 Stellen angekündigt. Außerdem wollte er Teile der Produktion nach Polen verlagern. An der Spitze sollte der Sanierungsexperte Reiner Wenz für frischen Wind sorgen. Er ersetzte im Februar Geschäftsführerin Petra Zamek. Doch gelang es ihm offenbar nicht mehr schnell genug, das Steuer herumzureißen. Quelle: dpa
Strauss InnovationFür die insolvente Warenhauskette interessieren sich rund ein Dutzend Investoren Außerdem sollen nicht zukunftsfähige Standorte bis zur Mitte des Jahres geschlossen werden. Dies berichtet die "Rheinische Post". Strauss Innovation hatte am 30. Januar 2014 beim Amtsgericht Düsseldorf einen Antrag auf Eröffnung eines Schutzschirmverfahrens eingereicht. Betroffen sind 1400 Mitarbeiter in 96 Filialen und 59 deutschen Städten. Das Unternehmen gehört dem US-Investor Sun Capital, dem auch der Versandhändler Neckermann gehörte. Strauss möchte zunächst einen eigenen Insolvenzplan vorlegen, bevor in drei Monaten das eigentliche Insolvenzverfahren eröffnet wird. Schuld an der Misere sollen die Wetterkapriolen im vergangenen Jahr sein. Das Frühjahr war zu kalt - Gartenmöbel & Co. blieben stehen - der Winter zu mild - auch die warmen Socken und Daunenjacken blieben hängen. Quelle: dpa
Kaiser GmbHDrei Monate nach dem Insolvenzantrag (12.12.2013) stellt der bayerische Automobilzulieferer die Weichen für die Zukunft. Der Betrieb laufe stabil und man habe neue Aufträge eingeholt, so Insolvenzverwalter Michael Jaffé, bekannt durch die Sanierung des Wohnwagen-Herstellers Knaus Tabbert. Die rund 650 Mitarbeiter im Stammsitz in Aicha vorm Wald und Straßkirchen-Salzweg erhalten seit Februar wieder reguläre Lohn und Gehalt. Die Suche nach Investoren läuft. Jaff´: "Es gibt mehrere Interessenten, die sich (...) mit einem Einstieg bei Kaiser befassen. Unser Ziel ist es, bis Jahresmitte eine dauerhafte Fortführungslösung zu realisieren." Kaiser erwirtschaftet rund 90 Millionen Euro Umsatz und lieferte 2012 rund 24 Millionen aus - darunter Airbag- und Antriebs-Komponenten, Bremsscheiben und –trommeln, Gehäuse für ABS, Kupplung, Getriebe, Hinterachsen und Zylinderblöcke. Alleiniger Eigentümer und Geschäftsführer ist der Gründer Klaus-Peter Kaiser. Von 2000 bis 2008 wuchs Kaiser rasant und verdreifachte nahezu den Umsatz. Nach dem krisenbedingten Einbruch in 2009 hatte der Zulieferer zuletzt wieder an dieses Wachstumstempo anknüpfen können - das reichte allerdings nicht aus, um die Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Quelle: Screenshot
Weltbild VerlagDas insolvente Medienunternehmen bekommt einen neuen Investor. Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz gab dem Düsseldorfer Familienunternehmen Droege International Group den Zuschlag und brach die Verhandlungen mit dem Münchner Finanzinvestor Paragon Partners ab. Gemeinsam werde man die Sanierung mit dem geplanten Abbau von Stellen und Buchläden fortsetzen: "Die Restrukturierung für sich ist noch nicht abgeschlossen." Droege zeichnet eine Kapitalerhöhung von 20 Millionen Euro und erhält im Gegenzug eine 60-prozentige Beteiligung. Die übrigen 40 Prozent hält Geiwitz für die Gläubiger. Nach den bisherigen Plänen sollen 167 Filialen erhalten bleiben, die Zahl könnte aber weiter schrumpfen. Weltbild hatte am 10. Januar 2014 Insolvenz beantragt. Der Aufsichtsrat sah keine Finanzierungsmöglichkeit für eine Sanierung. Noch sind 2100 Mitarbeiter bei Weltbild beschäftigt. Der Augsburger Verlag war eines der größten Medienhäuser in Europa und gehörte zwölf katholischen Diözesen in Deutschland, dem Verband der Diözesen Deutschlands sowie der katholischen Soldatenseelsorge in Berlin. Weltbild litt zuletzt auch unter der Konkurrenz des US-Giganten Amazon. Konkreter Auslöser für die aktuellen Schwierigkeiten war nach Unternehmensangaben ein Umsatzrückgang in der ersten Hälfte des Geschäftsjahres 2013/14. Quelle: dpa
Das börsennotierte Unternehmen getgoods AG mit Sitz in Frankfurt (Oder) geht in Insolvenz. Vorstandschef Markus Rockstädt-Mies: "Am Donnerstag haben wir Insolvenz für unsere Vertriebsgesellschaft angemeldet. Am Freitag erfolgt die Insolvenzanmeldung für die AG. Ob weitere Tochtergesellschaften ebenso den Weg der Insolvenz gehen, wird noch geprüft." Der Geschäftsbetrieb des Online-Händlers mit rund 200 Mitarbeitern werde jedoch weiter gehen. Auf einer Mitarbeiterversammlung wolle der eingesetzte Insolvenzverwalter über das weitere Vorgehen informieren. "Parallel dazu läuft die Investorensuche. Dazu gab und gibt es hoffnungsvolle Gespräche", sagte Rockstädt-Mies. Quelle: Presse

Hinzu kommt: Das Weltbild-Verfahren ist nicht irgendein Verfahren für Geiwitz. Die Zukunft von Tausenden Mitarbeitern hängt vom Ausgang des Verfahrens ab. Klar, das ist viel Verantwortung - angesichts der Großverfahren, die die Kanzlei Schneider-Geiwitz sonst betreut, aber auch keine völlig neue Dimension. Was den Fall für Geiwitz so heikel macht, ist vielmehr die stete Beobachtung durch Öffentlichkeit und durch die gesamte Insolvenzszene. Kaum eine andere Kanzlei betreut derzeit ähnlich prominente Pleitefälle, steckt bis zum Anschlag in Großverfahren.

Zuletzt war Geiwitz etwa beim Callcenter-Betreiber Walter Services, beim deutschen Ableger von Alpine Bau und dem Strumpf-Fabrikanten Kunert im Einsatz. Nach dem Weltbild-Zuschlag fragte sich die Zunft nun, wie die Kanzlei das neue Mammutverfahren stemmen will. Zudem wird die Pleite des katholischen Verlags von einer steten Schlagzeilenflut begleitet. Patzen Geiwitz und sein Team diesmal, droht der Kanzlei in der Öffentlichkeit der Stempel „Abwickler“ aufgedrückt zu werden. Punktet Geiwitz dagegen mit dem Erhalt von Jobs oder einem schnellen Verkauf des Versandhändlers, kann er wohl endgültig alle Kritik, die im Zuge der Schlecker-Insolvenz an seinem Pleite-Management aufkam, abschütteln.


Ausgerechnet Schlecker, jener krachende Zusammenbruch des schwäbischen Drogerieimperiums, bei dem Geiwitz ebenfalls als Insolvenzverwalter Regie führte, wird damit zur Referenzgröße. Für Geiwitz war das Verfahren Fluch und Segen zugleich: Einerseits war der Fall ein prominentes und lukratives Mandat, andererseits aber auch kein Verfahren für die Bewerbungsmappe: der Verkauf des Konzerns scheiterte, 25000 Mitarbeiter verloren ihre Jobs, das Gros der Gläubiger ging leer aus. Schlecker lässt den 44-Jährigen denn auch bis heute nicht los. Zwar soll das Verfahren bis Ende 2014 größtenteils abgewickelt sein. „Die wesentlichen Tätigkeiten werden wir im Laufe dieses Jahres erledigt haben“, sagt Geiwitz. Doch die Erfahrungen wirken nach.

11. Oktober 2013, 19 Uhr, Hochschule Neu-Ulm. Geiwitz wird im Hörsaal A mit freundlichem Applaus begrüßt – den gibt es selten für Insolvenzverwalter. Doch diesmal muss er auch nicht verschüchterten Angestellten erklären, wie schlecht es um ihren Betrieb steht. Vielmehr soll er im Rahmen des hochschuleigenen Management Forums über „Patriarchalische Unternehmensführung“ referieren. Peter Hurler, der die Veranstaltungsreihe für seine Studenten und andere Interessierte organisiert, stellt Geiwitz kurz vor: Betriebswirtschaftsstudium in Passau, dann Ein- und Aufstieg bei der Neu-Ulmer Kanzlei Schneider-Geiwitz, die Großverfahren wie die Pleite des Baukonzerns Walter Bau abgewickelt hat, ab 2012  Schlecker-Insolvenzverwalter. Absolvent des Internats Salem, Rotarier-Mitglied und Spross einer Ulmer Schuhhandelsfamilie ließe sich seine Vita noch ergänzen.

Doch Geiwitz bedankt sich für das freundliche Intro und leitet zum eigentlichen Thema des Abends über. „Es ist unglaublich, was Patriarchen in der Insolvenz aushalten müssen“, sagt er und meint auch Großpleitier Anton Schlecker. Wer vorher als Halbgott verehrt und teilweise gefürchtet wurde, den treffe der Vorwurf ‚Du hast den Laden gegen die Wand gefahren‘ besonders hart. Ihn selbst habe „das Schlecker-Verfahren um Jahre altern lassen“, räumt Geiwitz an dem Abend ein. Das Gute war, dass nicht er selbst von der Presse als der Böse dargestellt wurde, der die Jobs schleift, sondern dass das auf Schlecker zurückgefallen sei, so Geiwitz.

Auf eine ähnliche Konstellation kann er nun bei Weltbild bauen. In der Öffentlichkeit stehen vor allem die katholischen Eigner in der Kritik. „Die Bischöfe sollten sich warm anziehen“, drohten Gewerkschafter bei einer Betriebsversammlung am Mittwoch. Die Kirchenvertreter haben bereits finanzielle Hilfen in Aussicht gestellt. „Eigentlich müsste Geiwitz aus der Vorlage etwas machen können“, kommentiert ein süddeutscher Insolvenzverwalter die Ausgangssituation. 

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