Arznei-Versandhandel Wie sich Apotheker gegen die Digitalisierung wehren

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Individueller Service

Die Kölner Apothekerin Wüst lässt für ihre Kunden nach individuellen Rezepten Kapseln, Lösungen, Zäpfchen, Augenspritzen und sogar Chemotherapien anfertigen. Andere Apotheker aus der Umgebung schicken ihre Kunden deshalb bei ihr vorbei. Wüst versteht das nicht. „Mir ist nicht klar, warum die das nicht selber machen. Das erhöht doch die Kundenbindung.“

Vom Versandhandelsverbot, wie von vielen Kollegen gefordert, hält Wüst wenig: „Das ist keine dauerhafte Lösung. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, dagegen zu klagen.“

Neue Ideen würden auch Menschen auf dem Land helfen, wo es mit der Gesundheitsversorgung hapert. Die meisten der 20.000 Apotheken ballen sich in Städten.

Erste Modellprojekte gibt es. Im baden-württembergischen Hüffenhardt sollen ein Apothekenroboter und eine Videoschaltung zur Versandapotheke DocMorris in wenigen Wochen die Medikamentenversorgung übernehmen, die früher die Angestellten der örtlichen Brunnen-Apotheke leisteten. Deren Besitzer ist seit 2014 im Ruhestand, ein Nachfolger fand sich nicht.

Lohnen sich Online-Apotheken und sind diese auch sicher?

In der umgebauten Apotheke im Ortskern von Hüffenhardt findet sich nun eine Beratungskabine, die Kunden per Bildschirm mit Fachkräften in der DocMorris-Zentrale verbinden soll. Die beraten Patienten und prüfen per Scanner Rezepte. Ein Automat spuckt dann in Hüffenhardt das nötige Präparat aus. Rund 8000 der häufigsten Mittel hält der Automat bereit. Bezahlt wird bar oder mit Karte.

Eine Viertelmillion Deutsche werden jedes Jahr ins Krankenhaus eingeliefert, weil sie mit ihrer Medikamenteneinnahme nicht zurecht kommen. Ein neues Gesetz soll das ändern. Versandapotheken wittern das großes Geschäft.
von Maike Telgheder

„Wir verkaufen dort keine Sonnencremes, sondern bieten Akutversorgung und Beratung für chronisch Kranke“, sagt DocMorris-Vorstand Max Müller und nennt noch einen weiteren Vorteil: „Vorher gab es hier kein schnelles Internet. Das ist jetzt im Ort installiert, sonst könnten wir gar nicht beraten.“ Anders als Parteifreund Gröhe unterstützt der Vizeregierungschef von Baden-Württemberg, Thomas Strobl (CDU), solch neue Konkurrenz. „So eine automatisierte Apotheke kann den Menschen zeigen, welche Vorteile, welchen Nutzen sie aus der Digitalisierung ziehen können“, ist er sicher.

Auch die Deutsche Bahn könnte bald im Apothekengeschäft mitmischen. Zur Versorgung Kranker schickt der Konzern einen Medibus über Land. Ein Apothekenbus könnte folgen. In Sachsen-Anhalt haben schon mehrere Regierungen versucht, solche Busse loszuschicken. Die Idee scheiterte – am Widerstand der Apotheker, die nicht mitmachen wollten.

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