Augenoptiker Augen auf und Schotten dicht

Deutschlands Optiker haben keinen Grund zur Klage und bauen ihren Umsatz kontinuierlich aus. So erfolgreich wehren sich niedergelassene Optiker gegen ihre Online-Konkurrenten.

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Eine Kundin während einer Untersuchung bei einem Augenoptiker Quelle: dpa/dpaweb

Deutschlands Optiker machten im vergangenen Jahr 5,4 Milliarden Euro Umsatz mit Brillen, Kontaktlinsen, Pflegemitteln und einige von ihnen auch mit Hörgeräten. Insgesamt sind das rund 140 Millionen Euro mehr als im Vorjahr.

Tendenz steigend, denn kaum einer Branche wachsen die Kunden so selbstverständlich entgegen wie den Augenoptikern. Schon jetzt tragen rund 63 Prozent aller Deutschen ständig oder gelegentlich Brille. Das Schöne aus Sicht der Optiker dürfte aber sein, dass die geburtenstarken Jahrgänge aus den 1960ern Jahr für Jahr unweigerlich ein Fall für die sehr teuren und viel lukrativeren Gleitsichtgläser werden. Anders als bei der jüngeren Fehlsichtigkeit lässt sich das auch nicht vermeintlich einfach weglasern. Je länger also die Arme beim Lesen werden, desto näher liegt der zwangsläufige Gang zum Optiker.

Die zehn größten Augenoptikernach Filialen

Am allerschönsten am Gleitsichtproblem dürfte aber aus Sicht der stationären Händler sein, dass sich die Gläser nur schwer über das Internet verkaufen lassen. Zwar wächst dort die Konkurrenz durch Unternehmen wie Mr. Spex und andere. Doch Thomas Truckenbrod, Präsident des Zentralverbands der Augenoptiker (ZVA), ist sich sicher: "Der Lieferung der korrekten Gläser per Internet ist derzeit unmöglich." Da reichten "kein Zufallsmechanismus" oder aus dem Internet ausgedruckte Messleisten aus um die Vielzahl entscheidender Parameter für die individuellen Gläser korrekt zu bestimmen.

Noch machte der Online-Handel mit Sehhilfen und Zubehör 2013 nur 165 Millionen Euro Umsatz, ein Klacks gegen die stationären Anbieter. Existenzbedrohende Probleme, wie sie Schuhhändler, Buchläden oder Elektronikketten mit der Online-Konkurrenz haben, zeichnen sich aus Sicht von Truckenbrod bei den Optikern nicht ab. "Der größte Teil der Kundschaft informiert sich im Netz über Trends und Produkte und kauft aber weiterhin vor Ort ein", so der Optikermeister. Also gerade das Gegenteil von dem, worunter andere Branchen gerade in die Knie gehen.

Damit das so bleibt, keilt der ZVA gegen die Onliner in einem Positionspapier. Aus Gründen der Praktikabilität und um den Bestellvorgang möglichst einfach zu gestalten, würden von den Internethändlern beim Kunden zu wenig Daten abgefragt, um die fachgerechte Herstellung einer Korrektionsbrille zu garantieren. "Kein Online-Brillenhändler in Deutschland berücksichtigt derzeit die Einschleifhöhe der Brillengläser, den Hornhautscheitelabstand oder die Fassungsvorneigung." Das führe beim Kunden zu Kopfschmerzen, Schwindel und Übelkeit. "Damit müssen Brillen von Internethändlern als gesundheitsgefährdende Medizinprodukte angesehen werden, die nach den Vorschriften des Medizinproduktegesetzes nicht ohne weiteres verkehrsfähig sind", so das Positionspapier.

Fachgeschäfte leiden unter Online-Händlern

Wie Brillen das Image verändern
Kleider machen Leute, sagt der Volksmund. Wenn das stimmt, dann sind Brillen das i-Tüpfelchen des modebewussten Menschen. Natürlich liegt diesem vermeintlichen Stylevorsprung einer Schwäche zugrunde: Ohne Brille können immer mehr Menschen in unserer heutigen Zeit nicht mehr richtig sehen. Doch diese Schwäche gilt es zu kaschieren und die Fassung dient dabei als mögliches Mode-Accessoire, dessen Potenzial es völlig auszuschöpfen gilt. Politiker, Künstler und Firmenchefs machen vor wie. Quelle: AP
Außenminister Guido Westerwelle hat bei seinem Brillenkauf alles richtig gemacht. „Die schmale Fassung ist modern, neu, elegant und sachlich. Sie passt zum Typ und sicher gewollten Image”, sagt Kerstin Kruschinski vom Kuratorium Gutes Sehen. Quelle: AP
"Brillen dienen bei Personen des öffentlichen Lebens dazu, einen optischen Wiedererkennungswert zu schaffen", so Petra Waldminghaus, Geschäftsführerin der Imageberatung Corporate Color. "Ohne Gläser könnten sich Fans und Medien nicht so einfach an die Personen wieder erinnern". Sicherlich ein Beispiel für eine Marke, die ohne Brille nicht so gut funktionieren würde: Der Musiker Udo Lindenberg. Quelle: dapd
Gregor Gysi zeigt sich gegenüber Trends resistent und trägt schon seit Jahrzehnten Brillen mit runden Gläsern. Quelle: dpa
„Die runden Gläser passen gut zu seiner extravaganten Erscheinung und der intellektuelle Touch des Modells betont seine pfiffige Art zusätzlich”, urteilt Kruschinksi dagegen über die Brille von Horst Lichter. Quelle: dpa
Auch Politikern ist ihre Außenwirkung besonders wichtig. Die Ausprägung dieser Eitelkeit variiert natürlich, einigen reicht es schon, wenn sie als Politiker und mögliche Staatsmänner überhaupt wahr genommen werden. "Eine schwarze Fassung mit breiten und dicken Brillenrändern hilft einer Person bei ihrer äußeren Wahrnehmung in einem Raum", so die Imageberaterin Petra Waldminghaus. "Einige Politiker oder Unternehmenschefs brauchen daher diese trendigen und nerdigen Brillen, um sich eine stärkere Präsenz zu verschaffen". Vor diesem Hintergrund lässt sich der Brillenwechsel des SPD-Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier vielleicht besser erklären. Links: die alte Fassung der Steinmeiergläser; rechts: der neue Steinmeier im Bundestag. Quelle: dapd
Kein anderer deutscher Politiker hat in der Vergangenheit so viele verschiedene Brillenmodelle ausprobiert wie Ronald Pofalla. Nach markanten ovalen und eckigen Modellen trägt er aktuell ein rahmenloses Gestell. Quelle: AP/dapd

Dass gerade erst der Glashersteller Essilor einen Online-Anbieter übernommen hat, hält Truckenbrod für keine Kampfansage: "Essilor hat sich damit für alle Eventualitäten gewappnet, falls sich technischen Möglichkeiten für einen besseren Verkauf übers Internet in der Zukunft ergeben sollten."

Doch nicht nur zwischen Onlinehandel und stationären Anbietern herrscht Zwietracht.

Auch die niedergelassenen Optiker jagen einander die Kundschaft ab - über Preiskämpfe. Aus Sicht von Jan Wetzel, dem ZVA-Geschäftsführer, ist das wenig segensreich: "Wir sind eine konkurrenzbetonte Branche und bei einigen Optikern ist das stark ausgeprägt." Doch der Preiskampf entwickele sich häufig zu einem Bumerang und produziert nur Schnäppchenjäger: "Viele Händler mit Rabattangeboten klagen später, dass ihre Kunden dann gar keine Brillen mehr zu normalen Preisen kaufen." Damit wäre der Zweck der Lockangebote, Kunden billig ködern und zu teureren Käufen verführen, verfehlt.

Schwierig bleibt die Lage für die vielen kleinen unter den rund 12.000 Fachgeschäften. Sie werden zugleich von Online-Händlern und erfolgreichen Filialisten wie Fielmann in die Zange genommen. Der Platzhirsch der Branche machte 2013 in 578 Filialen 914 Millionen Euro Umsatz. Konkurrent Apollo schaffte mit 750 Filialen nicht einmal die Hälfte – 414 Millionen Euro.

Kleine Familienbetriebe oder Meister mit einem Auszubildenden kämpfen mit fachlich hohem Niveau und dennoch mühsam gegen diese Marktmacht an. ZVA-Chef Truckenbrod bringt es ungewollt auf den Punkt: Die augenoptische Versorgung in Deutschland sei hervorragend. Es sei ein schöner und anspruchsvoller Beruf, weshalb er auch Schulabgänger auf Ausbildungssuche anspräche. "Aber manche zweifeln, ob sie davon auch eine Familie ernähren können", so Truckenbrod.

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