Aus'zapft is Erst sterben die Bäcker – und jetzt die Brauereien?

Von Januar bis Ende Oktober 2022 lag der Bierabsatz zwar um 2,8 Prozent höher als im schwierigen Coronajahr 2021. Das im Vorkrisenjahr 2019 erreichte Niveau wurde aber verfehlt. Quelle: AP

Brauereien zwischen Partylaune und Pleitesorgen: Während große Hersteller wie Veltins, Krombacher und Warsteiner ihr Corona-Comeback feiern, kämpfen viele mittelständische Brauer ums Überleben.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Jakobiner Bräu stellt Insolvenzantrag, Krombacher steigert Bierabsatz – zwei Meldungen aus der vergangenen Woche, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Während Großbrauereien wie Krombacher, Veltins und Warsteiner zuletzt von einem Corona-Comeback berichteten und gute Geschäftszahlen präsentierten, stehen vor allem mittelgroße Brauereien mit dem Rücken zur Wand.

„Für die deutsche Brauwirtschaft geht eines der schwierigsten Jahre ihrer Geschichte zu Ende“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes, Holger Eichele, unlängst gegenüber der Nachrichtenagentur „Reuters“. Die Energiepreiskrise habe die Branche, die noch geschwächt sei von den finanziellen Folgen der Corona-Lockdowns, mit voller Wucht getroffen. Angesichts dieser Belastungen sei noch nicht klar, welche Perspektive die Brauereien für das neue Jahr hätten. „Die Sorge der Unternehmen vor weiter steigenden Preisen und Engpässen bei der Energieversorgung ist groß“, so Eichele.

Auf der einen Seite habe sich die Produktion von Bier und anderen Getränken durch die hohen Energiepreise und die Inflation massiv verteuert. „Auf der anderen Seite beobachten wir bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern eine zunehmende Konsumzurückhaltung“, sagte Eichele. „Dies gilt nicht nur für den Handel, sondern auch für die Gastronomie und den Inlandstourismus, wo immer mehr Gäste jeden Cent umdrehen müssen.“

Hohe Kosten, knappes Personal, fehlende Gäste – vielen Kneipen und Gaststätten droht in den nächsten Jahren das Aus. Dabei hätten die meisten gute Chancen, wenn sie sich ein wenig veränderten.
von Karin Finkenzeller

Von Januar bis Ende Oktober 2022 lag der Bierabsatz den Angaben zufolge mit 74,2 Millionen Hektolitern zwar um 2,8 Prozent höher als im Vergleichszeitraum des schwierigen Coronajahrs 2021, das von herben Umsatzeinbußen geprägt war. Das im Vorkrisenjahr 2019 erreichte Niveau von rund 78,5 Millionen Hektolitern sei aber verfehlt worden. „Dies veranschaulicht, welch enorme Mengen im deutschen Biermarkt durch die Krisen verloren gegangen sind“, sagte Eichele.

„2022 wird eines der schwärzesten Jahre unserer Geschichte, und die Aussichten für 2023 sind leider düster“, hat der Bierlobbyist schon im Vorfeld verkündet. Schlechte Geschäfte? Miese Perspektiven? Beim Blick auf die Geschäftszahlen der großen Player konnte man zuletzt einen ganz anderen Eindruck gewinnen.

„In einer Art Sandwich-Position“

So fuhr die Krombacher-Gruppe 2022 einen Rekordumsatz von 892,3 Millionen Euro ein, 8,3 Prozent mehr als im Vorjahr. Bei Warsteiner stieg der Absatz der Stammmarke Warsteiner um 9,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. „Wir konnten sowohl in der Gastronomie als auch im Handel deutlich zulegen“, betonte der Vorsitzende der Geschäftsführung, Helmut Hörz. Und auch die Brauerei Veltins hat dank der Aufbruchstimmung in der Gastronomie mit vollen Kneipen, Biergärten und Veranstaltungen so viel Bier verkauft wie noch nie in ihrer fast 200-jährigen Geschichte. Der Absatz stieg im Jahr 2022 um 8,4 Prozent auf 3,36 Millionen Hektoliter, teilte das Familienunternehmen mit.

Allein, die Ergebnisse der Großbrauereien sind nicht repräsentativ für den zersplitterten deutschen Biermarkt, in dem sich mehr als 1500 Brauereien tummeln. „Schwierig ist die Lage vor allem für mittelgroße Brauereien“, sagt Insolvenzexperte Jürgen Erbe von der Kanzlei Schultze & Braun. Er war im Sommer 2022 als Insolvenzverwalter der traditionsreichen Privatbrauerei Bischoff mit Sitz in Winnweiler im Einsatz und musste den Geschäftsbetrieb letztlich schließen.

Mittelgroße Brauereien befänden sich oft „in einer Art Sandwich-Position“, sagt Erbe. Kleine Hausbrauereien könnten höhere Preise verlangen und ihr Auskommen in der Nische finden. Aber ab einer bestimmten Größe müssten sich die Unternehmen im Vertrieb und bei den Preisen mit den großen Marktteilnehmern messen. Hinzu kämen weitere Themen wie der Fachkräftemangel oder der Anstieg der Energiekosten.

„Viele Traditionsbrauereien nutzen Kessel und Tanks aus Jahrzehnten, in denen Energieeffizienz noch nicht so wie heute im Fokus stand“, sagt Erbe. „Die haben dann meist auch nicht die beste Energiebilanz, was die Kostenbelastung im Vergleich zu modernen Großbrauereien zusätzlich erhöht.“ Auch die Corona-Pandemie habe kleine und mittelgroße Unternehmen stärker getroffen als die Großbrauer. Volksfeste wurden abgesagt, Restaurants und Kneipen waren zeitweise geschlossen. „All das hat den Fassbiermarkt extrem belastet“, so Erbe. Und das Marktsegment sei für mittelständische Brauereien weitaus wichtiger als der Flaschenverkauf im Supermarkt. Die Folge: „Die Corona-Durststrecke wirkt finanziell noch immer nach“, sagt Erbe.

Kaffee und Kram Lässt sich Tchibos Niedergang aufhalten?

75 Jahre nach der Gründung bröckelt die Geschäftsbasis von Tchibo. Konzernpatron Michael Herz stemmt sich gegen den Niedergang des Kaffeehändlers.

BaFins Geldwäsche-Bekämpferin „Merken bei manchen Häusern, dass sie keinen Fokus auf die Geldwäscheabwehr legen“

Birgit Rodolphe leitet den Kampf der BaFin gegen Geldwäsche. Sie sagt, warum manche Banken das Problem nicht in den Griff bekommen – und wen sie jetzt ins Visier nimmt.

Wohneigentum Deshalb besitzen so wenige Deutsche ein Eigenheim

In Deutschland gibt es verhältnismäßig wenig Eigenheimbesitzer. Nur die Schweiz hat noch weniger. Was dahinter steckt und warum Deutschland Mieterland ist.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Mit ganz ähnlichen Problemen hatten zuletzt schon Deutschlands Bäcker zu kämpfen. Auch sie leiden massiv unter den hohen Energiekosten. Die Energiekrise sei „ein Katalysator für die Herausforderungen in der Bäckerbranche, denen sich das Handwerk stellen muss“, sagte jüngst Daniel Schneider, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des deutschen Backhandwerks der WirtschaftsWoche. Er warnt: In diesem Jahr werden wohl weitere Backbetriebe aufgeben müssen. Das dürfte auch für die Bierbranche gelten.

Lesen Sie auch: Trotz Hilfen bleibt in vielen Bäckereien der Ofen bald aus

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%