Autonomes Fahren Experten weisen Roboterauto die Schuld bei tödlichem Unfall zu

Nach erster Einschätzung der Polizei hätte der tödliche Unfall mit einem Roboterauto nicht verhindert werden können. Experten sehen das allerdings anders.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Autonomes Fahren: Experten geben Uber-Auto die Schuld am Unfall Quelle: Reuters

San Francisco Nach ersten Angaben der Polizei aus Arizona kam das Opfer beim Unfall mit einem Roboterauto aus dem Nichts. „Das Opfer kam nicht aus dem Nichts“, widerspricht aber nun Bryant Walker Smith, ein Jura-Professor an der Universität von South Carolina, der sich auf autonome Fahrzeuge spezialisiert hat. „Sie bewegte sich auf einer dunklen Straße. Aber es ist eine offene Straße, ohne Hindernisse.“

Nach Einschätzung des Experten hätten Lidar und Radar die Frauen direkt erkennen müssen. Denn damit scannt ein Roboterauto unaufhörlich seine Umgebung, um Straßenverläufe und Hindernisse zu entdecken. Sam Abuesmaid, Analyst bei Navigant Research, ist ähnlicher Meinung. Lidar und Radar seien in der Lage, in der Dunkelheit viel besser zu „sehen“ als menschliche Augen. Die Fußgängerin sei „ganz klar“ in der Reichweite der Systeme gewesen. „Es gibt keinen Zweifel“, so der Experte, „das System hätte sie entdecken müssen. Aus dem was ich aus dem Video erkennen kann, ist das Fahrzeug schuld, nicht die Fußgängerin.“

Die Polizei in Tempe hatte in einer ersten „vorläufigen Einschätzung“ am Montagmorgen noch erklärt, der Unfall wäre weder von einem Menschen noch von einer Maschine verhindern zu wesen. Doch bereits zu diesem Zeitpunkt fragte man sich, warum die Technik in Dunkelheit nichts bewirken konnte. Am späten Mittwoch bestärkte dann die Veröffentlichung eines 22-sekündigen Videos von der Armaturenbrettkamera des von Uber umgebauten Volvo XC90 die Skeptiker der Technik.

Darauf ist zu sehen, dass die Fußgängerin, bereits fast die gesamte Straße überquert und beinahe den Bürgersteig erreicht hatte, als sie plötzlich im Scheinwerferlicht auftauchte. Besonders verstörend ist dabei die auch von der Polizei bestätigte Tatsache, dass das im automatischen Modus fahrende Auto völlig ungebremst auf die Frau zufuhr und diese mit der rechten Frontseite erfasste.

Eine an Bord befindliche Sicherheitsperson griff ebenfalls nicht ein. Aus welchem Grund – das werden die andauernden Ermittlungen der Polizei ergeben müssen. Die 49-jährige Fußgängerin erlag wenig später im Krankenhaus ihren schweren Verletzungen.

Experte Smith weist zwar darauf hin, dass das Video nur einen „Teil des Gesamtbildes zeige“, es lege aber „stark nahe, dass es mehrfaches Versagen von Uber, dem automatisierten System und dem Sicherheitsfahrer“ gegeben habe.

Die vom Gesetz vorgeschriebene Sicherheitsperson, die in genau solchen Fällen eingreifen soll, scheint Sekunden vor dem Vorfall die Augen nicht auf der Straße gehabt zu haben, wie ein Video aus einem anderen Blickwinkel zeigt. Sie reißt praktisch erst im Moment des Aufschlags panikartig die Augen auf, wie dort zu sehen ist.

Da die Frau mit ihrem Fahrrad nur ein bis zwei Sekunden vor dem Unfall im Scheinwerferlicht auftaucht, gehen praktisch alle Experten davon aus, dass ein menschlicher Fahrer den Unfall nicht hätte verhindern können. Aber unter Umständen hätte ein beherztes Verreißen des Lenkrads nach links die Unfallfolgen noch abmildern können. Gerade das völlig sture und ungebremste Fahrverhalten des Roboters gibt jetzt Rätsel auf. Dabei behaupten die Befürworter der Technik, dass der Roboter jedem Menschen bezüglich des Reaktionsvermögens überlegen sei.

Die Ungereimtheiten werden wohl in einem noch folgenden Prozess zu klären sein. Nach dem Auftauchen des Beweisvideos wird eine Klage der Familienangehörigen gegen Uber, den Sicherheitsfahrer und Volvo immer wahrscheinlicher. Folgende Fragen müssten dann beantwortet werden: Wie hat Uber das System programmiert? Hat die Software die Erkenntnisse der Sensoren falsch interpretiert? Hat ein Programmfehler die Ausführung eines Notprogramms verhindert? Welche Präferenzen hat der Robot-Fahrer mitbekommen – soll er zuerst den Fußgänger schützen oder die Fahrzeuginsassen?

Uber hat bislang zu konkreten Details keine Stellung bezogen. Das Unternehmen sprach jedoch von einer Tragödie und beteurte, in allen Fragen vollständig mit den Ermittlungsbehörden zusammenzuarbeiten. Das Unternehmen aus San Francisco hat sämtliche Testfahrten mit seinen Roboter-Fahrzeugen auf unbestimmte Zeit eingestellt.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%