AWS-Serverausfall Tippfehler legt die halbe Cloud lahm

Kleine Ursache, große Wirkung: Ein falscher Befehl führte zum größten Ausfall des Cloud-Giganten von Amazon seit dessen Bestehen. Die wirtschaftlichen Folgen für viele Onlinehändler sind enorm.

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Die Amazon Web Services (AWS) auf dem Cebit-Messegelände im vergangenen Jahr: Was, wenn die Cloud einmal versagt? Quelle: dpa

Das halbe Internet kam am Dienstag zum Stillstand, und der Grund dafür ist an Peinlichkeit kaum noch zu überbieten. Kein Terrorangriff, keine außerirdischen Cyberhacker oder Cybergangster legten 54 der 100 größten Onlinehändler der Welt lahm. Es war ein gestandener Software-Techniker von Amazons Cloud-Tochter AWS, der offenbar lediglich durch eine kleine, unachtsame Fehleingabe den Ausfall der AWS-Serverinfrastruktur an der Ostküste Amerikas bewirkte. Am Donnerstag entschuldigte sich Amazon ausführlich und hochnotpeinlich für die Vorkommnisse.

Kurz gefasst sollte einfach nur das interne Abrechnungssystem überarbeitet und beschleunigt werden. Dafür wurden ein paar Computer-Server in den Rechenzentren abgeschaltet. Dabei waren aber manuell falsche Parameter in die „bewährte“ Software eingegeben worden, und aus ein paar wurden ein paar zu viele Server. Das setzte eine Kettenreaktion in Gang.

Einige dieser Computer hatten andere Software-Plattformen von AWS bedient, die nun ihrerseits abschalteten. Dadurch standen wieder anderen Diensten benötigte Funktionen nicht zur Verfügung. Das ganze System kam unter gigantischem Quietschen zum Stillstand.

Die betroffenen AWS-Kunden konnten nicht oder nur mühsam auf ihre Daten zugreifen oder Transaktionen vornehmen. Die Kunden dieser Unternehmen konnten nichts bestellen, kaufen oder irgendwelche Dienstleistungen abrufen.

Yahoo Finance zitiert den Cyber-Dienst Cyene aus San Mateo mit der Schätzung, dass alleine die S&P-500-Unternehmen in den wenigen Stunden zusammen 150 Millionen Dollar eingebüßt haben. Finanzdienstleister sollen zusammen 160 Millionen Dollar an Umsatz verloren haben.

Betroffen waren laut dem Internet-Überwachungsdienstes Apica 54 der 100 größten Online-Händler, die Leistungseinbußen von mindestens 20 Prozent erlitten. Drei Anbieter, Express, Lulu Lemon und One Kings Lane ,waren für Stunden komplett vom Netz verschwunden, bis sich die AWS-Dienste langsam und nach den dafür vorgesehenen Prozessen wieder neu gestartet hatten.

Was der mehrere Stunden dauernde Ausfall für die Umsätze ausgemacht hat, wird man wahrscheinlich von einigen Unternehmen erfahren, wenn sie die nächsten Quartalszahlen vorlegen werden. Beim Disney Store beispielsweise waren während des vierstündigen Ausfalls am Dienstag die Aufbauzeiten des Webshops um 1165 Prozent verlangsamt, Handelsgigant Target war 991 Prozent langsamer, Nike verbuchte Minus 642 Prozent, Ex-Ivanka-Trump-Händler Nordstrom reagierte um 592 Prozent langsamer und der Wäsche-Shop von Victorias Secret baute seine Webbilder 353 Prozent verzögert auf.

Was der Cloud-Ausfall für Amazon bedeutet


Der Ausfall kommt zu äußerst ungünstiger Zeit für Amazon. AWS ist das größte Zugpferd im Stall des Jeff Bezos mit einem Umsatz von 3,5 Milliarden Dollar im vierten Quartal 2016. Ein Jahr zuvor waren es noch 2,4 Milliarden.

Doch besonders Microsoft mit seinem Dienst Azure hat erfolgreich den Kampf um die großen Unternehmenskunden aufgenommen. Microsoft-CEO Satya Nadella will 2018 die Umsatzmarke von 20 Milliarden Dollar überschreiten. Nach Berechnungen der Marktbeobachter von Canalys ist der globale Markt für Cloud-Infrastruktur im vierten Quartal um 49 Prozent zum Vorjahresquartal auf 10,3 Milliarden Dollar angewachsen. AWS beherrscht 33,8 Prozent des Weltmarktes, die drei Nachzügler Microsoft, Google und IBM kommen zusammen auf 30 Prozent. Oracle kommt auf 1,7 Prozent.

Die drei Typen der Cloud

Um welche Beträge es für einzelne Unternehmen gehen kann, zeigt überdeutlich das junge Börsenunternehmen Snap, das am Donnerstag erstmals gehandelt wurde. Snap wird im Laufe von fünf Jahren laut Börsenprospekt rund zwei Milliarden Dollar an Googles Cloudservice überweisen, damit der Dienst Snapchat störungsfrei läuft. Nur einen Tag vor der Veröffentlichung des Börsenprospekts im Februar wurde noch ein weiterer Vertrag mit AWS über eine Milliarde Dollar auf fünf Jahre als „Back-Up-System“ abgeschlossen.

Denn, so der Börsenprospekt, wenn der Zugang zu Googles Cloud zusammenbrechen würde, könnte das massive Auswirkungen auf das Geschäft haben. Bei rechnerisch 600 Millionen Dollar pro Jahr liegen damit allein die Cloud-Ausgaben über dem gesamten Jahresumsatz von 2016. Die gesamten Einnahmen des Börsengangs von 3,4 Milliarden Dollar reichen gerade mal aus, um diese Rechnungen zu bezahlen.

Amazon verspricht jetzt Besserung. Es soll in Zukunft nicht mehr möglich sein, in einem Rutsch dermaßen große Kapazitäten herunterzufahren, heißt es im Firmenblog. Außerdem gibt es nun Sicherheitsbarrieren, die verhindern sollen, dass Server vom Netz genommen werden, die andere Subsysteme bedienen. Und Werner Vogels, Chef der Sparte, will sich jetzt ein Tattoo stechen lassen, verkündete er auf Twitter: „Alles geht kaputt, immer.“

Dabei hat Vogels noch mal richtig Glück gehabt. Nicht betroffen war der weltgrößte Online-Händler der Welt, Amazon.com seines Bosses Jeff Bezos. Diese Rechner laufen höchstwahrscheinlich an der amerikanischen Westküste im Heimatstaat Washington, so wie auch die für Airbnb oder Netflix.

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