Diesen 35 Tonnen schweren Koloss aus Stein, Eisen, Lehm und Schamott wollte Günther Weber nicht in seiner Backstube haben. Zu launisch, zu unberechenbar fand der Bäckermeister so einen Holzofen. Diese archaische Backtechnik, bei der er die Temperatur nicht per Knopfdruck regeln kann, war ihm nicht geheuer.
Heute schichtet der 62-Jährige einen Meter lange Buchenscheite in den Ofenschlitz auf Schulterhöhe, als hätte er sein ganzes Berufsleben lang nicht anders gebacken. Geduldig wird er vier Stunden lang warten, ehe er den geformten Teig einschieben kann. Es dauert, bis das Feuer im Ofen, das nun bei 800, 900 Grad lodert, die 14 Zentimeter dicke Schamottschicht so stark aufheizt, dass Brot und Gebäck die typische rösche Kruste bekommen. Aber erst müssen die Scheite herunterbrennen, dann wird Weber die Aschereste mit dem nassen Lappen sorgfältig entfernen. Der Ofen diktiert hier den Arbeitsrhythmus des Bäckers. Er beginnt nicht frühmorgens, sondern spätabends um elf mit dem Aufheizen.
Freundschaft mit dem Holzofen
Als Aussteiger kam Weber, Bäckermeister in dritter Generation, vor 19 Jahren nach Zwiefalten auf der Schwäbischen Alb, auf halbem Weg zwischen Stuttgart und Bodensee. Die beiden Töchter sollten nicht an einer Bundesstraße aufwachsen, deshalb folgten er und seine Familie der Schwägerin, die im idyllischen Lorettohof Ziegenkäse produzierte. Hier tragen die Linden im Sommer schwer an ihren Blüten, auf dem Gehöft riecht es nach Grün. Und da in dieser Gegend kommunale Backhäuser Tradition sind, in denen Dorfbewohner in Holzöfen ihren Teig backen, freundete sich Weber auch mit dem schweren Koloss und der altmodischen Backtechnik an, die er nun wie wenige im Land beherrscht.
Von weither kommen die Kunden, um im Hofladen, einer Wallfahrtskapelle aus dem 17. Jahrhundert, ihr täglich Brot einzukaufen. Warum sie diese langen Anfahrtswege auf sich nehmen, ist mit dem ersten Bissen klar. Vielleicht auch schon früher, beim Betreten des Ladens, wenn der Duft der frischen Laibe in der Luft liegt. Ein Brot ist hier mehr als ein Grundnahrungsmittel, das schon die alten Ägypter kannten, mehr als eine bloße Unterlage für Käse und Wurst, mehr als ein essbarer Schwamm, mit dem sich Saucenreste einfangen und Teller blank putzen lassen. Der Holzofen verleiht Webers Brot ein besonders saftiges Inneres, weil ihm beim Backen keine Wärme zugeführt wird, die Zugluft entstehen lässt. Ein Hauch von Rauch schwingt mit, ein wenig Geschmack wie bei einer neapolitanischen Pizza.
Wie bei einem guten Wein
Anderthalb Autostunden nordwestlich vom Lorettohof, in Herrenberg bei Stuttgart, backt Jochen Baier Brote, an die man sich genauso lang erinnert. Etwa der eckige Laib aus Hanf und Emmer, einem alten Getreide, das lange nicht mehr angebaut wurde, weil der Ertrag so viel niedriger lag als bei hochgezüchtetem Weizen. Das Brot schmeckt nussig, im Abgang kommt ein Kakao-Ton hinzu – wie bei einem guten Wein, der im Mund eine Reihe von Aromen entfaltet.
Wieviel Zucker steckt in...
In dem Schokoriegel (18 Gramm) stecken rund sechs Gramm Zucker.
In einem Riegel (58 Gramm) stecken rund 39 Gramm Zucker.
20 Gramm der Schokocreme enthalten rund 12 Gramm Zucker.
200 Milliliter Apfelsaft enthalten 20 Gramm Zucker.
200 Milliliter Cola enthalten etwa 18 Gramm Zucker.
200 Milliliter Milch enthalten 10 Gramm Zucker.
Eine Portion (50 Gramm) dieses Kinderprodukts enthält 7,6 Gramm Zucker.
Zwiebelsuppe aus der Tüte von Maggi enthält laut Hersteller 24 Gramm Zucker auf 100 Gramm der trockenen Zubereitung. Fertig gekocht entspricht das bei einer Portion von 250 Millilitern 3,3 Gramm Zucker.
Baier ist der Gegenentwurf zu Bäcker Weber, in dessen Backstube nur das Radio elektrisch läuft. Bei Baier, in sechster Generation Bäcker, teilt ein Hightechportionierer den Teig, ein japanischer wohlgemerkt, der ist sanfter. „Deutsche Portionierer machen die Teigstruktur kaputt“, sagt Baier. Seine computergesteuerten Knetmaschinen mischen die Mehlsorten für 40 Brotsorten, immer im richtigen Verhältnis, auch für das Steinofenbrot, dessen Rezept seine Vorfahren mündlich überliefert haben.
Baier profitiert vom Wissen seiner Vorfahren, verklärt die guten alten Zeiten aber nicht. „Es muss nicht alles bleiben, wie es war“, sagt er, „Nostalgie ist keine gute Voraussetzung für gutes Brot.“ Von einer Backstube kann bei ihm nicht die Rede sein, mehr als acht Meter hoch sind hier die Wände, damit die Wärme steigen, sich verflüchtigen kann. Dank einer hochmodernen Lüftung an der Decke verharrt die Raumtemperatur selbst im Hochsommer bei 22 Grad.
Bäcker Baier hat, fünf Generationen lang, im Herzen der Kleinstadt gebacken, erst seit Mitte Juni entsteht das Brot nun hier, nah der Ausfahrt zur A 81, direkt neben einer Filiale von McDonald’s. Natürlich war der Umzug ins Industriegebiet ein Einschnitt. Um sein Handwerk zu unterstreichen, hat Baier ein drei mal vier Meter großes Fenster einbauen lassen, durch das die Kunden den Bäckern künftig aus Laden und Café bei der Arbeit zusehen können.
Die deutsche Brotvielfalt
So unterschiedlich die Ansätze von Weber und Baier auch sind, eines haben die beiden schwäbischen Bäcker gemeinsam: ihren hohen Anspruch an die Qualität. Ihre Brote enthalten Wasser, Mehl, Hefe und Sauerteig, das ist alles – in Deutschland mittlerweile eine Seltenheit. Mehr als 70 Zusatzstoffe wie Aminosäuren, Enzyme und Stabilisatoren sind offiziell erlaubt. Zwei Drittel der Backwaren entstehen industriell, wandern in Supermarkt oder Discounter in den Einkaufskorb. Deutschlands größter Bäcker heißt Edeka. Das Unternehmen erwirtschaftete 2015 mit Brötchen, Brezeln und Broten einen Umsatz von 600 Millionen Euro.
3200 verschiedene Brotsorten gibt es in Deutschland, so viele wie in keinem anderen Land. Die Unesco hat die deutsche Brotvielfalt, durch Kleinstaaterei entstanden, zwar zum Weltkulturerbe ernannt – doch das tägliche Brot der Deutschen hat mit Sortenfülle und Genuss meist wenig zu tun. Viele Kunden greifen aufgrund der unschlagbar niedrigen Preise zur Industrieware. „Wenn eine ungelernte Kraft einen industriell gefertigten Teigling in den Ofen schiebt, dann können wir nicht mithalten“, sagt Daniel Schneider, Geschäftsführer des Zentralverbands des deutschen Bäckerhandwerks.
Die industrielle Konkurrenz verdrängt das Handwerk. In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Zahl der Bäckereien in Deutschland auf rund 12 000 halbiert. Jede Woche geben im Schnitt fast neun Betriebe auf. An dem Niedergang ist allerdings nicht nur die Industrie schuld, die Handwerksbetriebe sind mitverantwortlich. Qualität spielt für sie oft keine Rolle mehr. „Deutsche Bäcker rühmen sich, dass sie den niedrigsten Mehlpreis bezahlen“, sagt Baier. „Französische Bäcker rühmen sich, dass sie mit dem besten Weizen arbeiten.“
Die sieben Erfolgsfaktoren gesunder Ernährung
“Buy fresh, eat fresh”: Frisches kaufen, Frisches essen”
Zucker vermeiden
Weizenmehl vermeiden
“Frankenfoods” (Frankenstein Food), also Nahrungsmittel aus genetisch veränderten Pflanzen oder Tieren vermeiden
Gute Proteine wie (Hühner-)Fleisch, Nüsse und Körner essen
Gute Fette verwenden; sie machen nicht fett, denn die Übeltäter sind Zucker und Weißmehl
Phytonutrients, also Phytonährstoffe, sind Nährstoffe in pflanzlichen Lebensmitteln. Sie sind, anders als Vitamine, nicht lebensnotwendig. Aber sie halten gesund und fit und sollen die Lebenserwartung verlängern.
In Frankreich bietet ein Starbäcker wie Eric Kayser der Industrie Paroli, indem er Brot zur Delikatesse erhebt. Wie ein Modedesigner veredelt er seinen Namen (und seine Produkte) mit dem Zusatz „Paris“ und weist selbstbewusst darauf hin, dass er auch Filialen in London und New York betreibt. In Deutschland denken die meisten Bäcker lieber klein und setzen auf Chemie statt Glamour. Technische Enzyme sorgen dafür, dass auch weniger gute Weizensorten verarbeitet werden können und die Backeigenschaften das ganze Jahr über konstant bleiben. Backmittelhersteller wie die Ulmer Spatz, eine Tochter des internationalen Marktführers CSM, versprechen Bäckern den „Wachstumsschub für Ihr Brotgeschäft“, wenn sie vorproduzierte Mischungen anrühren wie Schuhbecks Gewürzkruste, für die der bayrische Sterne-Koch mit Gesicht und Namen wirbt. Das Konzept ist immer dasselbe: Plakate und Produkt-Banderolen können die Bäcker mitbestellen.
Bio statt Allergie
Doch woran erkennt man die Spreu im Brotgeschäft, woran den Weizen? Was macht ein richtig gutes Brot aus? „Wenn ich Fantasienamen lese wie Hildegard-von-Bingen-Brot, dann werde ich misstrauisch“, sagt Lutz Geißler, der sich mit Brot auskennt wie kaum ein Zweiter in Deutschland. Der Geologe fing mit dem Backen an, als er an seiner Diplomarbeit schrieb und einen Ausgleich zur Arbeit am Bildschirm suchte. Mit wissenschaftlicher Akribie machte er sich auf die Suche nach den Geheimnissen guten Brotes. Er entdeckte zum Beispiel, dass sich in einem Haushaltsofen dieselben Verhältnisse wie in einem Bäckerofen herstellen lassen, wenn eine Schale mit anderthalb Kilogramm Schrauben miterhitzt und zum richtigen Zeitpunkt mit einer definierten Wassermenge besprüht wird, um Dampf im Inneren herzustellen.
„Das Interesse am guten Produkt wächst“, sagt Geißler, der Kurse für Amateure und Profis anbietet. „Viele Privatleute kommen, weil sie in ihrer Gegend schlicht kein gutes Brot mehr finden“, erzählt er. Woran das liegt? Im deutschen Bäckerhandwerk lernen die Auszubildenden weder den richtigen Umgang mit den Rohstoffen noch die verschiedenen Eigenschaften von Mehl. In den vorgefertigten Mischungen sorgt die Chemie dafür, dass alle Prozesse gleichmäßig und beschleunigt ablaufen: Statt in 20 bis 24 Stunden ist ein Natursauerteig in drei bis vier Stunden ofenfertig. Das Fachwissen, das die offizielle Weiterbildungsstätte – die Akademie Deutsches Bäckerhandwerk in Weinheim – vermittelt, hat Geißler wenig beeindruckt: „Ich habe dort Meisterkurse belegt und mich gelangweilt.“
Die beiden Vorzeigebäcker aus dem Schwäbischen haben aus unterschiedlichen Gründen beschlossen, ihren eigenen Weg zu gehen. Der Traditionalist Weber kommt aus der Anti-AKW-Bewegung, buk zunächst in einem Kollektiv und immer schon mit Biozutaten, weil ihm wichtig war, „einen möglichst kleinen Fußabdruck auf dieser Erde zu hinterlassen“. Baier, der zunächst Konditor lernte, dann Bäcker und außerdem Betriebswirtschaft, stand mit 26 Jahren vor der Entscheidung, den Betrieb der Eltern zu schließen, weil er an Allergien litt. Die Berufsgenossenschaft empfahl ihm dringend, sich von Mehl fernzuhalten. Doch er entdeckte, dass sein Asthma und sein Heuschnupfen abklangen, wenn er mit Biomehl arbeitete und auf alle Zusätze verzichtete. Der Vater fürchtete, dass die Ökoware den Betrieb in den Ruin treiben würde; ein Kunde sagte ihm, dass er für den Biohumbug keinen Pfennig draufzahlen werde. Bis heute weisen im Laden nur sehr dezente Schilder darauf hin, dass es sich um Demeter-Ware handelt. Sehr viel größer fällt dagegen der Hinweis aus, dass fast alle Zutaten aus der Gegend kommen, dass das Mehl seit fast 20 Jahren vom selben Lieferanten bezogen wird. „Nur die Kürbiskerne kommen aus der Steiermark“, sagt Baier, „die wachsen nicht in Baden-Württemberg.“
Selbst beim Wasser geht Perfektionist Baier nicht den einfachen Weg. Er nutzt Wasser, das durch Edelsteinschichten gefiltert wird und dadurch seine Urform zurückbekommen soll. „Ich war sehr skeptisch, als ich davon hörte, es klang esoterisch“, erinnert er sich. Erst seit zwei Jahren redet er drüber; er befürchtete, die Kundschaft könnte ihm „Hokuspokus“ vorwerfen. „Aber der Teig wird viel lebendiger, viel wohliger“, erzählt er. Und macht damit deutlich, was die wichtigste Zutat für gutes Brot ist: Herzblut.