Bangladesch Bengalisches Feuer

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300 Arbeiter weiterhin vermisst

Gefahr für das Image von Kik & Co. Protestierende Textilarbeiterinnen in Dhaka Quelle: GMB Akash für WirtschaftsWoche

Der irische Discounter Primark, der seine Klamotten zu Schleuderpreisen verramscht, verspricht auf seiner Homepage, "ethische und nachhaltige Lieferketten zu formen". Man kaufe "verantwortungsvoll" in Bangladesch ein und schule die Lieferanten auch bei der Arbeitssicherheit. In der "New Wave Bottoms"-Fabrik, die in den oberen Etagen des Rana Plaza fertigte, hat das offenbar nicht funktioniert. Die drei Diesel-Notstromaggregate, die das Gebäude vermutlich zum Einsturz brachten, blieben bei den Kontrollen der Primark-Kontrolleure unbeanstandet.

Rund drei Monate nach der Katastrophe hängt immer noch ein süßlicher Verwesungsgeruch über dem Trümmerberg, rund 300 Arbeiter gelten nach wie vor als vermisst. In Savar geht das Gerücht um, ein Teil der Toten sei beseitigt worden, um die Zahl Opfer nicht noch größer werden zu lassen. Der Verwaltungstrakt links des zerstörten Gebäudes steht noch. Wo die Übergänge waren, klaffen tiefe Löcher in den Außenwänden. Im Schutt liegt ein zerfleddertes Primark-Orderbuch neben Stoffbergen und blutigen Gummihandschuhen – stumme Zeugen der größten Tragödie des textilen Massenkonsums.

"Wir haben hier auch gute Fabriken"

Die Zentrale des Branchenverbandes BGMEA liegt am Ufer des Hatir-Jheel-Sees – gut bewacht, seit dort demonstriert wurde. Ein Dutzend Polizisten spielt auf Schemeln Karten, in der Ecke liegen Schutzhelme. Faruque Hassan empfängt seine Besucher im siebten Stock mit einem Appell: "Bitte verstehen Sie, dass Rana Plaza nicht für die gesamte Textilindustrie steht. Wir haben hier auch gute Fabriken."

Hassan ist selbst Fabrikant. Sein Amt als BGMEA-Vizepräsident hat er vor wenigen Wochen niedergelegt. Weil er gut Englisch spricht, vertritt er die Organisation aber weiter nach außen. Er ist überzeugt, dass die Bengalen selbst für die Sicherheit ihrer Fabriken sorgen können. Und er spielt den Ball zurück an die westlichen Kunden: "Hören Sie auf, bei den billigsten Fabriken einzukaufen, denn das sind meistens auch die mit den schlechtesten Standards."

Damit trifft Hassan einen wunden Punkt. Mehr als zwei Drittel aller in Deutschland verkauften Textilien gehen über die Discounter. Wie die Lieferanten auspressen, beschreibt ein ehemaliger Aldi- und Lidl-Einkäufer: Agenten platzieren den Auftrag in einer Fabrik, die nicht ausgelastet ist. Bei der Abnahme reklamieren die Discounter Mängel und drohen, die Abnahme zu verweigern. Für die Fabrik wäre das der Ruin. Der Kompromiss: Der Discounter nimmt die Ware ab – bekommt dafür aber beim Folgeauftrag einen weiteren Preisnachlass. Ein Teufelskreis, aus dem die schlechten Fabriken nicht herauskommen.

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