Bangladesch Bengalisches Feuer

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Richtigen Brandschutz kann sich niemand leisten

Made in China für 15 Euro. Feuerlöscherhändler Mosharraf Hossain Quelle: GMB Akash für WirtschaftsWoche

Tatsächlich ist vieles beim Brandschutz nur Show. Niemand weiß das so gut wie Mosharraf Hossain, der in Dhaka einen Fachhandel für Brandschutzartikel betreibt. Der Absatz von Pulverlöschern sei nach jedem Unglück um etwa zehn Prozent gestiegen, schätzt Hossain: "Aber wenn eine Textilfabrik brennt, nützt ein Feuerlöscher wenig. Wenn Sie eine mittelgroße Fabrik mit 500 Arbeitern ordentlich schützen wollen, brauchen Sie Sprinkleranlagen und elektronische Warnsysteme." Das koste aber mindestens 80 000 Euro – mehr, als die meisten Fabrikanten sich leisten können, meint Hossain. Der von den Kunden aus Europa beauftragte Brandschutz-Inspektor werde sich darum mit einer Ausschilderung der Fluchtwege und Feuerlöschern zufriedengeben.

Die gibt es heute in jeder Fabrik, sagt Hossain. Das billigste Modell made in China verkauft er für umgerechnet 15 Euro. Häufig wüssten die Arbeiter aber nicht die Löscher zu bedienen – oder rührten sie nicht an, um nichts zu beschädigen. Und ihre Chefs nähmen das Thema nicht ernst: "Neulich wollte ein Kunde über Nacht 35 Löscher haben, weil sich ein Einkäufer angesagt hatte." Ein anderer wollte Hossain für eine Brandschutzübung mit den Mitarbeitern engagieren: "Aber kommen Sie erst, wenn die Ausländer im Haus sind."

Die zehn wichtigsten Beschaffungsmärkte für Textilien

Das Hauptproblem ist die völlig andere Unternehmenskultur in Bangladesch: "Politische Initiativen aus dem Westen ändern hier nicht viel, weil sie an der Lebensrealität der Menschen vorbeigehen", kritisiert Karl Borgschulze, der mit seiner Beratungsgesellschaft CSI in Hongkong Unternehmen beim Aufbau politisch korrekter Lieferketten hilft. Seine Empfehlung: Regierung und Verbände sollten mit den Kunden aus dem Westen eine nicht staatliche Kontrollinstitution schaffen, die verbindliche und realistische Sicherheitsstandards aufstellt, sie überwacht und bei Verstößen Exportlizenzen entzieht. Das darf bisher nur der Fabrikantenverband BGMEA. Finanziert werden könnte die Einrichtung über eine Textilsteuer: "Ein Cent pro Teil würde reichen."

Textilketten fordern strengere Kontrollen

Einige Textilketten fordern Ähnliches. Kik-Geschäftsführer Michael Arretz etwa geht der "sehr ehrgeizige Ansatz" des Brandschutzabkommens nicht weit genug. Er sieht die deutsche Politik in der Pflicht, eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu bewirken: "So wie Deutschland die Ausbildung von Polizisten in Kabul fördert, müssen wir in Bangladesch die Ausbildung der Inspekteure forcieren", forderte Arretz in Dhaka. Der größte deutsche Textildiscounter stand nach fast jedem Unglück der vergangenen Monate im Kreuzfeuer, weil die meisten der betroffenen Fabriken Kik-Lieferanten sind. Der Hamburger Modekonzern Tom Tailor hat das Abkommen gar nicht erst unterschrieben. Begründung: "Nur wenn Sicherheits- und Arbeitsstandards politisch und gesetzlich geregelt werden, sind auf Dauer Verbesserungen möglich." Doch Kik und Tom Tailor sind Ausnahmen. Die meisten großen Modefirmen nutzen das neue Abkommen für eine breit angelegte PR-Kampagne auf ihren Web-Seiten.

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