Bart Becht verlässt JAB-Holding Abschied des Alpha-Wolfs

Bart Becht verlässt Reimanns Quelle: Bloomberg

Jahrelang eilten die Investments der geheimnisvollen Milliardärsdynastie Reimann von Erfolg zu Erfolg. Jetzt verlässt einer der wichtigsten Top-Manager das Unternehmen. Was hinter dem Abgang von Bart Becht steckt.

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2019 begann für Bart Becht, Peter Harf und Olivier Goudet anders als frühere Jahre. Normalerweise lassen es die Chefs der JAB genannten Investmentgesellschaft der deutschen Milliardärsfamilie Reimann nach Weihnachten ein paar Wochen ruhiger angehen. Weil die drei Manager sonst täglich mehrmals miteinander telefonieren, genießen sie diese Zeit besonders. „Ein paar Tage Ruhe sind gut, um etwas Distanz zu gewinnen“, meint ein Kenner des auf rund 30 Milliarden Euro geschätzten Unternehmens. In diesem Jahr blieb die Ruhe aus.

Nachdem bereits das alte Jahr turbulent endete, weil beim von ihnen kontrollierten US-Kosmetik-Riesen Coty Umsatz und Gewinn absackten, gab es nun einen Paukenschlag. An diesem Montagmorgen verkündete JAB, dass Bart Becht die Investmentgesellschaft bald verlassen will. Den Verwaltungsrat von Coty und des Keurig Dr Pepper genannten US-Getränkegeschäfts hat er bereits verlassen.

Der Abschied des Lambertus Johannes Hermanus Becht, wie der Manager mit vollem Vornamen heißt, trifft JAB schwer. Noch im vergangenen Sommer hieß es, der 62-jährige Niederländer solle bei JAB mehr Führungsaufgaben übernehmen und den immerhin 72-jährigen Harf als unausgesprochenen Chef entlasten.

Becht selbst begründet seinen Abschied damit, er wolle in Zukunft lieber Rentner sein. „Nach fast 40 Jahren in der Markenindustrie habe ich entschlossen, dass es Zeit ist, meine Aktivitäten neu auszurichten und in den Ruhestand zu gehen“, erklärt er in der offiziellen Mitteilung von JAB. Eine Begründung, die Unternehmensinsider skeptisch betrachten. „Ich kann mir nicht vorstellen, wie ein fast arbeitssüchtiger Alpha-Wolf wie Bart nun nur noch Wohltätigkeitsarbeit macht oder im Park Tauben füttert“, sagt einer, der Becht kennt. „Ich glaube, der ist eher nicht ganz freiwillig gegangen.“

Für das Aus sollen schlussendlich die Coty-Probleme gesorgt haben – und das Signal, das sie senden. Denn Becht war lange Chairman des Kosmetik-Riesens.

Bisher galten die drei JAB-Chefs als unzertrennlich. Vor allem Harf und Becht waren nach Jahrzehnten sehr vertraut miteinander. Sie arbeiteten lange gemeinsam beim Ursprung des Reimann-Reichtums: dem inzwischen britischen Konsumgüter-Riesen Reckitt Benckiser.

Als Harf im November von Becht den Job als Coty-Chairman übernahm und gleich den CEO Camillo Pane durch den Vertrauten Pierre Laubies ersetzte, schienen alle im Umkreis von JAB und auch Kreditanalysten der Anleihen zufrieden. Stanislas Duquesnoy von der Rating-Agentur Moody’s kommentierte im November: „Bei einem Portfolio-Wert von mehr als 20 Milliarden Euro sind die Wertverluste der Coty-Beteiligung allerdings nicht so dramatisch, als wenn man das isoliert betrachtet.“

Doch offenbar reichte Bechts Rücktritt vom Verwaltungsratsvorsitz im November den Investoren nicht. Bereits bis zum Wechsel war der Aktienkurs von Coty um mehr als die Hälfte gefallen, was den JAB-Anteil von 39 Prozent gut drei Milliarden Euro an Wert kostete. Mit Harfs Start beim Kosmetikkonzern fiel der Kurs nochmal. Er landete gar unter dem Preis, zu dem JAB Coty 2013 an die Börse gebracht hatte.

Dafür sorgten nicht nur die Probleme bei der Integration von Wella und anderer Schönheitsmarken, die Becht im Herbst 2016 für 12,5 Milliarden Dollar vom Konsumgüterriesen Procter & Gamble gekauft hat. Auch im unternehmerischen Alltag patzte das Management. Im Weihnachtsgeschäft hatte Coty Lieferprobleme und verlor Umsatz.

„Der Glanz bei der JAB Story ist weg“

Das alarmierte die Analysten. „Der Glanz bei der JAB Story ist weg“, fürchtet Rosie Edwards, Analystin bei der Hamburger Berenberg Bank. Ein Kollege einer anderen Bank ergänzt: „Der Coty-Ärger weckt Fragen am ganzen JAB-Modell von teuer wirkenden Zukäufen, die sich dann dank Sparprogrammen und Neuausrichtungen rentieren.“ Prompt senkten die Ratingagenturen ihre Noten für JAB in Richtung „hoch spekulativ“.

Branchenbeobachter machen darin ebenfalls einen Grund für den jüngsten Personalwechsel aus. „Angesichts der Probleme lag es dann wohl nahe für Becht, auch persönliche Konsequenzen zu ziehen, so wie er es bei Fehlern anderer immer gefordert hat“, heißt es in der Branche.

Zweifel am Geschäftsmodell kann sich JAB gerade nicht leisten. Das Unternehmen hat laut einer Rechnung des Finanzdienstes Bloomberg in den vergangenen zehn Jahren für 60 Milliarden Dollar Firmen im Bereich Kaffee, Getränke und Luxusgüter investiert – und zwar auch auf Pump. Das Geld stammt nicht mehr nur von den vier Mitgliedern der Reimann-Familie Renate Reimann-Haas, Wolfgang Reimann sowie Stefan und Matthias Reimann-Andersen und deren insgesamt zehn Kindern. Rund die Hälfte stammt von externen Geldgebern.

Davon haben einige viel Geduld bewiesen: die Investorenlegende Warren Buffett oder der Private-Equity-Fonds BDT Capital von Byron Trott aus Chicago zum Beispiel. Sie lassen Harf & Co. freie Hand, zumindest solange die Ratingagenturen die Kreditwürdigkeit von JAB nicht als Ramsch einstufen. Doch mehrere der gepumpten Milliarden stammen aus Anleihen. Und die werden bei einem Vertrauensverlust sofort teurer. So zahlte JAB für die im Juni aufgelegten Papiere im Wert von 1,5 Milliarden Euro bereits ein halbes Prozent mehr als für ein ähnliches Paket im Jahr zuvor. Der Zins und damit die Kapitalkosten könnten weiter wachsen. „Wenn das zu viel wird, muss JAB auch die bisher geduldigen großen Investoren mit höheren Ausschüttungen beruhigen“, schätzt ein Marktkenner.

Ob der Abschied Bechts die Investoren beruhigt, bleibt abzuwarten. In jedem Fall wird der Wechsel JAB verändern. Das beginnt beim Klima an der Spitze. So diente der impulsive Becht als Gegenpol, der den rationalen Harf und den introvertierten Goudet bei Deals vor allzu langem Zögern bewahrte. „Er ist der ultimative Firmenchef, hat ein Elefantengedächtnis für alle Fakten und kann wie kein Zweiter Entscheidungen fällen“, lobt Harf seinen scheidenden Partner.

Zudem sorgt sein Abgang für Bewegung im Führungskreis: Den Niederländer ersetzen gleich drei Leute. Es sind der polnische Markenfachmann Jacek Szarzynski sowie mit Fabien Simon aus Frankreich und dem Brasilianer Ricardo Rittes gleich zwei Finanzfachleute. Alle drei werden jedoch erstmal eine Ebene unter den Senior-Partnern Harf und Goudet eingegliedert. Dafür gibt Goudet offenbar den Finanzbereich ab. Er wird wohl den Kaffeesektor um Jacobs und Peet‘s sowie das Getränkegeschäft mit der US-Brausemarke Dr. Pepper und den Imbissbereich (unter anderem Pret A Manger) führen.

Immerhin eine Gefahr droht JAB wohl vorläufig nicht: Zwar müsste Becht als Anteilseigner bei seinem Ausscheiden eigentlich der Wert seiner Aktien ausgezahlt werden – und dieser Abfluss wäre beträchtlich. Doch damit rechnen Beobachter erst einmal nicht. Zum einen braucht Becht jetzt nicht dringend Geld. „Bart hat immer gesagt, dass er genug Geld habe, weil er anders als Harf und Goudet auch einiges außerhalb von JAB investiert habe“, so ein Insider. Dazu besteht ein Großteil des JAB-Anteils des Führungstrios in Optionen, deren Wert sich nach der Entwicklung von JAB richtet. Harf erklärte dem „Manager Magazin“ im September, dass die erst nach fünf Jahren in Aktien umgetauscht oder ausgezahlt werden können.

Bis dahin sollte die Krise bei Coty gelöst sein. 

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