Was ist also das Problem der Brauerei-Landschaft in Deutschland? "Wir haben in Deutschland leider unsere Vielfalt verloren", sagt Schnitzler. "Hier schmeckt alles gleich", sagt er. Vor allem die Fernsehbiere - werbestarke Marken wie Veltins, Warsteiner, Bitburger oder Krombacher - seien kaum noch zu unterscheiden. Dabei könne man mit Bier so viel machen, auch mit dem Reinheitsgebot: Starkbier, Schwarzbier, milde und würzige Biere. "Aber man hat sich in den vergangenen Jahrzehnten anscheinend darauf konzentriert, möglichst alles glatt zu bügeln."
Der Trend hat mittlerweile eine Gegenbewegung erzeugt: In den USA haben in den vergangenen Jahren aus genau diesem Grund Craft-Biere an Beliebtheit gewonnen, und auch in Deutschland nimmt die Zahl der kleinen Brauereien mit außergewöhnlichen Bieren zu. Selbst die großen Konzerne machen mit. So hat die Radeberger Gruppe, Deutschlands größter Brauereikonzern, mit dem Ableger "Braufactum" eine eigene Craft-Brauerei gegründet. Dort produzieren internationale Braumeister dunkle Biere mit Kaffee-Aromen und schwarzer Johannisbeere. Alles, was nicht nach fadem Einheitsgeschmack klingt. Das Reinheitsgebot spielt bei den neuen Produkten allerdings kaum eine Rolle.
Wettstreit um das Kulturerbe
"Ich glaube nicht, dass wir das hier in Deutschland brauchen. Wir stehen hier doch für was", sagt Michael Schnitzler. Nämlich Handwerkskunst, für Hopfen, Malz und Hefe.
Das Reinheitsgebot bleibt in Schnitzlers Augen der Kern der Identität der deutschen Brauer. Völlig unrealistisch ist der Wunsch nicht, dass diese auch zum Weltkulturerbe erklärt wird. Auch die türkische Kaffeekultur, die kroatische Lebkuchen-Backkunst und die französische Reitkunst haben es schon auf die Unesco-Liste geschafft.
Nur sind die deutschen Brauer nicht die einzigen, die ihr Können als Weltkulturerbe begreifen. Auch die Belgier haben die Anerkennung ihrer Brautradition beantragt. Ein Reinheitsgebot gibt es dort jedoch nicht: Das belgische Bierangebot gilt als besonders vielfältig. Auch, weil die Belgier gerne mal völlig andere Zutaten zu Hopfen und Malz in den Kessel schmeißen.