Billig-Apotheken Doc Morris und die gescheiterte Revolution

Celesio sucht einen Käufer für Doc Morris. Mit der Versandapotheke wollte der Pharmagroßhändler einen Umsturz auf dem Apothekenmarkt anzetteln – und scheiterte. Dennoch schlagen die Apothekenverbände Alarm.

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Die Apothekenverbände schlagen Alarm. Dabei ist die Revolution in der Branche gescheitert. Quelle: ap

Düsseldorf Die Sparmaßnahmen im Gesundheitssystem schaden ihrem Geschäft massiv. Darin sind sich die Pharmagroßhändler und ihre Abnehmer, die Apotheken, ausnahmsweise einmal einig. Während der zweitgrößte deutsche Pharmahändler Celesio auf seiner Bilanzpressekonferenz am Dienstag einen Gewinneinbruch für 2011 meldete, schlugen die Apothekenverbände mit sinkenden Filialzahlen Alarm. „Jede Woche schließen in Deutschland acht Apotheken, nur vier machen neu auf“, sagte der Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), Heinz-Günter Wolf.

Insgesamt gab es im vergangenen Jahr 21.238 Apotheken in Deutschland. Das waren 203 und damit ein knappes Prozent weniger als im Jahr 2010. Die ABDA sieht deshalb die wohnortnahe Versorgung in Gefahr. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland mit 3800 Einwohnern pro Apotheke laut ABDA aber nur leicht unter dem EU-Durchschnitt von 3300. Spitzenreiter ist Griechenland mit 1200 Einwohnern pro Apotheke, am geringsten ist die Apothekendichte in Dänemark mit 17.700.

Doch den Interessenverband treiben ganz andere Sorgen um. Er bangt um das Einkommen seiner Klientel. Denn die verschlechterte finanzielle Lage sei Schuld am Apothekensterben. „Wir betreiben Apotheken in 2012 zu den Kosten von heute und den Einnahmen von vor acht Jahren“, sagte Wolf. Besonders auf die Arzneimittelreform der Bundesregierung durch das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (Amnog) hat es der Verband abgesehen.

Mit dem 2010 beschlossenen Gesetz will die schwarz-gelbe Koalition das Preismonopol der Hersteller brechen. Durch Amnog wurde aber auch der sogenannte Apothekenabschlag für 2011 und 2012 auf 2,05 Euro pro Medikamentenpackung festgelegt. Zuvor galt ein vorläufiger Abschlag von 1,75 Euro, den die Apotheken in Selbstverwaltung bestimmt hatten.

Amnog habe mit einem erhöhten Zwangsabschlag zusätzliche Belastungen gebracht, sagte Wolf. Für 2011 soll der Abschlag insgesamt bei mehr als 1,2 Milliarden Euro gelegen haben. Wolf forderte mehr Geld pro Packung und eine bessere Bezahlung von Not- und Nachtdiensten, der Rezepturen-Herstellung und der Abgabe von Betäubungsmitteln. Das Honorar der Apotheker sei zwischen 2001 und 2011 nur um 2,4 Prozent gestiegen, rechnete Fritz Becker vor, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes (DAV).


Celesio will sich aufs Kerngeschäft konzentrieren

Die Sparzwänge sind also massiv. Sparvorschläge machten die Apothekenverbände am Dienstag allerdings nicht. Der Pharmagroßhändler Celesio ist da schon einen Schritt weiter. Das Stuttgarter Unternehmen hat ebenfalls unter den Sparmaßnahmen zu leiden, nicht nur in Deutschland. „Die globale Finanz- und Schuldenkrise hat sich in spürbarem Umfang auf staatliche Maßnahmen im Gesundheitswesen ausgewirkt“, sagte der Vorstandsvorsitzende Markus Pinger auf der Bilanzpressekonferenz.

Der neue Chef bei Celesio will deshalb Konzernteile abstoßen. Der prominenteste Teil auf der Verkaufsliste ist dabei die Versandapotheke Doc Morris. 2007 hatte Pingers Vorgänger Fritz Oesterle Doc Morris für 200 Millionen Euro gekauft. Mit dem Ziel, die Marke zu seiner Apothekenkette auszubauen. Dadurch hatte Celesio, das zum Mischkonzern Haniel gehört, seine Stammkundschaft vergrault: die Apotheken. Denn Celesio belieferte fortan nicht nur die stationären Apotheken, der Konzern machte ihnen mit der Internet-Apotheke auch Konkurrenz in ihrem Kerngeschäft.

Viele Apotheker boykottierten den Großhändler, der musste kräftige Einbußen hinnehmen. Außerdem konnte Doc Morris nicht wie geplant expandieren. 2009 bestätigte der Europäische Gerichtshof (EuGH) das deutsche Fremdbesitzverbot. Danach dürfen nur Apotheker auch Apotheken besitzen. Apotheken in Discountern und Drogeriemärkten blieben damit tabu.

Die misslungenen Pläne zeigen sich bis heute in sinkenden Gewinnen. Durch hohe Restrukturierungskosten blieb Celesio im vergangenen Jahr sogar nur ein Mini-Gewinn von sechs Millionen Euro übrig. Jetzt also versucht Konzernchef Pinger die Kehrtwende und hat sich die Rückbesinnung aufs Kerngeschäft auf die Fahnen geschrieben: der Belieferung der Apotheken steht wieder im Mittelpunkt des Geschäftsmodells.

Die Revolution auf dem deutschen Apothekenmarkt ist also ausgeblieben. Auch der Rabattvorteil soll Versandapotheken wie Doc Morris nun noch genommen werden. Ein Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministeriums sieht die strenge Preisbindung auch für Medikamente vor, die aus dem Ausland nach Deutschland geliefert werden.

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