Billig-Mode Die Leder-Produktion in Bangladesch stinkt zum Himmel

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Hersteller mit Schule und Betriebskindergarten

Dabei darf es nicht darum gehen, Bangladesch komplett zu boykottieren – wovon sonst sollen die Arbeiter dort leben? Dass es möglich ist, Jobs zu schaffen und trotzdem faire Arbeitsbedingungen zu gewährleisten, zeigt das Beispiel des Lederwarenherstellers Picard. Der Markenhersteller aus Obertshausen bei Frankfurt fertigt zusammen mit dem Unternehmer Saiful Islam nahe Dhaka vor allem Damen-Handtaschen und Geldbörsen. Bald werden 4000 Mitarbeiter nicht mehr nur für Picard, sondern auch für andere Marken produzieren.

Die Fabriken sind hell und gut durchlüftet, an Säulen hängen Feuerlöscher, und der Chef verspricht, dass bei einem Feueralarm binnen 30 Sekunden alle draußen sind. Der Familienunternehmer, von kleiner Statur und mit schütterem Haar, ist kein gewöhnlicher Unternehmer für bengalische Verhältnisse.

Während andere ihre Mitarbeiter geradezu ausbeuten, bietet er seinen Leuten einen Betriebskindergarten, medizinische Versorgung und neuerdings sogar Schulunterricht. Frei von Sorgen ist Saiful Islam aber nicht: Die schlimmen Verhältnisse in vielen bengalischen Gerbereien zerstörten den Ruf des ganzen Landes. „Wenn wir dieses Problem nicht bald lösen, können wir unser Exportwachstum vergessen“, sagt Saiful Islam.

Mode ist selten fair und ökologisch
Die Initiative Rank a Brand, die in Deutschland und in den Niederlanden aktiv ist, hat Modemarken auf ihr Engagement zum Klima- und Umweltschutz sowie zu fairen Arbeitsbedingungen in der Produktion untersucht. Die Ergebnisse werden im neuen „FeelGoodFasion Report 2014“ veröffentlicht und zeigen, welche Marken Sie mit gutem Gewissen tragen können. Eine Auswahl. Quelle: dpa
Bei einer Vielzahl der untersuchten Markenhersteller stellen die Macher der Studie allerdings einen engen Bezug zum Greenwashing fest. Das betrifft aktuell gut 30 Prozent der Kleidermarken. Mit dabei: der französische Luxushersteller Louis Vuitton. Nicht die einzige Edel-Marke... Quelle: rtr
...denn auch der Metzinger Hugo-Boss-Konzern erhält trotz seiner Kommunikation zum Thema Nachhaltigkeit ein E-Label; das ist die schlechteste Bewertung im Ranking. Quelle: dpa
Genauso schneidet auch die Marke Hollister des US-Unternehmens Abercrombie & Fitch nicht gut ab und erhält nur ein E-Label. Der Konzern hat kürzlich schon wegen schlechter Arbeitsbedingungen Schlagzeilen gemacht. Quelle: dpa
Beim Greenwashing ertappt wurden auch die Modeketten New Yorker, Carhartt und Bugatti Shoes. Ebenso erhält die deutsche Firma Uhlsport mit dem E-Label die niedrigste Bewertungsstufe im Ranking. Bei allen genannten liegt der Verdacht nahe, dass Nachhaltigkeit nicht substantiell, sondern vorrangig kommunikativ angegangen wird, so die Macher von Rank a Brand. Die vollständige Liste derjenigen Marken, die in der Studie ein E-Label erhalten haben, finden Sie im Internet. Quelle: Screenshot
Das begehrte A-Label erhalten überwiegend sowieso schon "grüne"-Marken wie Mud Jeans aus den Niederlanden. Volle Punktzahl gibt es unter anderem beim Umwelteinsatz, denn das Produktionsvolumen besteht zu mehr als 25 Prozent aus umweltzertifizierten und / oder recycelten Rohstoffen. Zudem werden in der Produktion GOTS zertifizierte Verfahren zum Umweltschutz angewendet und als Mitglied der Business Social Compliance Initiative (BSCI) engagiert sich Mud Jeans aktiv zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Zulieferbetrieben. Quelle: Screenshot
Die beste Bewertungsstufe im Ranking erhält auch die schwedische Marke Nudie Jeans. Das Produktionsvolumen besteht zu mehr als 25 Prozent aus umweltzertifizierten und / oder recycelten Rohstoffen. Zudem werden in der Produktion GOTS zertifizierte Verfahren zum Umweltschutz angewendet. Als Mitglied der Fair Wear Foundation (FWF) engagiert sich Nudie Jeans außerdem aktiv zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Zulieferbetrieben und berichtet transparent über die Ergebnisse. Ebenso untersagt Nudie Jeans das Sandstrahlen von Jeans. Quelle: Screenshot

"Compliance ist Teil des Geschäfts"

Die Lösung? Vielleicht ein kompletter Neustart der bengalischen Lederindustrie. Raus aus den mittelalterlichen Hinterhöfen der Hauptstadt auf die grüne Wiese, in zeitgemäße Produktionsstätten. Pläne dafür gibt es längst. Seit zwölf Jahren aber harren sie der Verwirklichung.

Neben Saiful Islam macht sich auch Syed Nazim Mansur dafür stark. Er ist Chef von Apex, dem mit 9000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 125 Millionen Dollar größten Schuhhersteller des Landes. Auch Deichmann führt seine Schuhe. Apex fertigt in seinen fünf Fabriken jeden Tag 20.000 Schuhe, leistet sich eine eigene Gerberei und gilt als Vorzeigeunternehmen des Landes – darum macht Manager Mansur über die Lederwaren-Assoziation Druck, damit das Gerberviertel Hazaribagh in Dhaka geschlossen wird.

„Compliance ist keine Charity für uns, sondern Teil des Geschäfts“, sagt er. Zugleich wirbt er aber für Verständnis: Der Kostendruck in Bangladesch nehme zu. „Wegen der Euro-Krise hat der Taka zum Euro um ein Viertel aufgewertet binnen eines Jahres“, sagt der Manager, „so hohe Profitmargen hat kein einziger Schuhproduzent hier.“

Trotzdem stelle sich ein deutscher Einkäufer vor ihn und jammere, dass der preissensible deutsche Kunde keine höheren Preise mittragen könne. Mansur macht eine Pause. Verständnis für die Geiz-ist-geil-Kultur westlicher Konsumenten liegt ihm in diesem Moment sehr fern.

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