
Kleidung, Handykarten, Gartenmöbel - der Discounter-Gigant Aldi ist längst seinen Kinderschuhen als Lebensmittelhändler entwachsen. Nun nimmt der Konzern ein weiteres Geschäftsfeld ins Visier: Ab dem 19. April startet Aldi mit Fernbuslinien durch. Gemeinsam mit dem Busunternehmen Univers Busreisen aus Bonn gibt es dann alle Verbindungen zwischen deutschen Metropolen wie Köln, München oder Berlin.
Eine Nord-Süd-Verbindung von Frankfurt über Kassel nach Hamburg soll im Laufe des Jahres folgen, wie der "WDR" berichtet. Am 4. April startet der Ticketverkauf an den Supermarktkassen von Aldi Nord und Aldi Süd.
Diese Rolle spielt Aldi im Einzelhandel
Aldi ist der führende Lebensmittel-Discounter in Deutschland. Fast neun von zehn Haushalten kaufen Schätzungen zufolge bei Aldi Nord und Aldi Süd regelmäßig oder spontan ein. „Da ist derjenige dabei, der zweimal in der Woche bei Aldi seinen Grundbedarf deckt, aber auch derjenige, der am Urlaubsort zufällig bei Aldi vorbeikommt und dort einkauft“, sagt der GfK-Handelsexperte Wolfgang Adlwarth.
„Der Einfluss von Aldi wird noch immer gern unterschätzt“, findet Matthias Queck vom Handelsinformationsunternehmen Planet Retail. Wenn man den deutschen Lebensmittel-Einzelhandel insgesamt betrachte, liege der Marktanteil von Aldi Nord und Süd zusammengenommen zwar nur bei 15 Prozent. Bei einzelnen Produkten sei der Marktanteil und damit der Einfluss aber wesentlich höher. „Ob bei Milch, Saft oder Zucker - Aldi legt vor und bestimmt den Preis, und alle anderen reagieren innerhalb von Stunden oder wenigen Tagen“, schildert der Experte. An Aldi-Preisen orientierten sich die großen Supermarkt-Gruppen in der untersten Preislage.
Mit dem dichten Filialnetz von insgesamt rund 4300 Märkten in Deutschland und dem begrenzten Sortiment würden Aldi Nord und Aldi Süd über Nacht zu einem der größten Verkäufer, wenn sie ein neues Produkt wie jüngst Coca-Cola in ihr Sortiment aufnehmen. Bei den eigenen Aldi-Marken stützten sich die Discountketten zum Teil auch auf verschiedene Lieferanten. „Der Discounter kann damit Lieferanten austauschen und sorgt damit für Wettbewerb unter den Herstellern.“
Die Gewerkschaft Verdi wirft Aldi Nord und Aldi Süd vor, systematisch Mehrarbeit von Mitarbeitern nicht zu bezahlen. „Aldi bezahlt die Mitarbeiter zwar grundsätzlich nach den Flächentarifverträgen. Wir stellen aber fest, dass bestimmte Zeiten wie Überstunden nicht angerechnet werden“, sagt der Verdi-Fachgruppenleiter Einzelhandel, Ulrich Dalibor. Das summiere sich zu riesigen Beträgen, die die Unternehmen ihre Mitarbeitern vorenthalten würden. „Deshalb ist die Einhaltung von Tarifverträgen in Anführungszeichen zu setzen.“
Aldi Nord beschäftigt nach eigenen Angaben rund 28.000 Mitarbeiter in Deutschland, bei Aldi Süd wird in Kreisen der Gewerkschaft Verdi von etwa 25.000 Mitarbeitern in Deutschland ausgegangen.
Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter sieht Aldi mit dessen Fokus auf niedrige Preise zudem als einen Wegbereiter der Billigmentalität. „Aldi nutzt Chancen, die die Molkereiwirtschaft und Milchviehhalter mit einem Überangebot an Milch bieten, wirtschaftlich bis zur letzten Nuance aus“, schildert Sprecher des Bundes, Hans Foldenauer.
Aldi Süd weist den Vorwurf, dass Mehrarbeit systematisch nicht bezahlt würde, zurück. „Eine über die offizielle Arbeitszeit hinausgehende, nicht vergütete Mehrarbeit wird weder erwartet noch geduldet. Dies wird durch den jeweiligen Vorgesetzten kontrolliert“, erklärte eine Sprecherin des Unternehmens. In einigen Fällen könne es selbstverständlich vorkommen, dass es zu Mehrarbeit, also Arbeitsstunden, die über die im Vertrag festgehaltene Arbeitszeit hinausgehen, komme. „Derartige Mehrarbeit wird immer entweder vergütet oder durch Freizeitausgleich abgegolten“, betonte sie.
Das Schwesterunternehmen Aldi Nord weist die Kritik ebenfalls zurück. Es werde eine Mehrarbeitsvergütung bezahlt - unabhängig davon, ob die Mitarbeiter tatsächlich Mehrarbeit geleistet hätten oder nicht. Dazu gebe es Vereinbarungen mit der Mitarbeitervertretung.
Die Deutsche Bahn dürfte das mächtig ärgern, denn die Discounter-Busse fahren nicht nur quer durchs ganze Land, sondern die Tickets sind auch noch bis zu 70 Prozent billiger als im Schienenverkehr. Univers wirbt damit, dass die Buslinien teils mehrmals täglich fahren und auf vielen Strecken Festpreise schon ab 9,90 Euro gelten.
Eine Fahrt von Köln nach Frankfurt liegt etwa bei 19,90 Euro, von Köln nach Berlin kommt man für 44,90 Euro. Zum Vergleich: Das Bahnticket für eine ICE-Fahrt von Köln nach Berlin kostet aktuell 117 Euro. In dem Aldi-Ticketpreis ist bereits teilweise die An- und Abreise im jeweiligen Verkehrsverbund (Rhein-Sieg-Kreis und im Ruhrgebiet) zu beziehungsweise von den Ein- und Ausstiegspunkten enthalten. Auch hätten die Fernbusse teilweise kostenfreies W-Lan an Bord.
Seit dem 1. Januar dieses Jahres ist der Fernlinienbusverkehr in Deutschland generell erlaubt; ein antiquiertes Schutzgesetz für das Staatsunternehmen Bahn aus den 30er Jahren wurde gestrichen.