Billigmode Warum Primark kein Skandal schadet

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So schlecht ist das Image von Primark

Auch in Deutschland steht der Konzern immer wieder in der Kritik. Die Gewerkschaft Verdi kritisiert etwa, dass Primark-Mitarbeiter nicht nach Tarif bezahlt werden. Ende vergangenen Jahres kontrollierte das NRW-Gesundheitsamt mehrere Filialen, weil wegen der ausdünstenden Chemikalien aus der Billig-Kleidung Schadstoff-Grenzwerte überschritten worden sein sollen – ohne Ergebnis.

Diese Modeketten zahlen Hungerlöhne
Die Textilbranche und der Trend zu ultragünstiger Kleidung in Industrieländern steht seit einiger Zeit in der Kritik, spätestens seit dem verheerenden Unfall in der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka im Frühjahr 2013. Doch Veränderungen ergeben sich nur langsam, dies zeigten zuletzt Rückblenden ein Jahr nach der Katastrophe, die vor allem die Sicherheitsbedingungen in den Fabriken in den Fokus nahmen. Quelle: AP
Einen weiteren Aspekt, der nach diesem und weiteren Unfällen stark diskutiert wurde, behandelt der aktuelle Clean Cloth Kampagne Firmencheck 2014: die unwürdigen Löhne, für die viele Arbeitnehmer bei Zulieferern von Kleidungsherstellern wie hier in Bangladesch schuften müssen. Die Nichtregierungsorganisation Clean Clothes Kampagne (CCK) hat 48 Firmen auf diesen Aspekt hin untersucht und kommt zu dem Ergebnis: Die meisten Firmen bieten vollkommen unzureichende Standards. Quelle: dpa
Mit 15 Firmen bekamen die meisten der getesteten Unternehmen ein Ungenügend – setzen sich also „kaum für die Bezahlung eines Existenzlohnes ein“. 13 Firmen antworteten indes gar nicht und haben somit vermutlich ebenfalls keine sonderlich präsentablen Zustände vorzuweisen. Diese Profile, etwa von Mexx, Benetton, Armani und Hugo Boss recherchierten die Analysten selbst aus öffentlichen Quellen. Hier eine Übersicht über die schwarzen Schafe der Branche laut der Clean Clothes Kampagne. Quelle: dpa
AldiAldi gibt an, der eigene Kodex sehe den gesetzlichen Mindestlohn in allen Produktionsländern vor und das Unternehmen arbeite in der Business Social Compliance Initative (BSCI) darauf hin, dass dies auch eingehalten werde. Das bewertet die NGO jedoch offenbar als Lippenbekenntnis: Es gebe „kaum Anhaltspunkte“, dass Aldi das Problem der Niedriglöhne wirklich angehe. Da das Unternehmen alle Waren von Agenturen, also Mittelsmännern, kaufe, entziehe sich Aldi der Verantwortung, die eigenen Zulieferer zu kontrollieren. Diese Verantwortung bleibe aber bestehen. Quelle: dpa
CarrefourDer französische Konzern lässt in verschiedensten Ländern wie Brasilien, aber auch Bangladesch produzieren, allerdings nicht in eigenen Fabriken. Deshalb, so Carrefour, sei man auch nicht für die Angestelltenlöhne zuständig. Man sehe in der eigenen Charta aber vor, dass die Löhne die Grundbedürfnisse abdecken sollten. Dies ist der Clean Clothes Kampagne zu wenig: Allein ein Bekenntnis zu Grundbedürfnis deckenden Löhnen helfe den Arbeitnehmern wenig, wenn Carrefour keine Verantwortung für die Umsetzung übernehme. Quelle: REUTERS
Charles VögeleDas Schweizer Unternehmen beantwortete die Anfrage der Kampagne mit vorgefertigten Standardantworten der Businessvereinigung BSCI, beruft sich darauf, mit der Initiative auf Existenzlöhne hinzuarbeiten. Die BSCI ist eine Industrie-Initiative von mehr als 600 Unternehmen und wurde gegründet, um die Bemühungen der Branche zu bündeln. CCK kritisiert, dass der Standard nicht verpflichtend sowie kaum extern nachvollziehbar sei und dass er die Zulieferer nicht bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen unterstütze. Eine Firma wie Vögele, die im Heimatland und in Deutschland mit einer verantwortlichen Mitarbeiterpolitik und Ausbildungsbedingungen werbe, verstecke sich hinter der intransparenten Vereinigung. Noch dazu scheint problematisch, dass Vögele die Freiwilligkeit des Existenzlohns betont. Quelle: Handelsblatt Online
DecathlonMan bevorzuge eine „Schritt-für-Schritt“-Methode für die eigene Lieferkette, nach und nach sollten die Bedingungen verbessert werden. Das antwortete das französische Unternehmen Declathon von der Oxylane-Gruppe, das hier bei einer Expo-Aktion für Nacktshopper 2001 eine gewisse Lässigkeit und Humor zeigt, auf die CCK-Anfrage. Grundsätzlich stimme es einem Existenzlohn aber zu. Diese Form von Lockerheit und Lässigkeit findet die Organisation unpassend: „Ein Großunternehmen wie Oxylane kann es sich nicht leisten, keinen klar definierten Standpunkt zur zentralen Frage des Existenzlohns zu haben“, lautet der vernichtende Kommentar von CCK. Stattdessen müsse es seine Marktmacht nutzen, um die Zulieferer per Richtlinie an einen Existenzlohn zu binden. Quelle: AP

In der vergangenen Woche wurde bekannt, dass Primark ins Visier der deutschen Datenschutzbehörden geraten ist. Stein des Anstoßes: Bei der Diebstahlsicherung verlässt sich Primark auf ein engmaschiges Netz an Videokameras. Gefilmt wird in den Filialen nahezu überall: in Verkaufsräumen, Fluren, Aufzügen und im Lager. "Das Ausmaß dieser Überwachung ist nicht akzeptabel und es verletzt das Persönlichkeitsrecht von Beschäftigten und Kunden", kritistiert Verdi.

Imageschaden für Primark

Dem Kundenzuspruch hat all die Negativ-Presse offenbar kaum geschadet. In der Essener Primark-Filiale ist es voll wie eh und je. Nicht, dass die Medienberichte überhaupt keine Spuren hinterlassen. "Die kritische Berichterstattung über Arbeitsbedingungen, Datenschutzverstöße und schadstoffbelastete Textilien bei Primark setzten der Marke im letzten Halbjahr zu", sagt Holger Geißler vom Markt- und Meinungsforschungsinstitut YouGov.

Das ist noch nett formuliert. Tatsächlich ist das Image von Primark völlig im Eimer. Anfang Februar 2015 erreicht Primark im YouGov-Markenmonitor BrandIndex nur -20 Indexpunkte. Das Image ist im Vergleich zu anderen Textilhändlern wie H&M (+25 Indexpunkte) also wesentlich schlechter. In der Wahrnehmung der Verbraucher steht einzig der Textil-Discounter Kik noch miserabler da (-27 Indexpunkte).

Die beliebtesten Textilhersteller

Primarks schlechtes Image ist den Kunden offenbar egal

Das schlechte Image aber ist den Kunden offenbar ebenso egal wie die Produktionsbedingungen im Ausland. Sie strömen weiter in die Läden. Fast jede Neueröffnung verursacht lange Schlangen und Tumulte unter den Kunden, die es selbst beim Verkauf neuer Apple-Produkte nicht gibt. Primarks Absatz, so scheint es, ist kugelsicher. Egal wie groß der Skandal wirklich ist, egal wie mit wie viel Schmutz die Gegner werfen. An dem irischen Unternehmen perlt alles ab.

Der Psychologe und Konsumforscher Hans-Georg Häusel macht dafür zwei Faktoren verantwortlich. Zum einen ist da die Primark-Zielgruppe selbst: Die ist sehr jung. 15 bis 25 Jahre ist der durchschnittliche Billigmode-Kunde laut Marktforschern alt. Viele von ihnen kommen aus bildungsfernen Schichten und müssen mit wenig Geld haushalten. Nicht nur, dass sie wenig über die Hintergründe der Billigklamotten erfahren - sie sind auf günstige Waren angewiesen.

Der Konzern nutzt die Psyche der Shopper

Entscheidender für Primarks Unverwundbarkeit ist aber, wie der Konzern die Psyche der Shopper nutzt. "Menschen sind ganz allgemein für die Belohnung durch Schnäppchen anfällig", sagt Konsumforscher Häusel. Glauben die Kunden, ein wertiges Produkt zum niedrigen Preis zu bekommen, freuen sie sich über ihren Jagderfolg. Auch in der Moderne funktioniert das Jäger-und-Sammler-Prinzip.

Die umsatzstärksten Modehändler der Welt

Egal ist dabei, dass das Gefühl nur kurz hält. Dauerhaft zufrieden macht Primark-Mode offenbar selten. In einer Umfrage der Strategieberatung OC&C zur Zufriedenheit mit der Ware landet Primark auf den hinteren Plätzen, nur knapp vor Kik.

Beide Unternehmen verfolgen "eine klare Preisführerpositionierung und belegen konsequent erneut die Spitzenpositionen beim Preis, landen dafür aber bei Qualität weit hinten", heißt es in der Studie. Bei einer Jeans für zehn und einem T-Shirt für vier Euro erwartet offenbar niemand, dass Zufriedenheit inklusive ist. Hauptsache der Hintern ist bedeckt – möglichst modisch.

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