Branche in der Krise „Bäcker müssen raus aus der Billigfalle“

Quelle: imago images

Kronenbrot, Lila Bäcker, Hofmeister: reihenweise taumelten Bäckereiketten in den vergangenen Monaten in die Insolvenz. Was hilft gegen die Krise an der Brötchentheke? Restrukturierungsexperte Stefan Frings über die richtige Strategie in Zeiten von Backstationen und Tiefkühl-Teiglingen.

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WirtschaftsWoche: Herr Frings, warum müssen derzeit viele Bäcker ums Überleben kämpfen?
Stefan Frings: Die Krisenursachen von Bäckereien unterscheiden sich im Grunde nicht groß von denen anderer Problembranchen. Zum einen hat der Wettbewerbsdruck zugenommen, der Markt ist inzwischen stärker konzentriert als noch vor ein paar Jahren und Supermärkte sorgen mit ihren Aufbackstationen für zusätzliche Konkurrenz. Zum anderen hat sich das Verbraucherverhalten geändert.

In welcher Form?
Die meisten Kunden erwarten heute qualitativ gute, möglichst gesunde Produkte. Bäcker können vor allem mit handwerklicher Kompetenz punkten und mit Backwaren, die den Nerv der Zeit treffen: Vollkorn- und Bioprodukte, oder auch vegane Brötchen, Eiweißbrote oder glutenfreie Backwaren sind angesagt. Das klassische Weißmehl gilt vielen Verbrauchern dagegen fast schon als ‚neues Nikotin‘.

Wie können Bäcker darauf reagieren? 
Sie können natürlich nicht alles anbieten. Der richtige Fokus ist entscheidend und der hängt vom Umfeld ab, also von den Kunden, die man erreichen will. Bäcker sollten sich zunächst überlegen: Wer sind überhaupt meine Zielkunden? Wer sind aktuell meine Wettbewerber und wer könnte in der Zukunft gefährlich werden? Vor allem aber: Wie kann ich mich vom Wettbewerb abheben?

Stefan Frings Quelle: PR

Was würden Sie empfehlen? 
Wenn Verbraucher bei ihrem Bäcker nur Produkte bekommen, die es auch beim Discounter gibt, werden sie auf den Brötcheneinkauf in Zukunft verzichten. Das gilt es auf jeden Fall zu vermeiden. Bäckereien müssen wieder auf individuelle Waren und Rezepturen setzen statt auf Massenware. 

Sollten Bäcker versuchen, preislich mit den großen Handelsketten mitzuhalten
Es macht keinen Sinn, sich auf immer tiefere Preise einzulassen, um Supermärkten und Discountern auf der Preisebene Paroli zu bieten. Billig ist auf keinen Fall die Lösung. Denn mit Supermarktpreisen bekommen Bäcker auch nur minderwertige Qualität hin. Die Verbraucher sind dagegen bereit, für gute, handwerkliche Produkte durchaus etwas mehr zu zahlen und das müssen Bäckereien nutzen. Nicht nur bei klassischen Produkten, sondern auch bei belegten Broten, Kaffee und anderen Snacks. 

Klingt gut, aber wie soll das in der Praxis funktionieren? 
Statt verpackte Supermarktwurst auf die Brötchen zu packen, könnten Bäcker mal mit dem Metzger von nebenan zusammenarbeiten, oder für den Kaffee in der Backstube eine Rösterei in der Nachbarschaft ansprechen. Die Kunden sollten dann natürlich auch aktiv auf die Regionalität der Produkte hingewiesen werden. Also, raus aus der Billigfalle und stärker auf Qualität setzen!

Das allein wird kaum ausreichen, um ein kriselndes Geschäft wieder in Gang zu bringen. 
Richtig, aber es ist ein Anfang. Letztlich braucht man ein umfassendes Restrukturierungskonzept, das bei der Strategie anfängt, alle Kosten- und Investitionsplanungen umfasst und die Finanzierung sicherstellt. Dann geht es an die konsequente Umsetzung. Auch schwierige Themen müssen angepackt werden.

Welche wären das zum Beispiel? 
Problematisch ist oft die Filialstruktur. Viele Unternehmer wissen gar nicht, welche ihrer Filialen gut laufen und mit welchen Stellschrauben, sie Umsatz und Ertrag steigern können. Teils gibt es Läden an zu teuren Standorten, von denen man sich trennen muss. Vernünftiges Controlling sichert das Überleben, ist aber gerade im Mittelstand leider oft Mangelware. Auch Angebote, die bei größeren Händlern und Systemgastronomen längst Standard sind, fehlen vielfach noch. Etwa verschiedene Bezahlmöglichkeiten, Programme zur Kundenbindung, aktives Verkaufen - all das kann dabei helfen, eine Bäckereikette wieder auf Kurs zu bringen. Dabei gilt es auch, die Potenziale einer Digitalisierung des Geschäftssystems zu nutzen.

Wie soll das gelingen?
Die Palette reicht hier vom digitalen Bezahlsystem bis zur digitalen Kundenkommunikation. Der Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. Die Kommunikation mit dem Kunden kann beispielsweise über einen digitalen und mehrfach verwendbaren Kaffeebecher erfolgen. Am Ende gilt aber auch hier, was bei allen Sanierungen entscheidend ist: Fängt man zu spät an oder setzt nur halbherzig um, scheitert auch das beste Konzept.

Mehr zum Thema: Während herkömmliche Bäckereiketten reihenweise in die Pleite schlittern, expandieren hippe Newcomer. Den Unterschied macht eine sehr simple Strategie.

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