Brauerei-Chef Huber Wie dieser Mann Veltins zum Erfolg führte

Hubers Verkaufsrenner: Die Bierkästen ließ der Veltins-Chef von Porsches Designabteilung gestalten Quelle: Marcus Simaitis für WirtschaftsWoche

Michael Huber raucht Kette, trägt goldenes Feuerzeug und goldene Uhr offen zur Schau – und führt mit der Veltins-Brauerei und der Leuchtenfirma Trilux gleich zwei prosperierende Unternehmen in schwierigen Märkten.

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Die Sauerländer, berichtet Michael Huber, „das sind die stursten Büffel, die es gibt“. Zu der Erkenntnis kam er schon kurz nach Ernennung zum Chef der Veltins-Brauerei. Damals hatte Huber seinen Außendienstlern die 5er-BMW als Dienstwagen gestrichen, sie sollten A-Klasse fahren. Er lief in der Brauerei Patrouille, schaute seinen Leuten auf die Finger. Ob sie auch schön effizient arbeiten. Aber damit hatte er nicht gerechnet: Bei einem Kontrollgang löste sich plötzlich über ihm ein 50-Liter-Fass Bier, drohte ihn zu erschlagen. An einen Zufall glaubt er nicht.

Huber lässt seine Erzählung in seinem Büro in der Veltins-Zentrale in Meschede-Grevenstein ein wenig wirken. Er nestelt ein goldenes Feuerzeug hervor, zündet sich eine Lord an, inhaliert tief. Dann sagt er mit seiner rauchigen Stimme: „Heute haben wir hier keine Probleme mehr miteinander.“

Klartexter, Kumpeltyp und Kettenraucher: Michael Huber, 69, der seine protzig-goldene Uhr nicht versteckt, wirkt wie ein Auslaufmodell unter den Unternehmensleitern. Vielleicht ist er deshalb der Richtige für diesen Job: Während die Deutschen immer weniger Bier trinken und viele Kneipen schließen müssen, konnte Veltins, wo Huber nun seit 23 Jahren dirigiert, seinen Ausstoß um zwölf Prozent steigern. Für dieses Jahr kündigt er gar einen Rekord an: Über drei Millionen Hektoliter will er produzieren. „Das wird mit Abstand unser erfolgreichstes Jahr“, sagt er. Der Umsatz soll von 323 Millionen auf bis zu 345 Millionen Euro klettern.

Rekord Veltins will in diesem Jahr drei Millionen Hektoliter Bier brauen Quelle: Marcus Simaitis für WirtschaftsWoche

Verantwortlich dafür sind zwar vor allem das gute Wetter und die Fußball-WM. Doch der Konkurrenz geht es dennoch schlecht: Nur 30 Kilometer von Veltins entfernt steht Warsteiner. Einstmals Deutschlands größte Brauerei. Die Eigentümerfamilie Cramer träumte davon, ein Welt-Bier wie Heineken abzufüllen. Manager kamen und gingen, Strategien wechselten. Heute produzieren die riesigen Anlagen so viel, dass der Kasten Warsteiner im Supermarkt häufig für unter zehn Euro zu haben ist– unter der so gefürchteten Ramsch-Grenze.

Veltins indes liegt locker darüber. Und verdient ordentlich, weil Huber – damals eingesetzt von Unternehmenserbin Susanne Veltins – den erfolgsverwöhnten Brauern das Sparen beibrachte (siehe Dienstwagen). Vor allem aber erkannte er früh neue Absatztrends, den zu Bier-Mixgetränken etwa oder regionale Spezialitäten. Heute ist Veltins nach Krombacher und Bitburger die Nummer drei der Premium-Pilsmarken und beschäftigt 646 Mitarbeiter – 140 mehr als vor Hubers Amtsantritt. Huber attackiert Marktführer Krombacher vor allem auf dem Kernmarkt Nordrhein-Westfalen. „Veltins ist unser härtester Wettbewerber“, heißt es bei Krombacher, fast ehrfürchtig.

Eigentlich wollte Huber ja mit 60 aufhören zu arbeiten. Er probierte es, verließ sechs Wochen den Schreibtisch. „Das war ganz grausam“, sagt er. Also kam er zurück. „Ich kann auch nichts anderes als das, was ich mache. Ist halt so.“

Gelernter Discjockey

Dabei sei er eigentlich nur ein „gelernter Discjockey“, weil er zu Studienzeiten lieber Platten in der Disco Cheetah in der Berliner Hasenheide aufgelegt habe. Er schmiss das Studium, fing im Vertrieb des Marmeladenherstellers Schwartau an, wechselte in die Speditionsbranche, baute die Spedition Interspe Hamann Group auf, die er 2006 verkaufte. Da hatte er schon längst mit Veltins eine neue Aufgabe gefunden. Das Verhältnis zu Eigentümerin Susanne Veltins sei bis heute „total vertrauensvoll“, sagt Huber. Wie seine Chefin das sieht, lässt sich nicht ergründen: Sie lässt „herzlich grüßen“, dann aber ausrichten, dass sie „an ihrer Linie der Medienzurückhaltung festhalten möchte“. Das Tagesgeschäft erledigt ohnehin Huber: „Ich darf alle Entscheidungen fällen“, sagt er. Die Verträge unterzeichneten dann drei Vorstände, die auch für alles haften.

Als Huber einst loslegte, mischten ostdeutsche Brauereien wie Hasseröder oder Radeberger gerade den Markt auf. Lebensmittelhändler fragten plötzlich nicht mehr brav an, ob sie denn das Veltins-Bier in ihre Regale stellen dürften – sondern drückten die Preise. Huber fragte seine Mitarbeiter: „Was kostet es, eine Flasche Bier zu produzieren?“ Er bekam keine Antwort, offenbar hatte das niemanden interessiert. Also fing er an, jeden einzelnen Produktionsschritt messbar zu machen, auf Effizienz zu trimmen. Heute weiß er genau, was welcher Schritt kostet – aber sagt es nicht, Betriebsgeheimnis. Nur so viel: „Die Kosten sind heute deutlich niedriger als früher.“ Einmal habe sein Telefon geklingelt. „Du wirst das nicht überleben“, sagte der anonyme Anrufer. Angst habe er nicht gehabt, sagt Huber. „Wenn’s passiert wäre, wär’s passiert.“

400 Millionen für Modernisierung

Als Huber etwa im Jahr 2001 mit „V Plus“ eine eigene Biermix-Marke ankündigte, sei auch Eigentümerin Susanne Veltins irritiert gewesen. „Wenn man aus dieser Branche kommt, ist Bier Bier.“ Seine Mitarbeiter hätten ihm damals prophezeit, dass kein Mensch das Zeug trinken werde. „Als wir dann aber Marktführer bei den Mischgetränken waren, war Ruhe angesagt“, sagt Huber und bläst genüsslich den Rauch einer weiteren Lord ins Zimmer.

Vom derzeit viel beredeten Craft Beer lässt Huber aber dann doch die Finger – zu klein sei der Markt. Einen großen Markt sieht er indes bei den regionalen, süffigen Bieren, hat vor vier Jahren bereits das Grevensteiner Landbier herausgebracht.

Veltins, berichtet Huber, konzentriere sich auf Nordrhein-Westfalen, wo 70 Prozent des Biers abgesetzt würden. Seit 1997 ist die Brauerei Sponsor von Schalke 04 – das verschafft Lokalkolorit. Den Fehler, eine globale Biermarke darstellen zu wollen, werde seine Brauerei nicht machen, sagt der Chef.

Er deutet aus dem Fenster seines Büros. Vor sechs Wochen sind sechs neue Riesentanks geliefert worden. Bis zum 200. Jubiläum der Brauerei im Jahr 2024 investiert Huber mehr als 400 Millionen Euro in die Modernisierung. Das Sudhaus ist schon fertig, als Nächstes kommt eine neue Abfüllanlage. Mehr Bier will er ausstoßen und dabei weniger Strom und Wasser verbrauchen. Kennzahlen dazu kommen jeden Morgen um sieben auf sein Handy, genau wie der Absatz des Vortages. Natürlich seine Idee.
Er sei mitnichten beratungsresistent, sagt Huber. Einmal hätten ihm seine Geschäftsführer vorgeschlagen, die Bierkisten von der Designabteilung von Porsche gestalten zu lassen. Ein 35-Millionen-Euro-Auftrag. „Da ging mir der Arsch ganz schön auf Grundeis.“ Er sagte Nein, doch seine Leute ließen nicht locker und überzeugten ihn schließlich. „Heute bin ich der Truppe dankbar, dass sie mich dahingetrieben hat.“

Inzwischen, sagt Huber, sei das „Vertrauen in der Truppe so groß, dass sie in einer Stresssituation nicht versagen würden“. Schließlich wisse jeder, auf wen er sich verlassen könne. Grund dafür sind auch seine Strategie-Seminare: Nachts um drei lässt Huber die „Jungs“ dann gerne mal aus dem Bett holen und stellt ihnen Aufgaben: Veltins-Bier im Supermarkt wurde vergiftet. Oder: Die Hauptmaschinen der Abfüllung wurden mutwillig zerstört. Was tun? „Wenn die um halb fünf in der Nacht immer noch rumeiern, ist das Mist“, knurrt Huber. Er will wissen, wie lange die Entscheidung dauert und wer sich mit wem zusammentut.

Klimawandel macht Bier teurer

Die Ergebnisse müssen dem Chef gefallen haben. Er will sich nun jedenfalls allmählich zurückziehen. Vertriebschef Volker Kuhl werde ihn „in den nächsten zwei Jahren“ beerben. Huber selbst fühlt sich für den Wandel in die digitale Welt nicht mehr geeignet. Er zeigt auf seinen Schreibtisch, auf der zwei Mappen liegen und ein Telefon steht – aber kein Computer. „Ich habe Probleme zu verstehen, warum Influencer plötzlich Märkte beeinflussen. Ich guck mir einen Influencer an und denke: So eine Dumpfbacke. Warum macht der so einen Alarm?“ Nein, um Vorbild zu sein, müsse man diese Dinge beherrschen. „Dazu bin ich nicht gut genug.“ Wenn er es denn wirklich schafft mit dem Rückzug, wird er mehr Zeit auf Sylt verbringen, wo er seit zwei Jahren mit seiner Frau auf einem Bauernhof lebt.

Erst mal muss er jetzt aber los. Nach Arnsberg, gut 30 Kilometer entfernt. Dort wartet seine zweite Aufgabe. Er ist auch noch Generalbevollmächtigter beim Sauerländer Leuchtenhersteller Trilux, seit 13 Jahren, der Mann scheint nicht ausgelastet zu sein. Der Firma geht es – wie Veltins – gut: Im vergangenen Jahr stieg der Umsatz um rund 100 Millionen auf 714 Millionen Euro.

Unzufrieden mit Trilux

Huber steht auf, verlässt sein Büro. Bevor er in seinen A8 steigt, sagt er plötzlich, dass er dennoch unzufrieden sei mit Trilux. Warum? Noch sei ihm nicht klar, wie die Firma ohne ihn klarkommen soll. „Ich habe das Unternehmen noch nicht ausreichend darauf vorbereitet.“ Es sei eben ein Unterschied, ob man 13 oder 23 Jahre dabei sei.

Huber findet, dass es mal wieder höchste Zeit sei, zu erproben, ob die Manager bei Trilux auch wissen, auf wen sie sich im Krisenfall verlassen können. Höchste Zeit also für einen Stresstest, nachts um drei.

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