Für Beck's, so Bartelt, geht die Rechnung vor allem bei denen auf, die man zuvor nicht erreichte: Menschen, die bislang kein Bier tranken. 62 Prozent aller Käufer der Sorten, die mit enormen Schwung flächendeckend in Deutschland in die Supermärkte geschwemmt wurden, sind Neukunden, die zuvor kein Bier gekauft haben. Die sollen auch durch ein modernes Design abgesprochen werden, das Abschied nimmt von der historisierenden Welt der Wappen auf den Etiketten. "Neukunden für Bier - das ist vielen gar nicht mehr bewusst, dass es die gibt", sagt Bartelt. Würde man die Biere des Programms "Taste the world" zu dem deutschen Craftbeer-Markt zuordnen, so Bartelt, läge sein Marktanteil bei 80 Prozent. Was auch daran liegt, dass diese Biere gut verfügbar sind. Viele Biere von Kleinstbrauereien bekommen die Fans dieser Sorten nur in Spezialgeschäften oder Onlineshops.
Das Spezielle rauskitzeln, die Besonderheit betonen. Dieser Weg kann auch andere Abzweigungen nehmen. Die Brauereien Veltins und Warsteiner setzen eher darauf, die Sehnsucht nach einem traditionellen Produkt, nach der guten alten Zeit zu bedienen. "Grevensteiner" nennt Veltins sein jüngstes Produkt, das allein im Erscheinungsbild das Gegenteil vom schlanken, kühlen Design der Beck's-Flasche ist. Die gedrungene 0,33-Liter-Flasche und das Etikett bedient den Wunsch nach einer vermeintlich guten alten Zeit. Die "bauchige Steinieflasche signalisiert, dass hier solide Brautradition lebendig wird", gleich so, als ob die heutigen Biere von Veltins das nicht ebenfalls für sich reklamieren würden.
In die gleiche Kerbe schlägt der Wettbewerber Warsteiner mit der Braumeister Edition. „Unsere neue Braumeister Edition besinnt sich auf das Handwerk von damals. Es war uns besonders wichtig, die althergebrachten Rezepte des ersten beurkundeten Braumeisters der Warsteiner Brauerei, Fritz Peters, der 1869 seine Arbeit aufnahm, modern und zeitgemäß zu interpretieren", sagt Martin Hötzel, Geschäftsführer Vertrieb & Marketing bei Warsteiner.
Modern und zeitgemäß bedeutet eben auch, dass die Biere selbstverständlich nicht so produziert werden wie 1869. Eine kontrollierte Gärung, wie sie heute möglich ist, war undenkbar.
Altes Etikett, naturtrüb, Betonung der handwerklichen Idee, der Markt für Bierspezialitäten wachse, sagt Hötzel. Dazu zählen auch all jene Produzenten, die mit dem nun gefeierten Reinheitsgebot eigentlich nichts zu tun haben wollen.
Zukunft des Bier-Marktes
Aber gelegentlich arrangieren sich alte und neue Bierwelt gar schiedlich friedlich - zum Wohle aller Beteiligten. Die seit 1862 in Düsseldorf ansässige Brauerei Uerige mit ihrem Stammhaus in der Altstadt und der typischen rustikalen Gastronomie tat sich zusammen mit einem der Querdenker der deutschen Craft-Beer-Szene. Oliver Wesseloh von der Hamburger Marke Kreativbrauerei Kehrwieder kam nach Düsseldorf, um dort zusammen mit den lokalen Braumeistern das "Jröön" zu brauen. Eine Spezialität, die auf Basis der Blüten der Hopfenpflanze gebraut wurde. Eine Kooperation, wie sie in der Craft-Beer-Szene unter befreundeten Braumeistern nicht unüblich ist.
Die Brauerei Maisel aus Bayreuth setzt neben seinen klassischen fränkischen Spezialitäten ebenfalls auf die Zusammenarbeit, unter anderem mit Winzern, um unter dem Namen Maisel and Friends, Biere im internationalen Stil zu brauen. Ein neues Brauhaus, Brauwerkstatt genannt, in historischen Mauern, inszeniert mit bunt beleuchteten Stahltanks die neue Freude am Experiment.
Aber nicht immer sind die Aktivitäten der Großbrauereien abseits der erprobten Pfade so gut zu erkennen. Das Bier TNT 6.0 entsteht in der Brauerei im Eiswerk und ist mit dem gleichnamigen Hopfen eines von sieben Bieren, die ein vierköpfiges Team dort kreiert und vertreibt. Edle Flaschen, bescheidener Auftritt - und ins Leben gerufen von der Mutter, der Paulaner Brauerei.
Doch die hiesigen Platzhirsche, die die Gastronomie dominieren, müssen auch dort neue Wettbewerber zur Kenntnis nehmen. Mit Stone Brewing kommt eine der bekanntesten Craftbrauereien aus den USA nach Berlin. Von der Brauerei mit angrenzender Gastronomie soll Europa aus mit klassischen Sorten Stone IPA oder Arrogant Bastard Ale versorgt werden. Die britische Brauerei Brewdog plant zwar keine Produktion, aber eigene Bars in Deutschland, zunächst ebenfalls in Berlin.
Noch ist eine Methode der Braukonzernen in den USA oder Großbritannien nicht in Deutschland angekommen, um sich in dem sich ändernden Markt zu behaupten: Die Giganten kaufen einfach einige der angesagtesten Craftbrauereien auf.