Braugerste Deutschen Mälzern droht das Aus

Energiepreise und Agrarpolitik machen den deutschen Mälzern das Leben schwer. Vielen drohe das Aus, prophezeit der französische Weltmarktführer Soufflet.

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Die Mälzerei von Malteries Soufflet bei Paris hat den deutschen Konkurrenten Durst Malz übernommen. Die hohen Strompreise werden für die deutschen Mälzer zu einem immer größeren Problem. Quelle: Foto: LAIF

Noch mal in Deutschland investieren? Christophe Passelande winkt ab: „Den Betrieben dort mangelt es an Wettbewerbsfähigkeit.“ Das sagt ein Franzose, der seit Monaten in den Nachrichten hört, dass sich Frankreichs Industrie ein Beispiel am Nachbarn jenseits des Rheins nehmen sollte.

Passelande ist Geschäftsführer von Malteries Soufflet, der mit 2,15 Millionen Tonnen Kapazität weltgrößten Mälzerei aus Nogent-sur-Seine südöstlich von Paris. Und für seine Branche senkt er den Daumen über Deutschland: „Die Energiepreise sind zu hoch.“ Die Energiewende, prophezeit er, werde zahlreiche der bereits vom sinkenden Bierkonsum gebeutelten deutschen Mälzereien zum Aufgeben zwingen.

In welchen Bundesländern am meisten Bier getrunken wird
Bierflaschen im Regal Quelle: dpa
Veltins V+ Flasche. Quelle: obs
Bier Fußballfans Deutschlandflagge Quelle: dpa
Bierkrüge anstoßen Biergarten Quelle: dapd
Hefeweizen Bierglas Quelle: dpa
Kanzlerin Angela Merkel Flensburg Quelle: dpa
Bier Zapfanlage Kneipe Quelle: dapd

In Mälzereien wird Gerste durch Keimen und Trocknen zu Malz für die Herstellung von Bier verarbeitet. In Deutschland setzen rund 55 Mälzereien mit zusammen 1.000 Mitarbeitern gut 800 Millionen Euro um. Die größten sind Avangard Malz (Gelsenkirchen, Bremen, Koblenz, Lechfeld/Bayern, 341.000 Tonnen), Malteurop Deutschland (Rostock, Langerringen/Bayern, Heidenau/Sachsen, 250.000 Tonnen) und die Erfurter Malzwerke mit 250.000 Tonnen.

Die Nummer vier, Durst Malz, wurde 2011 vom Weltmarktführer Malteries Soufflet übernommen, der zum Agrokonzern Soufflet gehört. Er hat in Deutschland nun Zugriff auf eine Produktionskapazität von 200.000 Tonnen in Gernsheim (Hessen), Heidelsheim (Baden-Württemberg) und Castrop-Rauxel (Nordrhein-Westfalen). Der Haken: Durst Malz zahlt 125 bis 130 Euro für 1.000 Kilowattstunden Strom – in Frankreich wären es nur 70 bis 75 Euro.

Die Top Ten Brauereien in Deutschland

An dem Grund für diese Diskrepanz kommt Passelande jeden Morgen auf dem Weg ins Büro vorbei: den beiden Kühltürmen des Atomkraftwerks von Nogent-sur-Seine. Kernenergie ist seit den Siebzigerjahren Frankreichs Garantie für niedrige Energiepreise. Soufflet betreibt zudem eine eigene Biogasanlage. „Der größte Kostenfaktor in unserer Branche ist die Energie“, sagt Passelande. Das Einweichen, Keimen und Darren der Braugerste in den schwülheißen Bunkern dauert gut zwei Wochen.

Von einem absehbaren Massensterben deutscher Mälzereien will der Deutsche Mälzerbund in Frankfurt zwar nichts wissen. Wenn die Befreiung von der Umlage im Rahmen des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes auf Druck aus Brüssel fällt, erwartet aber auch Geschäftsführer Michael Lerch, „dass die Wettbewerbsfähigkeit unserer Mälzereien weiter zurückgehen wird“. In den kommenden Jahren würden wohl einige der kleinen Betriebe schließen, gerade wenn der Nachwuchs fehle.

Nischen oder Kooperationen

Die größten Brauereien der Welt
Eine Reihe frisch gezapfter Gläser Radeberger Bier Quelle: dpa/dpaweb
Zwei Frauen trinken Kirin Bier Quelle: REUTERS
Eine Person hält eine Flasche Yanjing Bier in der Hand Quelle: Creative Commons - daniel-julià-lundgre
Eine Molson-Brauerei in Toronto Quelle: AP
Ein Mann trinkt Corona Bier Quelle: REUTERS
Eine Frau zapft Tsingtao Bier Quelle: AP
Screenshot der Homepage China Resources Quelle: Screenshot

So, wie es etwa Thomas Finkler für die bayrische Kleinmälzerei Fritz Finkler voraussagt: „Ich bin die letzte Generation.“ Seinem Sohn habe er abgeraten, den Betrieb weiterzuführen – „auch wegen der Energiepolitik, die unser Staat betreibt, bei der wir Kleinen draufzahlen“.

Andere suchen in der Nische ihr Auskommen, etwa mit der Malzproduktion für Spezialbiere, oder gehen wie die schwäbische Kleinmälzerei Dürrwanger Kooperationen ein. Im Zusammenschluss Schwabenmalz sei die Kalkulation beim Gerstenkauf fast auf dem Niveau einer Großmälzerei möglich, sagt Chef Markus Dürrwanger. „Ohne diesen Verbund könnte ich bei einer fremden Firma den Hof kehren.“

Denn zu den hohen Kosten kommt hinzu, was Soufflet-Geschäftsführer Passelande die „Schlacht um jeden Hektar“ nennt. Weil die Preise für Braugerste stark schwanken – derzeit werden laut Mälzerbund 180 bis 200 Euro pro Tonne bezahlt –, schwenken viele Landwirte auf Mais für Biogasanlagen um. Da sind die Abnahmepreise über 15 Jahre garantiert und die Ansprüche an das Produkt geringer. Braugerste darf einen Eiweißgehalt von maximal 11,5 Prozent haben. Wird er überschritten, sinkt der Preis um fünf bis zehn Euro pro Tonne auf das Niveau von Futtergetreide. Das Risiko trägt der Landwirt.

Deutschlands Anbaufläche für Braugerste ist daher unter 390.000 Hektar gesunken. Im Durchschnitt der vergangenen sieben Jahre waren es noch 480.000 Hektar. Im Hauptanbauland Bayern wurde 2013 ein Rekordtief von 101.500 Hektar verzeichnet. Kein Wunder, dass Deutschland inzwischen ein Importland für Braugerste ist: Von rund 2,2 Millionen Tonnen, die die deutschen Mälzereien pro Jahr brauchen, führen sie rund ein Drittel ein und haben dadurch zusätzliche Logistikkosten.

Auch auf der Absatzseite hakt es. Der Bierkonzern AB InBev, größter Kunde der Soufflet-Mälzereien vor SAB Miller, Heineken und Carlsberg, erwartet in den kommenden 10 bis 15 Jahren für Deutschland einen Rückgang des Bierdurstes um weitere 20 Millionen Hektoliter. Zwischen 2004 und 2012 sank der Verkauf bereits von 106 auf 96 Millionen Hektoliter.

Den dadurch sinkenden Malzabsatz könnten die Mälzereien in Deutschland nicht durch höheren Export auffangen, sagt Passelande: „Das lohnt sich wegen der Transportkosten für den Import von Gerste und der hohen Energiepreise nicht. Deshalb steht eine Restrukturierung des Marktes bevor.“ Viele müssten aufgeben oder sich zusammenschließen, um zu sparen.

Geschlossene Gesellschaft

Wo das Bier zuhause ist
Platz 10 - Spanien - 32,7 Millionen Hektoliter Bierausstoß im Jahr 2013Manchem Deutschen dürfte das spanische Bier noch aus dem Sommerurlaub bekannt sein. Obwohl der heimische Wein hervorragend ist, sind auch die Spanier dem Bier nicht abgeneigt. Die bekanntesten Marken der iberischen Halbinseln sind San Miguel, Damm und Cruzcampo. (Quelle: Barth-Haas-Group) Quelle: Reuters
Platz 9 - Polen - 39,6 Millionen HektoliterNicht nur Fußballfans in Polen genießen das heimische Bier. Die polnischen Biersorten Lech, Tyskie und Zywiec sind auch in Deutschland längst keine Unbekannten mehr. Quelle: dpa
Platz 8 - Großbritannien - 42,4 Millionen HektoliterAuch wenn Bier aus England nicht den besten Ruf in Deutschland genießt: Die britische Insel gehört zu den führenden Biernationen. Auch wenn die berühmteste Brauerei Scottish & Newcastle schon seit 2008 in ausländischem Besitz. Besonders erfolgreich auf der britischen Insel sind die Großbrauereien Heineken, Carlsberg und Inbev. Quelle: Reuters
Platz 7 - Japan - 57,2 Millionen HektoliterDie neuste Erfindung in Japan: Frozen Bier. Ohnehin haben die Bierkreationen in Fernost nicht viel mit dem deutschen Reinheitsgebot am Hut. Beliebt sind die japanischen Biere trotzdem. Die bekanntesten japanischen Marken sind Asahi und Kirin. Quelle: Reuters
Platz 6 - Mexiko - 82,5 Millionen HektoliterDer Bierausstoß des südlichen Nachbarn der USA ist zwar nur geschätzt, weil offizielle Statistiken nicht vorliegen. Doch die Schätzung katapultiert die Mexikaner locker in die Top Ten. Das mexikanische Bier Corona ist auch in Deutschland beliebt - mit Limette im Flaschenhals. Quelle: Reuters
Platz 4 - Deutschland - 94,36 Millionen Hektoliter"O'zapft is!" Trotz aller Tradition kommt der Bierdurst der Deutschen langsam zum erliegen. Die Brauereien klagen über sinkenden Absatz. Die Furcht vor weiteren Übernahmen wächst. Bezeichnend, dass die Billigbiermarke Oettinger seit Jahren das beliebteste Bier des Landes ist. Ebenfalls stark: Radeberger, Inbev und Bitburger. Quelle: dapd
Platz 5 - Russland - 88,6 Millionen Hektoliter"Na sdorowje" - die Russen sind für ihre Trinkfestigkeit weltberühmt. Doch das hat einen ernsten Hintergrund. In einigen Regionen Russland ist der Alkoholismus zum sozialen Problem geworden. Präsident Putin (rechts) hat eine Gegenoffensive angekündigt. Der Bierabsatz ging im vergangenen Jahr tatsächlich massiv zurück. Marktführer in Russland sind die lokalen Marken von Carlsberg mit einem Anteil von 38 Prozent. Quelle: dapd

Warum hat trotz der widrigen Umstände Soufflet 2011 Durst Malz übernommen? „Der deutsche Biermarkt ist eine geschlossene Gesellschaft“, sagt Passelande. „Man kennt sich untereinander. Auch wenn rund 50 Prozent der Mälzerei-Kapazitäten inzwischen formal in ausländischer Hand sind, wollen vor allem kleinere Brauereien bei Mälzern kaufen, die im Inland produzieren.“ Deutschlands Nummer eins Avangard Malz gehört der ukrainischen Bank Avangard. Markt-Vize Malteurop Deutschland gehört zur gleichnamigen französischen Gruppe und die Nummer fünf Schill Malz zur australischen Graincorp.

Zu teurer Gerstensaft - Millionenstrafe für Bierkartell

Von den 4,7 Milliarden Euro Umsatz von Soufflet 2012 entfielen gut 327 Millionen auf die mehr als 25 Mälzereien. Das Gros des Umsatzes macht der Konzern mit dem Kauf und Verkauf von Getreide. Mit der Mehrheitsübernahme der brasilianischen Malteria do Vale 2012 stieg Soufflet von Europas größter zur weltgrößten Mälzerei auf.

Auf Länder wie Brasilien, Indien, aber auch Staaten in Afrika und Asien konzentriert sich nun das Interesse. Nach Asien und Afrika exportiert Soufflet Malz aus Frankreich. In Indien, wo Braugerste laut Passelande mangels Brautradition von schrecklicher Qualität ist, experimentiert Soufflet wie auch in Äthiopien, Kenia und Mosambik mit Gerstensorten, um irgendwann den Markt vor Ort zu versorgen.

Auch in Deutschland versucht Soufflet, die Bauern bei der Stange zu halten – mit Gerste, die höhere Erntevolumen, bessere Qualität und mehr Resistenz gegen Krankheiten verspricht.

Von einer Steigerung der Anbauflächen kann jedoch keine Rede sein: Wenn man die existierenden Gerstenfelder wenigstens halten könnte, sagt Passelande, wäre das schon ein Fortschritt.

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