Bundeskartellamt erlaubt Fusion Protokoll: Diese Fehler trieben Kaufhof in die Arme von Karstadt

Die K-Frage: Noch vor drei Jahren galt Kaufhof als solides, wenn auch angestaubtes Handelshaus. Nun ist das Unternehmen ein Sanierungsfall. Wie konnte es so weit kommen? Quelle: dapd

Ihr Wettbewerb hat Wirtschaftskrisen und Weltkriege überdauert. Nun macht das Bundeskartellamt den Weg frei für die Fusion von Kaufhof und Karstadt. Wie es so weit kommen konnte.

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Köln, 15. Juni 2015: Applaus brandet auf, als Richard Baker nach vorn tritt und die Kaufhof-Mitarbeiter mit einem freundlichen „Guten Morgen!“ begrüßt. So also sieht er aus, der neue Hausherr: Zahnpastalächeln, leicht zerzaustes Haar, knallrote Krawatte. Nur die dunklen Ringe unter seinen Augen erzählen von den Nachtsitzungen der vergangenen Tage. Doch nun steht der Deal: Der kanadische Handelsriese Hudson’s Bay Company (HBC), dessen Mehrheitsaktionär Baker ist, übernimmt die deutsche Warenhausikone.

Bis hinaus auf den Flur vor der Kantine der Kölner Kaufhof-Zentrale drängen sich die Mitarbeiter, um zu erfahren, wie es nun weitergeht und was die Kanadier vorhaben. Baker beruhigt: Seit 2006 beobachte er Galeria Kaufhof nun schon, sagt er und fügt hinzu: „We are very careful people.“ Noch bevor die Dolmetscherin übersetzt hat, sind ihm die Lacher sicher. Auch HBC-Vorstandschef Jerry Storch ist vor Ort und verspricht: „Sie sind bei HBC in guten Händen.“

Wohl niemand ahnt zu diesem Zeitpunkt, dass der Kantinenauftritt nur die Ouvertüre für eine Handelsoperette ist, deren Wendungen das Publikum bis heute in Atem halten. Ein Lehrstück gleichsam, das zeigt, wie schnell aus Aufbruch Abbruch werden kann und auf Erneuerung Ernüchterung folgt. Innerhalb von nur drei Jahren haben strategische Fehler und Managementversagen Kaufhof in einen Sanierungsfall verwandelt – und damit den Boden bereitet für eine Zäsur im deutschen Handel: Für den Zusammenschluss von Kaufhof mit dem Erzrivalen Karstadt. Heute hat das Bundeskartellamt die Fusion genehmigt. Ein Kaufhauskoloss von europaweit 32 000 Mitarbeiter, verteilt auf 243 Filialen entsteht. Ein Bündnis „unter Gleichen“ soll es werden, wenngleich Karstadt die operative Führung übernimmt. Es ist ein rasanter Rollenwechsel.

Köln, 15. Juni 2015: HBC-Chairman Richard Baker (links) und Vorstandschef Jerry Storch verkünden die Übernahme von Galeria Kaufhof: „Sie sind bei HBC in guten Händen.“ Quelle: imago images

In den kommenden Tagen entscheidet sich, ob Kaufhof und der Erzrivale Karstadt fusionieren. Ein Bündnis „unter Gleichen“ soll es werden, wenngleich Karstadt die operative Führung übernehmen dürfte. Kommt es so, wäre es ein rasanter Rollenwechsel.

Noch 2015 gilt Kaufhof als Ertragsperle, die weit besser läuft als Karstadt. Kurz nach seiner Ansprache in der Kantine rauscht Baker zur Pressekonferenz ins Marriott, um gemeinsam mit dem Verkäufer, Metro-Chef Olaf Koch, den Neuerwerb zu preisen. Rund 2,8 Milliarden Euro soll die Übernahme kosten. Zusammen mit den 102 Häusern von Kaufhof, 16 Sportarena-Filialen und 16 Warenhäusern der Kaufhof-Tochter Galeria Inno in Belgien wird HBC nach dem endgültigen Abschluss des Geschäfts im Herbst ein Netz von 464 Standorten über Nordamerika und Europa spannen. Der Umsatz soll dann auf neun Milliarden Euro schnellen und alle 21 500 Kaufhof-Angestellten übernommen werden. „Das ist der Start eines aufregenden Abenteuers“, schwärmt Baker, „das richtige Investment zum richtigen Zeitpunkt.“

Wien, 15 Juni 2015: Der Verlierer gibt sich wortkarg. Nur ein paar Zeilen des Bedauerns lässt Karstadt-Eigner René Benko über sein Immobilienunternehmen Signa verschicken: Man habe sich „intensiv und gewissenhaft vorbereitet, um die beiden deutschen Traditionsmarken Kaufhof und Karstadt gemeinsam in eine gute Zukunft zu führen“, heißt es darin. „Dies ist nun nicht mehr möglich.“ Dabei galt Benko lange Zeit als Favorit im Bieterrennen. Es ist eine herbe Niederlage für den erfolgsverwöhnten Unternehmer, den das Wort „schillernd“ nur unzureichend beschreibt.

Benko hat aus dem Nichts ein Imperium geschaffen. Er verfügt über beste Drähte in Wirtschaft und Politik und gilt als hartnäckig bis an die Grenze zur Penetranz. Schon 2011 hatte er sich für Kaufhof interessiert. Als daraus nichts wurde, stieg er bei Karstadt ein. Der Zusammenschluss im zweiten Anlauf sollte nun sein Meisterstück werden. Wohl auch deshalb prescht Benkos Signa nur wenige Tage vor dem endgültigen Abschluss des Kaufhof-Verkaufs an HBC noch einmal vor und bietet dem Metro-Vorstand eine kurzfristige Wiederaufnahme der Gespräche an. Doch auch dieser Versuch scheitert: Benko geht leer aus. Vorerst.

Köln, 1. Oktober 2015: Der Stammsitz mit kaufhofgrüner Fassade, schwerer Messing-Drehtür und Paternostern im Inneren atmet die Tradition des 1879 gegründeten Unternehmens. Nun soll hier eine neue Ära beginnen: Kaufhof geht offiziell in den Besitz der Kanadier über. Zur Feier des Tages hat HBC-Mann Baker den Mitarbeitern neue Kaffeetassen mitgebracht: weiß mit einem grünen, roten, gelben und blauen Streifen darauf. Es sind die Hausfarben von HBC, wo Baker 2008 das Kommando übernahm.

Das ist die Hudson's Bay Company

Unter einem Dach versammelte er ein milliardenschweres Kaufhauskonglomerat: Neben der Kernmarke Hudson’s Bay gehören Lord & Taylor und die Luxuskaufhauskette Saks Fith Avenue samt Outlet-Ableger Saks Off 5th dazu. Nun auch Kaufhof. Die Übernahme finanziert er über einen gewagten wie komplexen Deal. Zahlreiche Warenhausimmobilien reicht Baker an eine Gesellschaft weiter, an der HBC die Mehrheit hält. Gleichzeitig werden für diese Häuser neue Verträge abgeschlossen, die Jahr für Jahr höhere Mieten vorsehen. Der Wert der Häuser, der sich an den Mieteinnahmen bemisst, steigt so in den Büchern. Doch kann Kaufhof die hohen Mieten auch erwirtschaften?

Alles „great“, „fantastic“ und „perfect“?

Düsseldorf, 11. März 2016: Kaufhof-Chef Olivier Van den Bossche überschlägt sich förmlich vor Begeisterung. Sein „Dream Concept“ getauftes Umbauprogramm soll die Filiale an der Düsseldorfer Königsallee in neuem Glanz erstrahlen lassen. Ein Haus mit „Vorbildcharakter“ entstünde dort.

Und das sei erst der Anfang. Investitionen von insgesamt rund einer Milliarde Euro verspricht HBC. Filialen sollen modernisiert werden, angesagte Modelabels und Premiummarken einen Hauch Glamour verbreiten. Im Onlinegeschäft will HBC eine Aufholjagd starten, in den Niederlanden eine neue Warenhauskette aus dem Boden stampfen und das Outlet-Konzept von Saks Off 5th zügig nach Deutschland bringen. Dabei ist der Schuldenstand der Kanadier bedenklich hoch und Rivalen wie Amazon wildern immer stärker im Warenhausrevier.

Toronto, 5. Dezember 2016: HBC muss tiefrote Zahlen verkünden – zum dritten Mal in Folge. Der Aktienkurs des Konzerns hat sich seit der Übernahme von Kaufhof nahezu halbiert. Alles halb so wild, beschwichtigen die Unternehmenschefs. Es gehe voran, auch wenn es noch viel zu lernen gebe.

Doch von viel Lernbereitschaft spüren die deutschen Mitarbeiter nichts. Im Gegenteil: Vor allem HBCs Mann für das internationale Geschäft, Kaufhof-Aufsichtsratschef Donald Watros, macht der Crew zu schaffen. Er fliegt regelmäßig in Köln ein, verbringt ein paar Tage in der Zentrale und erteilt dort mit breitem Western-Englisch Anweisungen, die altgediente Kräfte oft nur kopfschüttelnd zur Kenntnis nehmen. Als „Kleinkrieg“ beschreibt die „Textilwirtschaft“ bald die Lage. Von einer übertriebenen Einmischung der Amerikaner ist die Rede und von einer verfehlten Rabattpolitik. Die Zahlen verschlechtern sich drastisch.

Für Unruhe sorgen zudem Gerüchte, Kaufhof wolle die Tarifgehälter kappen. Zwar dementiert Kaufhof-Chef van den Bossche. Intern jedoch wird längst bezweifelt, dass er noch viel zu sagen hat. Als HBC im Frühjahr 2017 einen neuen Europastatthalter installiert, an den van den Bossche berichten soll, schmeißt der Belgier hin.

Düsseldorf, 7. April 2017: Am Tag nach dem Abgang des Kaufhof-Chefs bahnt sich Baker seinen Weg durch das Untergeschoss der Filiale an der Düsseldorfer Königsallee. Er nimmt ein Rührgerät in die Hand und wirkt dabei wie der Moderator eines TV-Shoppingkanals, der die neuesten Haushaltswaren unters Volk bringen will. Kameras klicken, Baker strahlt. Alles ist „great“, „fantastic“ und „perfect“. Streit in der Führung von Kaufhof? Von wegen. Rabattorgien in den Filialen? Man habe nur Platz für neue Marken schaffen wollen. Verkaufspläne für Kaufhof? Absurd. Und van den Bossches Abgang? Bedauerlich, sagt der mitgereiste HBC-Chef Storch. Doch keine Sorge, der neue starke Mann für Europa, der auch Kaufhof führen soll, sei ein brillanter Kopf.

Köln, 24. Mai 2017: Die Strecke führt entlang des Rheins, mit Blick auf Dom und Altstadt. Rund 350 Läufer sind beim Galeria Kaufhof Nachtlauf dabei. Unter ihnen der frisch gekürte Kaufhof- und HBC-Europachef Wolfgang Link. Auch im Unternehmen setzt er auf Ausdauer. Der Umbau von Kaufhof sei „kein Sprint, sondern ein Marathon“, verkündet der Manager, der zuvor das Europageschäft von Toys’R’Us geführt hat. Manch Mitarbeiter fühlte sich dort von einer „oberlehrerhaften Attitüde“ genervt. Selbst um die Verteilung von Parkplätzen soll sich Link schon mal gekümmert haben.

Dafür bleibt ihm im neuen Job keine Zeit. Schließlich muss er nicht nur das Kerngeschäft in Schwung bringen, sondern soll auch den Outlet-Markt aufrollen. Kurz nach Amtsantritt startet der HBC-Ableger Saks off 5th in Deutschland und will mit Prada-Pantoffeln und Tods-Täschchen die Republik erobern. Zur Eröffnungsparty der Nobel-Outlet-Kette trippeln Models über den pinken Teppich ins traditionsreiche Düsseldorfer Carsch-Haus. Filialen in Frankfurt, Stuttgart, Wiesbaden, Heidelberg und Rotterdam sollen folgen. Link verspricht einen „heißen Sommer voller Eröffnungen“.

Der Druck steigt

Hamburg, 26. Juli 2017: „Weißer Riese“ nennen die Hamburger das 23-geschossige Hochhaus mit der hellen Außenfassade, in dem der Warenkreditversicherer Euler Hermes residiert. Der Spitzname passt – auch zur Bedeutung des Kreditversicherers, dessen Risikoeinschätzungen im Handel ähnliche Bedeutung haben wie die Bewertungen von Ratingagenturen am Kapitalmarkt. Senken die Bonitätsexperten ihre sogenannten Limits, schrillen bei Lieferanten, die sich gegen Forderungsausfälle absichern, die Alarmglocken. Entsprechend nervös reagiert die Zunft, als der „Spiegel“ vermeldet: „Kreditversicherer lässt Kaufhof fallen“.

Schriftlich hatte Euler Hermes die Kaufhof-Lieferanten darüber informiert, dass ihre Warenkreditversicherungen teils drastisch gekürzt werden. Die Entscheidung basiere auf der Bewertung der vorliegenden Zahlen, erklärt der Versicherer. Die Umsätze erodieren, Kaufhof schreibt Verluste.

Trotzdem trifft die Entscheidung das Management offenbar völlig unvorbereitet. Hektik bricht aus. Eine Telefonkonferenz folgt der anderen. Erst als HBC öffentlich erklären lässt, über eine „globale 2,25-Milliarden-US-Dollar-Kreditlinie“ zu verfügen, legt sich der Sturm – und bricht wenige Tage später mit neuer Wucht los.

Der Investor Land and Buildings, der knapp fünf Prozent an HBC hält, fordert in einem offenen Brief, HBC solle sich aus Europa zurückziehen. HBC-Chef Storch reagiert gereizt: „Unser Bekenntnis zum deutschen Markt und zum europäischen Geschäft ist stärker denn je“, sagt er. Doch allen Treueschwüren zum Trotz, halten sich hartnäckig Verkaufsgerüchte. Und ein Name fällt immer wieder: Benko.

Wien, 20. Juni 2017: Bei einem Einkaufsbummel durch die Innenstadt kommen die Touristen fast unweigerlich an Benkos Immobilienschätzen vorbei. Ob Goldenes Quartier, Hotel Hyatt, Wohn- und Geschäftsbauten auf der Mariahilfer Straße oder Otto Wagners Postsparkasse in Donau-Nähe – Benko hat sich halb Wien gekauft.

Das feudale Hauptquartier des Immobilienunternehmers versteckt sich hinter dem Portal des barocken Palais Harrach. Drinnen: Stuck, Kronleuchter, imposante Freitreppen, schallgedämmte Türen, Deckenfresken und Golddekor an den Wänden. Welch ein Gegensatz zur Spardoktrin, die seit fast drei Jahren bei Benkos deutschen Warenhäusern Tagesordnung ist. Damals übernahm Stephan Fanderl den Chefposten bei Karstadt. Er schloss Filialen und änderte die Ausrichtung des Geschäfts. Weg vom Versuch seiner Vorgänger, jüngere Kundinnen mit mehr Glamour und vermeintlich trendigen Modelabels in die Läden zu lotsen. Hin zu einer lokalen, bodenständigeren Anmutung der Filialen. Seither heißt „Wow Sale“ wieder Schlussverkauf – und die Zahlen bessern sich. Dazu trägt auch eine Vereinbarung mit der Gewerkschaft Verdi bei, durch die Karstadt massiv Personalkosten spart.

Müssen die Kaufhof-Beschäftigten für die Probleme der Kette zahlen?

Ein Modell, das auch Kaufhof reizt. Kaufhof-Chef Link fordert eine „wirtschaftliche Atempause“ und will mit Verdi über einen sogenannten Beschäftigungssicherungsvertrag verhandeln. Die Kaufhof-Mitarbeiter sollen mehr arbeiten, aber weniger verdienen. Andernfalls, so das im Raum stehende Szenario, würden über kurz oder lang Stellen gestrichen. Die Gewerkschaft ziert sich. Eine Tarifkommission muss gebildet, die Bücher müssen geprüft werden. Das dauert. Dabei braucht Link schnelle Erfolge. Denn jenseits des Atlantiks steigt der Druck.

Toronto, 20. Oktober 2017: Kurz vor dem wichtigen Weihnachtsgeschäft wird bekannt, dass HBC-Chef Storch seinen Posten räumen muss. Die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt, der Verwaltungsrat werfe Storch vor, die Lage in Deutschland und Europa falsch eingeschätzt zu haben. Baker, der den Job nun kommissarisch übernimmt, holt einen neuen Investor an Bord und verkauft eine Prunkimmobilie in New York, versichert aber: „Wir stehen zu HBC Europa.“ Es gebe „keine Pläne, unser Geschäft an irgendjemanden zu verkaufen – Punkt!“.

Kaum eine Woche später wagt sich Karstadt-Eigner Benko aus der Deckung und legt eine Offerte für Kaufhof vor. Die Antwort folgt prompt: HBC teilt mit, ein unvollständiges, nicht bindendes und unaufgefordertes Angebot erhalten zu haben, das nun pflichtgemäß geprüft werde.

Begeisterung klingt anders. Kein Wunder: Baker gilt als eigentlicher Treiber der Europaexpansion. Regelmäßig reist der Milliardär im Privatjet und mit Hündchen Bella im Schlepptau nach Übersee. „Eher würde er im Hochzeitskleid über die Fifth Avenue in New York tanzen, als an Benko zu verkaufen“, heißt es in seinem Umfeld.

Dabei könnten sich die Kanadier mit einem Verkauf auf einen Schlag ihrer drängendsten Probleme entledigen: Rund drei Milliarden Euro bietet Benko. Viel Geld für ein Unternehmen in der Krise.

„Zusammenschluss unter Gleichen“

Willingen, 7. November 2017: Wie weit Kaufhof-Chef Link von seinem Ziel entfernt ist, rasch einen Sanierungstarifvertrag auszuhandeln, um die Personalkosten zu senken, zeigt eine Betriebsrätetagung im Sauerland. Ein Kaufhof-Betriebsrat nach dem anderen steht auf und zerschlägt mit lautem Getöse jene Kaffeetassen, die die Kaufhof-Mitarbeiter einst zum Start von HBC bekommen hatten. „Wie versteinert“ hätten Link und seine Managementkollegen das Spektakel mitangesehen, erinnert sich ein Teilnehmer.

Auch sonst läuft es nicht rund für Link. Zwar hat er die Führung des operativen Geschäfts von Kaufhof an den erfahrenen Sanierer und früheren Real-Manager Roland Neuwald abgegeben und konzentriert sich auf seinen Posten als HBC-Europachef. Doch auch jenseits von Deutschland rumort es: Die ersten Hudson’s-Bay-Kaufhäuser in den Niederlanden starten mit erheblichen Anlaufverlusten, und die Saks-Off-5th-Filialen werfen weit weniger ab als erwartet.

Toronto, 5. Februar 2018: Braune Augen, talkshowerprobtes Lächeln, marathongestählter Ehrgeiz – und vor allem Erfahrung. Lange Jahre war Helena Foulkes im Top-Management der US-Drogeriekette CVS tätig. Nun soll sie als Chefin von HBC in den Kampf gegen die „Retail Apocalypse“ ziehen, wie der Niedergang des stationären Einzelhandels in den USA genannt wird. „Helena ist eine echte Führungspersönlichkeit in Sachen Transformation, die das Geschäft mit einer neuen Perspektive beleben wird“, lobt Baker.

Bei der Bewertung der Kaufhof-Offerte gibt es allerdings keinen Perspektivwechsel: Ein Verkauf an Benko wird von HBC offiziell abgelehnt. Man glaube an die eigene Fähigkeit, „die Ergebnisse unserer traditionsreichen Warenhausmarken zu steigern“, heißt es zur Begründung.

Im Fall von Kaufhof bedeutet das vor allem: sparen. 400 der 1600 Stellen in der Zentrale sollen bis 2020 wegfallen.

Berlin, 21. Februar 2018: Der Moderator kündigt ihn als einen der bedeutendsten Immobilienmanager Europas an. Zwei Jahre habe er um ihn buhlen müssen. Nun ist Benko zum Branchentreff in den Ballsaal des Hotels Adlon gekommen und sieht aus wie ein Schulbub, der seine Bartstoppeln etwas zu lang hat stehen lassen. Seiner Attitüde tut das freilich nichts. Der Arm lehnt lässig über dem Sofa, das Bein überschlagen. Er freue sich über das Lob, lässt er wissen – und beginnt den Bau am eigenen Mythos: Alle gegen Benko – und er gegen alle Widerstände. Dass er gerade zum dritten Mal mit seinen Kaufhof-Plänen abgeblitzt ist? Geschenkt.

Trotzdem scheint sein Glaube an die eigenen Fähigkeiten unerschüttert. „Wer mehr Torchancen vorbereitet, der macht auch mehr Bälle rein“, sagt er. Und: „Alles, was ich tue, bringe ich auch zu Ende.“

„Deutsche Warenhaus AG“ – So könnte die Fusion von Karstadt und Kaufhof aussehen

Im Publikum ahnen in diesem Moment viele, dass Kaufhof für Benko nicht erledigt ist. Tatsächlich ist bald von Geheimtreffen in Wien und London die Rede, unter den Codenamen „Donau“ und „Maple“ würden Signa und HBC erneut verhandelt, heißt es. Wie zum Beweis findet eine vertrauliche Präsentation ihren Weg zur Gewerkschaft Verdi, die von den Segnungen einer „Deutschen Warenhaus Holding“ kündet.

Anders als bei den bisherigen Vorstößen werde nun „ein Zusammenschluss unter Gleichen“ angestrebt, heißt es darin. Erklärtes Ziel sei es, möglichst viele der zusammen 175 Standorte von Kaufhof und Karstadt zu erhalten, allerdings könnten in den kommenden fünf Jahren zwischen 15 und 20 Standorte „geschlossen werden“. Die beiden Marken Kaufhof und Karstadt sollen dagegen erhalten bleiben. In Summe könnte das deutsche Warenhausdoppel so Synergieeffekte von 200 Millionen Euro einspielen.

Köln, 2. Juli 2018: Kaufhof-Gründer Leonhard Tietz schaut mit strengem Blick von der Wand. Um einen langen Holztisch stehen dunkelgrün gepolsterte Stühle. Nur die beiden Dolmetscherkabinen wirken wie Fremdkörper im Saal. Alle paar Wochen trifft sich hier der Aufsichtsrat, um sich unter dem Tietz-Gemälde auszutauschen.

Diesmal ist der Gesprächsbedarf besonders groß. Die Gerüchte um den Zusammenschluss mit Kaufhof bewegen die Arbeitnehmerseite. Die Antworten des Managements fallen spärlich aus. „Die haben selbst keine Ahnung, wohin die Reise geht“, vermutet ein Kontrolleur. Dabei unterzeichnen Vertreter von HBC und Signa tags darauf eine rund 200 Seiten starke Absichtserklärung mit dem sperrigen Titel „Vereinbarung zu einer Fusion unter Gleichen im europäischen Warenhaus-Geschäft“. Danach sollen Kaufhof, Karstadt und Karstadt Sport in ein Joint Venture eingebracht werden. Benkos Firma Signa würde nach den Plänen rund 50,01 Prozent der Anteile an dem Gemeinschaftsunternehmen bekommen und Karstadt-Chef Fanderl das operative Geschäft managen. Als relativ sicher gilt, dass der Karstadt-Stammsitz in Essen über kurz oder lang wegfällt.

Als die WirtschaftsWoche über den Stand der Verhandlungen berichtet, rumort es gewaltig. Essens Oberbürgermeister spricht von einer Zäsur, der Deutsche Städtetag schaltet sich ein. Betriebsräte beider Unternehmen verlangen Auskunft. Doch offiziell dringt weiter nichts nach außen. Man befände sich in Gesprächen, teilt HBC nur mit, während im Hintergrund hektisch um die Details des Deals gerungen wird. Bilanzexperten von HBC durchkämmen das Zahlenwerk, Rechnungsleger des österreichischen Karstadt-Besitzers Signa kalkulieren letzte Einzelheiten, Anwälte wälzen die Verträge, Banker schalten sich ein - und Egos prallen aufeinander. Mehrfach stehen die Verhandlungen vor dem Abbruch. Doch am Ende reißen sich alle Beteiligten zusammen, zügeln ihre Temperamente.

Köln, 11. September 2018: Kaufhof und Karstadt verkünden die Fusion. „Die Galeria Kaufhof GmbH und die Karstadt Warenhaus GmbH, zwei traditionsreiche Namen des deutschen Einzelhandels, schließen sich zu einem starken Unternehmen zusammen“, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung. Die Führung über den neuen Kaufhauskoloss soll wie erwartet Fanderl übernehmen. In einem Brief informiert HBC-Chefin Foulkes die Kaufhof-Mitarbeiter über den „Zusammenschluss unter Gleichen“, der „für beide Seiten die beste Lösung“ sei. „Unser gemeinsames Ziel ist es, ein stärkeres Einzelhandelsunternehmen zu formen, das die heutigen und zukünftigen Kundenanforderungen auf allen Kanälen bestmöglich erfüllt“, schreibt Foulkes darin. Der Schritt sei mit vielen Chancen verbunden. „Allerdings befinden wir uns erst am Anfang des Prozesses.“ Der Zusammenschluss müsse von den Wettbewerbsbehörden geprüft und freigegeben werden. Erst dann könne es wirklich losgehen. „Mit besten Grüßen, Helena.“

Bonn, 9. November 2018: Der Andreas Mundt residiert im Chefbüro eines strahlend weißen, landschlossartigen Gebäudekomplexes in Bonn. Als er sein Amt als Präsident des Bundeskartellamtes im Jahr 2009 antrat, lag Karstadt in Trümmern und kämpfte ums Überleben. Jetzt soll die Fusion mit Kaufhof den Handelsveteranen neues Leben einhauchen. Mundt und seine Behörde haben kaum Bedenken. Zu gering ist letztlich der Verhandlungsmacht selbst eines fusionierten Unternehmens gegenüber Lieferanten, zu sehr sind Umsätze und Bedeutung der Warenhäuser in den vergangenen Jahren zusammengeschmolzen. Es gebe weder aus Sicht der Verbraucher noch der Hersteller und Lieferanten wettbewerbliche Bedenken, erklärt Mundt. Kaufhof und Karstadt hätten nur in einzelnen Warengruppen und Regionen Marktanteile von mehr als 25 Prozent. Die Warengruppen Gepäck, Wäsche, Sport und Outdoor, Spiele und Spielwaren, Heimtextilien sowie Büro- und Schreibwaren seien näher geprüft worden, weil die Marktstellung der beiden Händler hier am stärksten sei. Es hätten sich aber keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken ergeben, die eine Untersagung des Vorhabens rechtfertigen würden. Im Klartext: Die Fusion ist durch – und die eigentliche Mission kann starten, "eine Phase, die von harter Arbeit, großen betrieblichen Herausforderungen und fordernden Marktveränderungen geprägt ist", hatte Fanderl bereits im Vorfeld erklärt. Tatsächlich kommt nun ein Kraftakt auf Kaufhof und Karstadt zu. Die Warenwirtschaftssysteme mit Hunderttausenden Artikeln müssen angeglichen werden, die Preise der Lieferanten verglichen, Pläne geprüft, Verträge neu verhandelt werden. Offiziell ist zudem noch immer offen, welche der beiden Zentralen bestehen bleibt. Jede Sparmaßnahme und jede Neuerung, die Fanderl im künftigen Gemeinschaftsunternehmen durchsetzt, wird zum Politikum, argwöhnisch beobachtet von den Betriebsräten der jeweiligen Teile. „Das wird ein riesiges Stück Arbeit“, „Das wird ein riesiges Stück Arbeit“, ist der frühere Kaufhof-Chef Lovro Mandac überzeugt. Ein Mix aus Kärrnerjob und diplomatischer Mission. Fünf bis sieben Jahre werde es dauern, die Rivalen zu einen, ist Warenhauskenner Mandac überzeugt.

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