Butterkrise in Frankreich Die fetten Jahre sind vorbei

In Frankreich wird die Butter knapp. Die großen Handelsketten liegen im Preiskampf mit den Produzenten. Die Regale sind leer, Croissants werden teurer und die Wut der Konsumenten wächst.

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Butter ist in französischen Supermärkten aktuell Mangelware.

Paris Kein Land Europas verbraucht pro Kopf so viel Butter wie Frankreich: Mit acht Kilogramm jährlich verzehren unsere Nachbarn zwei Kilogramm mehr als die Deutschen und gar mehr als doppelt so viel wie die eben nicht fettscheuen Niederländer. Der hohe Wert ist kein Wunder: Gastronomische Ikonen wie ein Croissant kommen nicht ohne einen hohen Butteranteil aus.

Doch in keinem Land Europas war es in den vergangenen Wochen so schwierig wie in Frankreich ein Stück Butter zu erstehen. Leere Regale in den Supermärkten rufen Erinnerungen an Geschäfte in den sozialistischen Ländern wach.

In den französischen Medien waren teils absurde Erklärungen zu lesen: „Die Franzosen haben zu viel Butter gehortet, deshalb kommen die Lieferanten nicht mehr nach“, schrieb eine Tageszeitung. Andere gaben China oder McDonald's die Schuld: Die hätten ihre Nachfrage dramatisch gesteigert und den Weltmarkt leer gekauft. Die Wahrheit ist etwas komplizierter und hat viel mit mangelndem Wettbewerb in Frankreich selber zu tun. Tatsächlich nimmt die Nachfrage auf dem Weltmarkt zu, während das Angebot nur langsam zulegt. Die Lösung wäre einfach: steigende Preise, wie es in Deutschland geschehen ist.

In der Bundesrepublik ist der Butterpreis innerhalb eines Jahres um 70 Prozent gestiegen. In Frankreich blieb er nahezu stabil.

Preisverbesserungen bei Butter zugunsten der Erzeuger versuchen die französischen Einzelhandelsketten abzublocken. Eigentlich könnte es ihnen egal sein, wenn sie steigende Erzeugerpreise weitergeben. Aber sie räsonieren anders. Sie fürchten, es könne zum Präzedenzfall werden, wenn sie an diesem Punkt nachgeben. In Zukunft könnten die Erzeuger dann auch bei anderen Produkten versuchen, die eiserne Preisdisziplin der großen Ketten zu durchbrechen.

Die Macht des Handels ist gewaltig: Vor zwei Jahren stellte das französische Kartellamt fest, dass sechs Einkaufszentralen rund 90 Prozent des Marktes kontrollieren. „Heute sind es nur noch vier solcher Zentralen, weil vorher voneinander unabhängige Gruppen sich zusammengeschlossen haben“, heißt es in Kreisen des Kartellamtes.

Erzeuger wie Lactalis, einer der größten Hersteller von Milchprodukten weltweit, waren ihrerseits nicht bereit, sich vom Handel erneut knebeln zu lassen. Sie haben deshalb lieber andere Märkte im Ausland beliefert als den französischen. Konsequenz: Die Regale in viele Supermärkten bleiben leer.


Discounter sind zu klein

Angesichts des aktuellen „Kriegs um den Butterpreis“, von dem in Frankreich mit Blick auf den Konflikt zwischen Landwirten und Molkereien einerseits, Handelsketten andererseits die Rede ist, lohnt sich ein Blick auf die Strukturen im Einzelhandel. Die großen französischen Ketten haben es verstanden, ihre Position im Kampf gegen die Discounter zu verteidigen.

Die Einkaufs-Kooperation von Intermarché und Casino kommt laut der jüngsten Studie des Kartellamtes auf einen Marktanteil von 26 Prozent. Fast denselben Prozentsatz erreicht Carrefour zusammen mit Cora. Auchan/Système U bringen es auf 22 Prozent, Leclercq auf 20 Prozent. Die Discounter folgen weit abgeschlagen: Lidl schafft nur einen Marktanteil von 4,7 Prozent, Aldi gar nur 2,2 Prozent. Angesichts leerer Butterregale in den Supermärkten konnten die Verbraucher also nicht einfach auf Discounter ausweichen: Es gibt nicht genug.

Diese Vormacht der traditionellen französischen Ketten ist verblüffend. Denn in Großstädten wie Paris rufen sie Preise auf, die an Wucher grenzen. Möglich wird das durch Barrieren für den Marktzugang. „Verschiedene Gesetze machen es äußerst schwierig, sich als neuer Wettbewerber niederzulassen“, sagt eine französische Wettbewerbsexpertin.

In den 90er-Jahren wurden die Vorschriften noch verschärft. Seitdem ist es noch komplizierter, den Kunden eine Alternative zu bieten. Die Folge: In ganz Paris innerhalb des Autobahnrings mit seinen 2,2 Millionen Einwohnern gibt es nicht einen Aldi-Markt. Lidl ist lediglich mit 17 Geschäften vertreten, eine verschwindend geringe Zahl im Vergleich zu den Platzhirschen Carrefour und Casino.

Die Butterkrise werde entschärft, hieß es am Montag, Handel und Erzeuger würden sich auf Drängen der Regierung verständigen. Doch die französischen Verbraucher werden weiter unter völlig verzerrten Wettbewerbsverhältnissen leiden.

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