




"Ich will die geballte Energie der 20.000 Mitarbeiter mobilisieren", tönte Karstadt-Chefin Eva-Lotta Sjöstedt noch Anfang Juni in der Zeitschrift „Brigitte“. Wochenlang sei sie durch die Filialen getingelt, habe sich vorgestellt und mit angepackt. "Das ist Eva-Lotta-Stil“, erkläre die Warenhausmanagerin ihr Führungsprinzip. Nur einen Monat später hat sich der Eva-Lotta-Stil erledigt: Nach nur fünf Monaten im Amt hat Sjöstedt ihren Job bei Karstadt quittiert. Ihre Begründung: Sie habe festgestellt, dass die Voraussetzungen für die von ihr angestrebte Sanierung des Unternehmens nicht mehr gegeben seien. "Als ich mich im vergangenen Herbst dazu entschied, nach Essen zu gehen, tat ich dies in fester Annahme, ein angeschlagenes, in einer sehr schwierigen Situation befindliches Unternehmen übernehmen und entwickeln zu dürfen." Zudem hätte ihr Karstadt-Eigentümer Nicolaus Berggruen die volle Unterstützung für die Sanierung der 83 Warenhäuser zugesagt.
Untergangsszenarien sind nicht übertrieben
"Nach eingehender Prüfung, den Erfahrungen der letzten Monate und in genauer Kenntnis der wirtschaftlichen Rahmendaten muss ich nun jedoch feststellen, dass die Voraussetzungen für den von mir angestrebten Weg nicht mehr gegeben sind", so Sjöstedt.

Sjöstedt war mit reichlich Vorschusslob gestartet. Die ehemalige Ikea-Managerin bringe "viel Kompetenz für den zukünftigen Weg von Karstadt" mit, jubelte bei der Verkündung der Personalie im Dezember der Aufsichtsrat. Im März kündigte Sjöstedt an, sie wolle den Filialen mehr Eigenverantwortung einräumen und so stärker auf die Bedürfnisse der Kunden eingehen. Bislang habe Karstadt zu viel zentral vorgegeben. Branchenexperten wiesen von Anfang an jedoch darauf hin, dass es mit solch punktuellen Maßnahmen nicht getan ist. Sie halten Investitionen und Filialschließungen - womöglich gar im Rahmen einer Planinsolvenz für notwendig - um zumindest den Kern des Geschäfts zu erhalten.
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Der Abgang Sjöstedts zeigt nun auch nach außen hin, dass derlei Untergangsszenarien nicht übertrieben sind. Die Hoffnungen auf eine Genesung des maroden Konzerns schwinden von Tag zu Tag. In einer Präsentation vor Hunderten Betriebsräten mühte sich Sjöstedt jüngst noch Optimismus zu verbreiten, auch wenn die Geschäftszahlen dafür wenig Anlass gaben. Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2012/2013 waren die Erlöse in den bundesweit 83 Warenhäusern um mehr als fünf Prozent auf 2,7 Milliarden Euro geschrumpft. Im ersten Quartal des neuen Geschäftsjahres, das von Oktober bis Dezember 2013 lief, ging der Umsatz um 2,3 Prozent zurück. Der Bestand an Barmitteln soll binnen Jahresfrist von rund 300 Millionen auf 100 Millionen Euro gesunken sein.
Nun müssen sich zunächst Sjöstedts Kollegen um die knappen Kassen in Essen kümmern. Finanzchef Miguel Müllenbach und Arbeitsdirektor Kai-Uwe Weitz führen zunächst die Geschäfte. „Die Organisation der Geschäftsführung werden wir gemeinsam beraten und zeitnah anpassen“, erklärte der Vorsitzende des Aufsichtsrates Stephan Fanderl. In der Branche sieht man denn auch Fanderl selbst als möglichen Nachfolgekandidaten. Geschwindigkeit bei der Besetzung tut Not, da vor allem die Warenkreditversicherer die jüngsten Entwicklungen mit Sorge betrachten werden. Entscheiden sie, die Konditionen für Karstadt-Lieferanten zu verschlechtern, könnte sich die Lage sehr schnell zuspitzen.