Coca-Cola bei Aldi Die süße Versuchung von Markenprodukten

Coca-Cola gibt es jetzt auch bei Aldi. Damit dürfte der erfolgreichste Händler Deutschlands einen Strategiewechsel eingeleitet haben. Ein Gastbeitrag.

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Die größten Supermarktketten Europas
Platz 10: ITM Enterprises*Umsatz: 42,9 Milliarden Euro Food-Umsatz: 37,5 Milliarden Euro Bekannteste Marke der französischen ITM-Gruppe sind die Intermarché-Supermärkte, von denen es europaweit mehr als 2000 gibt. Quelle: Ranking des Handelsanalysten Planet Retail, 2011 Quelle: Screenshot
Platz 9: LeclercUmsatz: 35,8 Milliarden Euro Food-Umsatz: 22,8 Milliarden Euro Die französische Kette betreibt 560 Supermärkte in Frankreich und weitere 114 weltweit. 96.000 Menschen sind bei Leclerc beschäftigt. Quelle: Screenshot
Platz 8: AldiUmsatz: 42,4 Milliarden Euro Food-Umsatz: 35,8 Milliarden Euro Die Lebensmittel-Discounter Lidl und Aldi buhlen um ihre Marktmacht in Europa. Aldi schafft es immerhin auf Platz 8 der größten europäischen Händler. Lidl liegt als Bestandteil der Schwarz-Gruppe um ein paar Ränge höher. Quelle: dpa
Platz 7: EdekaUmsatz: 44,8 Milliarden Euro Food-Umsatz: 37,5 Milliarden Euro Edeka ist seit 2005 der größte Verbund im deutschen Einzelhandel. Zu der Gruppe gehören 12.000 Märkte mit über 300.000 Mitarbeitern. Tochtergesellschaften sind unter anderem SPAR und Netto-Markendiscount. Jetzt will Edeka mit kräftigen Investitionen in die Supermärkte und die Netto- Filialen der Konkurrenz weitere Marktanteile abknöpfen. Der Umsatz des Edeka-Verbundes stieg 2012 um 3,8 Prozent. Wachstumsmotor waren die selbstständigen Edeka-Händler mit einem Umsatzplus von 6,4 Prozent auf 21,3 Milliarden Euro. Netto Marken-Discount legte um 5,2 Prozent auf 11,3 Milliarden Euro zu. „Es ist uns gelungen, die Marktanteile auszubauen“, sagte der Chef der Edeka AG, Markus Mosa. Die Gesamtinvestitionen des Verbundes steigen 2013 um 200 Millionen auf 1,65 Milliarden Euro. Quelle: obs
Platz 6: MetroUmsatz: 47,2 Milliarden Euro Food-Umsatz: 28 Milliarden Euro Die deutsche Metro-AG ist die Dachgesellschaft mehrerer Groß- und Einzelhandelsunternehmen. Zu ihr gehören unter anderem die Vertriebsmarken Real, Saturn oder Galeria-Kaufhof. Bisher ist sie mit ihren Marken in 33 Ländern vertreten. Quelle: dapd
Platz 5Umsatz: 48,7 Milliarden Euro Food-Umsatz: 38,1 Milliarden Euro Die Rewe-Gruppe belegte in Europa 2011 Rang fünf der größten Händel - in Deutschlands ist Rewe derzeit zweitgrößte Lebensmittelhändler. Seit Mai versucht sich Rewe in Großstädten mit "REWE to go"-Shops als Konkurrent zu Fastfood-Ketten und Bäckereien. Quelle: dapd
Platz 4: AuchanUmsatz: 49,8 Milliarden Euro Food-Umsatz: 31,6 Milliarden Euro Die dritte französische Kette im Ranking der größten Händler Europas ist der französische Supermarkt-Riese Auchan. Auchan ist in zwölf Ländern aktiv und beschäftigt fast 270.000 Menschen. Der konzern betreibt mehr als 600 so genannter "hypermarché" und 760 normal große Supermärkte. 55 Prozent des Umsatzes macht Auchan außerhalb Frankreichs. Quelle: Screenshot

1,25 Liter der beliebten Kult-Brause kann der Kunde seit letzter Woche für 99 Cent in allen Aldi Filialen erstehen. Das entspricht exakt dem Preis des Hauptwettbewerbers Lidl. Erleben wir jetzt eine neue Rabattschlacht im Lebensmitteleinzelhandel? 

Der momentan noch vorherrschende Preisfrieden könnte leicht ins Wanken kommen: Der Discountkonkurrent Lidl als klassischer Vertreter der High-Low Preisstrategie hat in der Vergangenheit auch immer wieder Coca-Cola bei Aktionen deutlich unter 99 Cent angeboten. Auf solche Aktionen wird Aldi in Zukunft reagieren müssen, um seine Preiskompetenz zu waren. Aber auch die Vollsortimenter wie Rewe oder Edeka, die zur Zeit noch 99 Cent für die 1-Liter Flasche verlangen und somit rund 25% teurer sind als die Discounter, könnten in Versuchung geraten, den Preis von Aldi bei Aktionen zu unterbieten.

Kampf um Cola-Kunden

Aldi wird einen Großteil des neuen Coca-Cola Absatzes von Wettbewerbern abziehen, Handelsmanager erwarten ein Verkaufsvolumen von insgesamt 140 Millionen Flaschen. Aldis Cola Eigenmarke „River“ wird dabei keine große Rolle spielen, bewegt sie sich doch mit einem Preis von 26 Cent pro Liter in einer anderen Preislage. Die Wettbewerber jedoch werden sicher versuchen, mit aggressiven Rabattaktionen Marktanteile beim strategisch wichtigen Produkt Coca-Cola zurück zu gewinnen.

Zieht Lidl an Aldi vorbei? Die Infografik zeigt alle Aldi-, Lidl- und Kaufland-Standorte in Europa - und wo das Potenzial für die Supermärkte der Schwarz-Gruppe besonders groß ist.

Impulse zur Entzündung eines Preiskampfes könnten jedoch auch aus der Industrie kommen. Coca-Colas Hauptkonkurrent PepsiCo. wird die Listung von Coca-Cola bei Aldi sicherlich aufmerksam verfolgt haben und Konsequenzen ziehen. Vorstellbar ist insbesondere, dass PepsiCo. in Zukunft vermehrt auf Discounts für den Handel (Trade Promotions) setzen wird, welche den Preiswettbewerb im Markt für Softdrinks zusätzlich anheizen könnten.

Gefahr Preisspirale

Ein so entstehender Preiskampf kann weitreichende Konsequenzen haben, wie ein Blick in unser Nachbarland Österreich zeigt. Um Marktanteile zurückzugewinnen und neue Kundensegmente anzusprechen, listete die Aldi-Tochter Hofer im Juni diesen Jahres erstmalig Coca-Cola zum Einführungspreis von 1,29 Euro für die 1,5-Liter-Flasche und somit 20 Cent billiger als bei der österreichischen Konkurrenz, was eine Preisspirale nach unten in Gang setzte. Der Discountkonkurrent Lidl reduzierte prompt den Artikel um weitere 10 Cent auf 1,19 Euro und die österreichischen Vollsortimenter Billa und Spar zogen nach. Aktuell liegt der Dauerniedrigpreis für Coca-Cola bei Hofer bei einem österreichischen Rekordniedrigpreis von 99 Cent.

Richtige Richtung

Wer hinter No-Name-Produkten steckt
Ostmann-GewürzeMartina Schneider, Autorin des Buches "Welche Marke steckt dahinter?", schreibt, dass sich die Billig-Klone der Markenprodukte für die Unternehmen lohnen: Sie können ihre Produktionskapazitäten voll ausschöpfen und haben ein zweites Standbein. Allerdings sind die Billigmarken, oft auch vertrieben durch Tochterunternehmen, nicht das Lieblingsthema der Unternehmen. Die Gefahr, dass die Kunden statt auf das Original auf die billige Kopie zurückgreifen, ist zu hoch. So spart ein Kunde, der Kräuter oder Gewürze der Marke Basta kauft, 80 Prozent gegenüber den Ostmann-Gewürzen. Dabei kommen die Würzmischungen aus dem gleichen Haus. Einziger Unterschied: Verpackung und Preis. Basta-Gewürze werden übrigens bei der Supermarktkette Norma vertrieben. Quelle: Screenshot
Gallo Cabernet SauvignonÄhnlich hoch ist die Ersparnis für Kunden, die statt dem "Gallo Cabernet Sauvignon" auf den Wein der Marke "Burlwood Cabernet Sauvignon" bei Aldi kaufen. Der Wein stammt vom selben Familienunternehmen in Californien, kostet bei Aldi aber rund 70 Prozent weniger.
ZentisDer Marmeladen- und Konfitürenhersteller Zentis produziert auch für die Rewe-Marke "Ja!". Kunden, die zur Ja!-Marmelade oder Schokocreme greifen, bezahlen für das gleiche Markenprodukt also deutlich weniger. Der Grund für die krassen Preisunterschiede ist die starke Marktposition der Discounter gegenüber den Herstellern. Aldi, Rewe und Co können Unternehmen wie Zentis zwar nicht den Preis für die hauseigenen Marken, wohl aber den Preis für die Billigmarmelade vorschreiben. Quelle: dpa/dpaweb
ToastSo kostet das Label Golden Toast von Lieken rund 59 Prozent mehr als das Lidl-Produkt "Grafschafter Butter Toast" der Firma Kornmark - dabei ist Kornmark eine Tochterfirma von Lieken. Es handelt sich also um dasselbe Weißbrot. Unter dem Namen "Mühlengold Buttertoast" verkauft die Firma Lieken ihren Toast übrigens auch beim Discounter Aldi. Quelle: Screenshot
Dickmann'sAuch das Unternehmen Storck produziert seine "Super Dickmann's" und "Schokostrolche" nicht nur unter dem eigenen Label. Das Aldi-Produkt "Scholetta Mini Schokoküsse" kommt aus der gleichen Fabrik wie alle anderen Storck-Süßigkeiten. Zu denen gehören neben Dickmann's übrigens auch Nimm2, Werther's Echte und Storck Riesen. Quelle: Screenshot
Leibniz-Kekse & CoAuch die Firma Bahlsen produziert zweigleisig: Hinter Aldis "Van Botta Keksen" versteckt sich der "Leibniz"-Keks, die "Bahlsen Waffeletten" tarnen sich beim Discounter als "Favorini Zartes Waffelgebäck" und auch die billigen Schoko-Waffelröllchen der Firma Choco Bistro stammen aus dem Hause Bahlsen. Quelle: dpa
Müller MilchreisGleiches gilt für den Milchreis der Firma Müller, der getarnt als "Gut und Günstig" bei Kaufland im Regal steht. Und auch bei Aldi gibts den Original Müller Milchreis unter anderem Namen zu kaufen - zum halben Preis. Quelle: Screenshot

Ist die Aufnahme von Markenartikeln ins Aldi-Sortiment also grundsätzlich falsch? Dass Aldi, insbesondere Aldi Nord, sich weiterentwickeln muss, um den gestiegenen Kundenansprüchen gerecht zu werden, steht außer Frage. Die aktuelle Modernisierung der Aldi Nord Filialen ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung, aber auch die Listung einzelner Top-Marken kann helfen, das Sortiment von Aldi aus Sicht des Kunden aufzuwerten und neue Kunden anzusprechen.

Eine neuere Entwicklung im Drogeriesortiment könnte Aldi da auch in die Hände spielen. In der Vergangenheit ist Aldi bei namenhaften Herstellern von Drogerieartikeln wie Beiersdorf immer wieder abgeblitzt. Durch die Schlecker-Pleite ist bei den Herstellern von Kosmetikprodukten jedoch ein erheblicher Teil vom Umsatz weggebrochen, so dass sie erstmalig bereit scheinen, Markenprodukte an Aldi zu liefern. Vertraut man der Fachpresse, so steht die Listung von Elvital von L`Oréal und Nivea von Beiersdorf kurz bevor. Die wichtige Zielgruppe der jungen Familien hat Aldi mit seinem Angebot bislang kaum für sich gewinnen können. Ein attraktives Drogeriesortiment mit bekannten Top-Marken wie Nivea, auf dessen Qualität Konsumenten seit Jahrzehnten vertrauen, würde die Attraktivität von Aldi, insbesondere beim Zielsegment der jungen Familien, steigern.

Balance zwischen discount und billig

Trotz der unumstrittenen Vorteile, die Markenprodukte für Aldi haben können, bleibt die Listung der Top-Marken ein zweischneidiges Schwert und es wird in Zukunft ein schmaler Grat für Aldi werden, die richtige Balance zwischen Handelsmarken und Herstellermarken zu finden.

Die Gefahr einer Preisschlacht bleibt ungebrochen: schon jetzt kämpft der deutsche Lebensmitteleinzelhandel mit extrem niedrigen Umsatzrenditen, welche bei vielen Händlern gerade einmal 1% betragen. Eigenmarken bescheren den Händlern in der Regel wesentlich höhere Renditen als Herstellermarken, wohl auch deshalb konnte sich Aldi in den letzten Jahrzehnten als Branchenprimus in Sachen Profitabilität behaupten.

Von Plänen, den Anteil an Markenartikeln im Aldi Sortiment radikal auf 25% und mehr zu erhöhen, wie das Manager Magazin im März berichtete, kann daher nur dringend abgeraten werden. Durch die Aufgabe des Aldi-spezifischen Sortiments würde sich Aldi ständigen Preisattacken von Konkurrenten auf Top-Marken aussetzten. Die Dauerniedrigpreisstrategie wäre somit langfristig nicht mehr aufrecht zu erhalten und eine aus Kundensicht klare Differenzierung von Wettbewerbern, insbesondere von Lidl, wäre auf Dauer kaum noch möglich.

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